Miteinander im Ganztag: Chance für unsere Gesellschaft : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Das Pädagogische Zentrum der Bistümer im Lande Hessen bildet pädagogische Fach- und Führungskräfte fort. Für Direktor Thorsten Klug können katholische Schulen gerade in der Gestaltung des Ganztags ihr Profil zeigen.

Online-Redaktion: Das Pädagogische Zentrum Hessen gibt es schon seit über 40 Jahren. Was macht seine Besonderheit aus?

Direktor des PZ Hessen Thorsten Klug
Direktor des PZ Hessen Thorsten Klug © Lisa Krieg

Thorsten Klug: Das PZ Hessen, das von den Bistümern Limburg, Fulda und Mainz getragen wird, wurde damals zum „Zweck der Lehrerfortbildung und der Elternarbeit“ gegründet. Man hört die Sprache der 1970er Jahre. Seitdem hat sich viel getan. Die Elternarbeit ist über die Jahre ausgelagert worden, dafür sind andere Player im Schulkontext in unseren Blick gekommen. Neben den Lehrkräften sprechen wir pädagogische Fachkräfte und auch Führungskräfte mit unseren Fortbildungen an. Denn wir erfahren beinahe täglich, welche wachsende Bedeutung die sehr verschiedenen Professionen im Schulalltag haben.

Neben dem Auftrag für landesweite Fortbildungen für das Fach Katholische Religion in Kooperation mit der Hessischen Lehrkräfteakademie sind auch die Medienpädagogik sowie das Feld der interreligiösen und interkulturellen Pädagogik zwei wichtige Bereiche in unserem Programm, letztere in enger Zusammenarbeit mit dem Hessischen Kultusministerium und unseren evangelischen Partnerinnen und Partnern. Wir möchten Lehrkräfte, Schulleitungen und pädagogische Fachkräfte mit unseren Fortbildungen in ihrem Arbeitsalltag unterstützen, also eigentlich alle, die im Umfeld Schule beruflich tätig sind.

Unser Ziel als Pädagogisches Zentrum ist letztendlich, ein erfolgreiches Lernen von Schülerinnen und Schülern durch individuelle Förderung und Eigenverantwortlichkeit zu unterstützen. Dafür sind wir mit den Schulabteilungen der Bistümer, mit den katholischen Schulen, Lehrkräften und Schulleitungen, aber auch mit dem Land Hessen und mit den Universitäten, die Religionspädagoginnen und -pädagogen ausbilden, gut vernetzt.

Online-Redaktion: Gibt es Unterschiede der Fortbildung und Beratung katholischer Schulen zu staatlichen Schulen?

Klug: Ja und nein. In kirchlichen Schulen gibt es eigentlich die gleichen Fortbildungsbedarfe wie an staatlichen Schulen. So sind die Teilnehmenden bei unseren regulären Fortbildungen bunt gemischt. Darüber hinaus begleiten wir die katholischen Schulen exklusiv in Schulentwicklungsprozessen, in der Planung und Durchführung von Pädagogischen Tagen und vor allem bei Einkehrtagen für Kollegien. Das letztgenannte Format unterscheidet definitiv die Bedarfe von kirchlichen und staatlichen Schulen.

Online-Redaktion: Was heißt „bunt gemischt“?

Klug: Dafür, dass es in Hessen gut 1,6 Prozent katholische Schulen gibt, nämlich 30 von ungefähr 1.800 Schulen, ist die Quote von Teilnehmenden von katholischer Schulen deutlich höher. Darüber hinaus nehmen auch Personen von anderen pädagogischen Kinder- und Jugendeinrichtungen an unseren Fortbildungen teil, teilweise auch über die Landesgrenzen von Hessen hinaus. Eine Mischung, die ich als Gewinn erlebe.

In der Gestaltung des Ganztags das Profil zeigen
In der Gestaltung des Ganztags das Profil zeigen © Britta Hüning

Online-Redaktion: Sie bieten auch schulinterne Fortbildungen an. Warum ist das wichtig?

Klug: Ein entscheidender Faktor von Fortbildungen ist die Nachhaltigkeit ihrer Wirkung. Diese erhöht sich, wenn es sich nicht nur um Einmal-Fortbildungen handelt. Eingebaute Reflexions- und Praxisphasen bewirken nachhaltigere Veränderungen im Schulalltag. Und das gilt verstärkt, wenn mehrere Kolleginnen und Kollegen einer Schule an einer Fortbildung teilnehmen. Sie können als Gruppe dann leichter neue Ideen und Ansätze ins Kollegium bringen. Und dafür gehen wir auch mal in die Schulen.

Online-Redaktion: Was hat sich in den Jahrzehnten des Bestehens Ihrer Einrichtung am meisten verändert?

Klug: In der ersten Zeit bestand das Angebot des PZ Hessen vor allem aus Exkursionen und Studienfahrten. Angebote, die man heute nicht mehr primär mit einem Fortbildungsinstitut in Zusammenhang bringt. Seit zwei Jahren gibt es ein komplett neues Team bei uns. Heute versuchen wir mit den Fortbildungen in drei Themenfeldern gezielt den Schulalltag zu unterstützen: in der Unterrichtsentwicklung, der persönlichen Entwicklung und Professionalität der Fachkräfte und in der Schulentwicklung, also der Schule als Organisation und der Teamentwicklung. Dabei ist es uns wichtig, die Vielfalt des Schulalltags und die Vielfalt der Menschen, die dort Tag für Tag zusammenkommen, in unseren Fortbildungsangeboten widerzuspiegeln.

Online-Redaktion: Ein Beispiel bitte…

Klug: Denken Sie etwa an unsere Fortbildungsreihe „Diversität in der Schule“. Dort geht es unter anderem darum, eine gendersensible und rassismus- und antisemitismuskritische Schule zu gestalten. Veränderungen gibt es aber auch in der Bandbreite von Angeboten. Unsere Themen reichen vom Zeitmanagement im Berufsalltag über gewaltfreie Kommunikation oder kreatives Visualisieren bis zum Einsatz von Stimme und Körpersprache. Aber auch neuere, oder besser: in den letzten Jahren neu entdeckte Ansätze des Lernens wie das Deeper Learning haben wir im Angebot.

Online-Redaktion: Viele Schulen in katholischer Trägerschaft sind auch Ganztagsschulen. Welche Rolle spielt der Ganztag in der Fortbildung?

Klug: Einmal spielt der Ganztag indirekt eine Rolle. Ich habe schon etwas zu unseren drei Themenfeldern gesagt. Gerade im zweiten Themenfeld „Persönliche Entwicklung und Professionalität“ haben wir die täglichen Herausforderungen für Lehrkräfte im Schulalltag im Blick. Je mehr Zeit Schülerinnen und Schüler in der Schule verbringen, umso deutlicher steigen auch die Anforderungen an Lehrkräfte über die Inhalte im eigenen Fach hinaus.

Aber auch ganz direkt versuchen wir in Fortbildungen im Bereich der Schulentwicklung den Ganztag mit seinen organisatorischen Herausforderungen in den Blick zu nehmen. In Hessen gibt es ja drei unterschiedliche Profile für den Ganztag, die die Schulen wählen können. Hier wollen wir mit unseren Fortbildungen Impulse setzen, um die Schulen zu unterstützen.

Unterrichts-, Personal- und Schulentwicklung
Unterrichts-, Personal- und Schulentwicklung © PZ Hessen

Online-Redaktion: Kann der Ganztag auch kirchliche Akzente setzen und wenn ja wie?

Klug: Ich würde es eher umgekehrt formulieren wollen: Katholische Schulen können in der Gestaltung des Ganztags ihr Profil zeigen. Der besondere Geist katholischer Schulen zeigt sich hier vielleicht nochmal deutlicher. Die Vermittlung christlicher Werte erreicht Schülerinnen und Schüler umso mehr, wenn sie mehr Zeit in unterschiedlichen Lernformen und Lerngelegenheiten in der Schule verbringen. Dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht nur die reine Wissensvermittlung, kann so noch einmal ganz anders erlebt werden.

Insbesondere Angebote der Schulpastoral, der Schulseelsorge oder die verbandliche Kinder- und Jugendarbeit sowie spezielle Fördermöglichkeiten haben hier viele Entfaltungsspielräume. Und da können auch die Freiheiten noch mehr genutzt werden, die eine Schule als sogenannte Ersatzschule, also als Schule in kirchlicher Trägerschaft hat.

Online-Redaktion: Können Schule und Ganztag mit christlichem Hintergrund auch das Verständnis für Andersgläubige fördern?

Klug: Hier möchte ich ungern das Wort „Andersgläubige“ nutzen. Mir wird oft viel zu viel auf die Religionen reduziert oder auch auf sie abgewälzt. Es geht doch vielmehr um ein Verständnis oder noch besser um ein Miteinander der unterschiedlichen Kulturen, bei denen die Religion natürlich auch eine Rolle spielt, aber nicht immer der Ausgangspunkt sein muss. Ich bin sehr froh, dass wir eine Referentin für interreligiöse und interkulturelle Pädagogik haben.

Dieses Miteinander der Kulturen wird einerseits durch Wissen voneinander erleichtert. Aber es geht auch um das Wahrnehmen und Leben der eigenen Kultur im Verhältnis zu einer vielleicht als fremd erscheinenden. In der Schule kommen verschiedene Kulturen auf engstem Raum zusammen. Das ist die Chance für unsere Gesellschaft, sie als normales Miteinander erlebbar und begreifbar werden zu lassen. Das würde verhindern, dass Neid und Unverständnis zu Hass und Gewalt führen.

Online-Redaktion: Keine leichte Aufgabe…

Fachtag Hessen 2018: Ganztagsschule als interkultureller Ort
Fachtag Hessen 2018: Ganztagsschule als interkultureller Ort © Serviceagentur Hessen

Klug: Nein, aber das ist die Chance für unsere Schulen und alle, die dort miteinander einen wichtigen Teil ihres Lebens verbringen, sich für Frieden im Kleinen und dann auch im Großen einzusetzen. Wenn wir durch unsere Fortbildungen, wenn die katholischen Schulen durch ihre Prägung und wenn auch die staatlichen Schulen dazu beitragen können, hat unsere Gesellschaft viel gewonnen. Das gilt für die Ganztagsschulen im Speziellen, aber auch für die Schulen im Allgemeinen. Deshalb bin ich froh, dass die Katholische Kirche in der Förderung unseres Instituts dazu einen Beitrag leistet.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:

Thorsten Klug (Jg. 1974) ist seit August 2021 Direktor des Pädagogischen Zentrums der Bistümer im Lande Hessen mit Sitz in Wiesbaden. Nach dem Studium der Katholischen Theologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz von 1996 bis 2001 war er zunächst Pastoralassistent in Frankfurt-Griesheim und ab 2004 Pastoralreferent in Bad Camberg. 2009 wurde er Einrichtungsleiter und Jugendseelsorger an der Katholische Fachstelle für Jugendarbeit Taunus in Oberursel und unterrichtete selbst Religion. Ab 2016 leitete er das Amt für katholische Religionspädagogik Wiesbaden-Rheingau-Untertaunus im Bistum Limburg in Wiesbaden.

Das Pädagogische Zentrum ist eine Fortbildungseinrichtung für Lehrkräfte aller Schularten und Angehörige anderer pädagogischer Berufsgruppen im schulischen oder schulnahen Bereich. Träger des Instituts sind die hessischen Bistümer Fulda, Limburg und Mainz. Das Institut wurde im Mai 1977 gegründet, seit 1978 gibt es Angebote der Fort- und Weiterbildung. Pro Jahr nehmen rund 1.500 Personen an Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen des PZ teil, für das rund 50 Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen beruflichen Kontexten tätig sind.

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