Mit Humor geht Schule den GANZenTAG leichter : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Das Religionspädagogische Zentrum Heilsbronn bildet Pädagoginnen und Pädagogen zu einem außergewöhnlichen Thema fort: Humor im Ganztag. Religionspädagogin Gerlinde Tröbs erläutert das Konzept im Interview.
Online-Redaktion: „Mit Humor geht Schule den GANZenTAG leichter“ war das jüngste Seminar des Religionspädagogischen Zentrums Heilsbronn überschrieben. Passen Humor und Schule denn überhaupt zueinander?
Gerlinde Tröbs: Häufig geht es in der Schule tatsächlich sehr ernst zu. Leistung, Noten und Abschlüsse stehen im Vordergrund. Gerade die aktuelle Generation von Schülerinnen und Schülern steht unter einem erheblichen Druck. Sie liest und hört von Erwartungen, davon, wie wichtig ein guter Abschluss ist und welchen Notendurchschnitt sie benötigt, um eine Ausbildung oder ein Studium beginnen zu können. Das verursacht Stress. Humor, das zeigt die Forschung, ist eines der besten Gegenmittel. Das wollten wir vermitteln und zeigen, dass Humor und Schule sehr wohl zusammengehören.
Unsere Referentin Ingrid Rothfuß wies uns auf die positive Wirkung von Humor hin. Auch die Studie der Greifswalder Universitätsklinik in Zusammenarbeit mit der Universitätsmedizin Leipzig und der Humboldt-Universität zu Berlin von 2016 mit Unterstützung des Vereins „Humor hilft heilen" ergab, dass Lachen und Humor bei Kindern die Angst vor einer Operation reduziert. Das Wohlfühlhormon Oxytocin, das unter anderem hilft, Stress abzubauen, erhöhte sich während der Studie durch Humor. Die Wirkung erzielt das Hormon grundsätzlich, also warum nicht auch in der Schule.
Online-Redaktion: Was bewirkt Humor in der Schule konkret?
Tröbs: Eine Lehrerin oder ein Lehrer, aber natürlich auch alle im Ganztag Mitwirkenden in den multiprofessionellen Teams, die den Schülerinnen und Schüler mit Humor gegenübertreten, tun sich leichter, Kontakt zu ihnen aufzubauen. Humor ist positiv, freundlich, macht neugierig und sympathisch. Wer immer grimmig dreinblickt, wird keine Herzen, Seelen und Köpfe erreichen. Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie konnte aufzeigen, dass eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung sich positiv auf die Lernleistungen auswirkt. Humor hilft, Wege für eine gute Beziehung zu ebnen.
Online-Redaktion: Das Dauerlächeln als Erfolgsgarant?
Tröbs: Auf keinen Fall. Aber auch ernsten Dingen kann man humorvoll oder sagen wir wohlwollend gegenübertreten. Insbesondere den Schülerinnen und Schülern. Alle an einer Schule Beteiligten sollten sich einen positiven Blick auf Kinder und Jugendliche zu eigen machen, auch mal schauen, welcher Schalk in dem einzelnen steckt.
Online-Redaktion: Kann Humor erlernt werden?
Tröbs: Viele, egal ob jung oder alt, verfügen über eine gute Portion Grundhumor, lieben Scherze, sind schlagfertig. Ihre Mundwinkel zeigen nach oben. Aber es gibt eben auch hin und wieder Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, missmutig durch die Welt gehen. Sie müssen Humor – manchmal wieder – lernen. Unsere Humortrainerin Ingrid Rothfuß hat uns sehr deutlich gemacht, dass es sich um eine Frage der Haltung handelt. Ist das Glas für mich halbvoll oder halbleer? Ich kann über den Regen schimpfen. Oder ich kann aus dem Fenster schauen und mich über den Regen freuen. Und das gilt natürlich auch für den Blick auf die Schülerinnen und Schüler. Ich kann sagen: Du hast zehn Fehler in der Arbeit. Aber ich kann auch sagen: „Beim letzten Test musste ich mehr rot anstreichen.“
Online-Redaktion: Ich stelle mir die Lehrerin oder einen pädagogischen Mitarbeiter vor, die plötzlich mit Humor die Konferenz aufmischen. Werden die beiden dann noch ernst genommen?
Tröbs: Nun, sie könnten ja offensiv mit dem Thema umgehen und sagen, dass sie an einer Humorfortbildung teilgenommen haben. (lacht) Die anderen werden spüren, wie Lachen befreit. Sie müssen natürlich authentisch sein. Ein aufgesetztes Lachen bringt nichts. Ebenso wenig bringt es etwas, wenn die Schulleitung ihren Mitarbeitenden rät, „da mal hinzugehen“, nach dem Motto „Das tut dir gut.“ Der Impuls muss von selbst kommen.
Online-Redaktion: Der Titel Ihres Seminars beinhaltete nicht umsonst das Wort „Ganztag“. Wie bringe ich Humor in die Ganztagsschule?
Tröbs: Gerade der Ganztag bietet eine Fülle von Möglichkeiten. Jede Arbeitsgemeinschaft, die Leichtigkeit in den Tag bringt, wirkt Wunder und fördert ganzheitlich. Theater-AGs, Spielenachmittage oder die Zirkusgruppe mit Clownerie machen locker, motivieren. Sie erhöhen zudem noch die Konzentrationsfähigkeit, wenn es anschließend im Unterricht weitergeht. Das sind alles wertvolle Zusatzeffekte. Humor, Freude und Entfaltung auf einer anderen als der Unterrichtsebene haben aber ihren eigenen Wert.
Online-Redaktion: Welche Fehler sollte ich vermeiden?
Tröbs: Humor gezielt in pädagogischen Beziehungen genutzt, muss immer wertschätzend sein, niemals höhnisch, spöttisch oder ironisch. Humor und die Mitteilung einer schlechten Note passen schlecht zusammen. Aber ein lustiger Spruch hilft mitunter, Konflikte zu lösen und kann Teamgeist fördern. Das Credo könnte lauten: „Jeden Tag mindestens einmal ausgiebig lachen.“ Dabei darf man sich auch selbst gerne auf die Schippe nehmen. Unsere Referentin empfahl uns übrigens, eine Humorschatzkiste anzulegen in der man Sprüche, Witze, Bilder, … für bestimmte Situationen parat hält.
Online-Redaktion: Muss Humor nicht spontan und schlagfertig sein und verbietet dann automatisch das Blättern in der Sprüchekartei?
Tröbs: Es geht nicht darum, die Schülerinnen und Schüler zu bitten, kurz abzuwarten, bis ich den richtigen Spruch in der Kartei gefunden habe. Das Anlegen der Humorkiste bringt mich eher dazu, über mögliche Verhaltensweisen und Reaktionen nachzudenken. Das ist Übungssache.
Online-Redaktion: Machen wir es konkret. Wie bringe ich meine Klasse oder Arbeitsgemeinschaft zum Lachen?
Tröbs: Machen Sie etwas, was Sie noch nie getan haben. Kommen Sie rückwärts in den Raum herein und beobachten, was passiert. Oder erzählen Sie eine Anekdote, einen Witz, eine lustige Begebenheit. Witze eignen sich übrigens wunderbar für Arbeitsgemeinschaften. Lachen sie gemeinsam über die Witze, die Kinder kreieren. Ich habe da zwei Schülerwitze für Sie: Lehrer: Weißt Du, wie lange Fische leben? Schüler: „Wahrscheinlich genauso wie kurze.“ Oder: Lehrer: „Nennt bitte drei berühmte Männer mit den Anfangsbuchstaben B.“ Schüler: „Beckenbauer, Breitner, Basler.“ Lehrer: „Hast Du noch nie etwas von Brahms, Bach oder Beethoven gehört?“ Schüler: „Nein, Regionalliga gucke ich nicht.“ Oder setzen Sie sich eine Clownsnase auf. Lassen Sie der Kreativität einfach mal freien Lauf.
Online-Redaktion: Rückwärts oder mit Clownsnase in die AG reinlaufen – da sind wir schnell beim Thema, nicht ernst genommen zu werden…
Tröbs: Richtig. Und es gehört auch eine gute Portion Mut dazu, ein Stück weit die Kontrolle abzugeben. Aber ich bin sicher, jede Lehrkraft und jede im Ganztag tätige Person kennt ihre Pappenheimer und weiß, was sie tun kann und was nicht.
Online-Redaktion: Der Mensch neigt dazu, auf Störungen verschnupft zu reagieren. Ein tägliches Thema in Unterricht und Ganztag. Hilft auch hier Humor?
Tröbs: Wichtig ist doch, dass man schnell wieder aus seinem Ärger herauskommt und mit einer gewissen Leichtigkeit weiterarbeiten kann. In unserem Seminar gab es dazu ein schönes Beispiel einer Teilnehmenden. Eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern kommt grundsätzlich zu spät. Das ärgert die Lehrerin maßlos. Es gibt immer wieder Diskussionen. Nun versucht sie es, inspiriert durch das Seminar, am nächsten Schultag einmal anders. Sie bereitet einen Zettel vor mit unterschiedlichen Gründen, warum jemand zu spät kommt, und schreibt darunter die Aufforderung, die zu spät Kommenden möchten sich auf eine Ausrede zu einigen. Den Zettel hängt sie außen an die Klassentür. Mal sehen, was passiert. Mit Humor geht eben alles leichter.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Ein herzlicher Dank gilt der Redaktion Lehrer-Online und ihrer Social Media Redaktion sowie insbesondere dem Karikaturisten und Illustrator Michael Hüter für die freundliche Genehmigung zur Verwendung der Cartoons!
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