Mit Freu(n)den im Ganztag lesen : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Mit Leseclubs und media.labs unterstützt die Stiftung Lesen die Leseförderung. In einem Online-Seminar stellte sich das Projekt, in dem auch viele Ganztagsschulen mit außerschulischen Partnern aktiv sind, vor.
Nicht nur die Stadtbibliothek Halle (Saale) wirbt mit dem schönen Spruch „Schock Deine Eltern – lies ein Buch!“. Landauf, landab laufen Programme und Projekte, um Kinder und Jugendliche für das Lesen zu begeistern. Manchmal gar, zum Lesen zu bewegen.
Die „BoKids Leselöwen“ der Schule Bonhoefferstraße in Hamburg wissen schon, wie das geht. Studierende der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr und andere Ehrenamtliche betreuen hier die Grundschülerinnen und -schüler, motivieren auf vielfältige und spielerische Art zum Lesen und fördern so auch die Sprachkompetenz.
Schon lange hat die Sigmund-Jähn-Grundschule in Fürstenwalde einen Leseclub. Die Ganztagsgrundschule im "Kosmonautenviertel", einem Wohngebiet, das heute mit vielen sozialen Problemen zu kämpfen hat, kooperiert dazu mit der Stadtbibliothek Fürstenwalde. Der Leseclub erreicht die Kinder vor allem über die Lehrkräfte. Diese wecken das Interesse an Büchern über spielerische Angebote, fragen die Kinder kontinuierlich nach derzeitigem Lesestoff, lassen Steckbriefe zu Büchern oder Autoren anfertigen, initiieren Buchvorstellungen, nutzen in Lesestunden die Schulbibliothek, arbeiten mit Lesepaten zusammen und motivieren zusätzlich über den Punktestand beim Leseprogramm ANTOLIN.
Für die 1. und 2. Klassen werden Vorlese- und Erzählnachmittage, Bilderbuchkino, Themennachmittage wie „Märchen“ und „Piraten“ angeboten, in denen auch gebastelt wird. Darüber hinaus erstellen die Schülerinnen und Schüler in den 3. bis 6. Klassen Steckbriefe für Autoren und Bücher, die die Mitschülerinnen und Mitschüler zum Lesen motivieren sollen, schreiben Rezensionen und spinnen Geschichten weiter. Ältere Mitschülerinnen und Mitschüler lesen den jüngeren vor.
„Lesen geht immer“
In der Hunsrück-Schule in Berlin-Kreuzberg sind die „Leseprofis“ aktiv: Unter dem Motto „Lesen geht immer“ können dort seit 2015 Schülerinnen und Schüler aller Jahrgangsstufen „Leseprofis“ sein – „jeder, der Spaß am Lesen hat“. Bei dem aus einem Modellvorhaben der Senatsschulverwaltung hervorgegangenen Projekt gestalten die Leseprofis einen Büchertisch, schreiben Empfehlungen für die Bücherecke auf der Homepage der Schule, gestalten Buchpräsentationen und lesen anderen Kindern vor.
Die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler sind Mitglieder im Leseclub „Die Ohmsteder Schmöker“ an der Grundschule Ohmstede in Oldenburg. Seit dem Schuljahr 2016/2017 gibt es hier, in Kooperation mit Ehrenamtlichen, täglich ein außerunterrichtliches Leseclub-Angebot: Die Kinder lesen, basteln, malen, schreiben eigene Geschichten, Sketche und Theaterstücke, die sie dann auch vorspielen. So lernen die Kinder, was man mit Büchern noch alles kreativ machen kann.
Die Schule in der Vahr ist eine von bisher nur zwei Bremer Schulen mit einem Leseclub. An der Ganztagsgrundschule haben die Klassen dort feste Lesezeiten, und zweimal in der Woche trifft sich die Leseclub-AG. Während der Ganztagsangebote in der „Dies- und Das-Zeit“ ist der Leseclub ebenfalls geöffnet. Bei der Betreuung des Leseclubs und der Ausleihe wird die Schule von den Lesehelferinnen und Lesehelfern der Freiwilligen-Agentur Bremen unterstützt. Die Stadtteilbibliothek Vahr hilft bei Planung und Verbesserung des Angebots.
450 Leseclubs in ganz Deutschland
Eine Institution, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, Lesen (weiterhin) „zum Teil jeder Kindheit und Jugend zu machen, damit alle die gleichen Chancen haben“, ist die Stiftung Lesen. Rund 100 Programme, Aktionen und Forschungsprojekte zur Leseförderung für Kinder, Jugendliche und Familien sprechen für sich. Die Stiftung will die Lesemotivation und die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen fördern. Unter anderem der Vorlesetag und der Welttag des Buches gehören als öffentlichkeitswirksame Termine dazu. Die Stiftung beteiligt sich auch am bundesweiten Förderprogramm „Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung“.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt mit diesem Programm seit 2013 außerschulische Projekte der kulturellen Bildung. Die Projekte bauen eine Brücke zu öffentlichen Lernwelten wie Museen, Theatern, Familienbildungsstätten und Bibliotheken und fördern selbstgesteuertes Lernen und freiwilliges Mitgestalten. Mit den Bündnissen für Bildung formieren sich lokale Netzwerke aus Kultur-, Bildungs- und Jugendarbeit mit dem Ziel, vor Ort dauerhaft Unterstützungs- beziehungsweise Bildungsangebote zu etablieren.
Unter diesem Dach unterstützt die Stiftung Lesen auch Schulen als Standortpartner in ganz Deutschland: bei der Gründung und Begleitung von Leseclubs und media.labs. Die Einrichtungen stellten die Projektmanagerinnen Melanie Dreher und Yasmin Welkenbach im Rahmen eines Online-Seminars am 16. Juni 2020 vor. Etwa 100 Fragen und Kommentare innerhalb einer Stunde Chat zeugten vom Informationshunger der rund 60 Teilnehmenden, und die beiden Projektleiterinnen kamen nach einer Input-Phase, in der sie die Leseclubs und media.labs erläuterten, mit der Beantwortung der Fragen kaum noch hinterher. „Wir werden bis Ende 2022 rund 450 Leseclubs in ganz Deutschland unterstützen. Momentan sind es rund 300“, erläuterte Yasmin Welkenbach. „Letztes Jahr haben mehr als 12.000 Kinder teilgenommen. Seit dem Beginn des Förderprogramms 2013 haben wir den Leseclubs rund 500.000 Medien zur Verfügung gestellt.“
Außerunterrichtliches und freiwilliges Angebot
Das Leseclub-Angebot ist für Kinder von sechs bis zwölf Jahren konzipiert. Schulen, die einen Leseclub an ihrer Schule anbieten möchten, stellen einen Raum zur Verfügung, in dem die Stiftung eine breite Auswahl an Medienangeboten platziert: Bücher, Spiele, Zeitschriften-Abonnements und digitale Medien. Es stehen Buchpakete zur Auswahl, die sich an die unterschiedlichen Altersstufen richten. „Wir aktualisieren diese Auswahlpakete jedes Jahr“, erzählte Melanie Dreher, „und überlegen immer wieder aufs Neue, welche Bücher für die Zielgruppen bestens geeignet sind.“ Auch zweisprachige Lesematerialien stehen im Angebot.
Um eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen, können die Schulen auch Sitzsäcke oder ein Sofa wählen. Wenn eine Schule nicht selbst über Bücherregale verfügt, erhält sie auch hier Unterstützung. Die Schulen müssen neben der Räumlichkeit nur noch jemanden als Ansprechpartner bestimmen, der oder die die Angebote koordiniert.
Die Leseclubs werden mit einem außerschulischen Partner und häufig im Ganztag organisiert. „Uns ist wichtig, dass es sich um ein außerunterrichtliches und vor allem um ein freiwilliges Angebot handelt“, so Yasmin Welkenbach. Neben Lehrerinnen und Lehrern sind besonders Ehrenamtliche aller Altersstufen im Einsatz. „Zunehmend engagieren sich auch Studierende aus pädagogischen Fachrichtungen“, so Melanie Dreher. „Sie schätzen es, so erste Praxiserfahrungen in der Schule zu sammeln. Manche Fachbereiche bauen das sogar als Praxisseminar in das Studium oder die Ausbildung ein - so können alle Seiten vom Engagament im Leseclub maximal profitieren.“
Für die Ehrenamtlichen organisiert die Stiftung Lesen jährlich rund 40 regionale Fortbildungen, auch Online-Seminare, die sich gerade jetzt besonders gut bewähren. Dabei handelt es sich bei den Präsenzveranstaltungen immer um ganztägige Termine. Die Teilnehmenden erhalten hier zum Beispiel Ideen für Aktionen und Anregungen, wie sie Bücher spielerisch einbringen können. Daneben kommt jährlich auch eine Broschüre mit Tipps, aktuellen Bücherlisten und Aktionsmöglichkeiten heraus.
Kreative Beschäftigung mit Medienkompetenz verbinden
Media.labs sind von ihrer Konzeption her den Leseclubs ähnlich, richten sich aber an Jugendliche ab zwölf Jahren und legen den Fokus stärker auf die digitalen Medien. Die Schülerinnen und Schüler können hier Bücher und Zeitschriften lesen, aber zur Ausstattung gehören auch Tablets, LEGO-Mindstorm-Roboter, Mikrofon und Kamera. So können die Jugendlichen selbst Filme, Hörspiele und Radiospots herstellen oder Roboter programmieren. „Die Neugier der Jugendlichen für Geschichten und Bücher wecken wir eher, wenn wir solche Medien einbeziehen, die sowieso fest in ihrem Alltag verankert sind“, berichtete Melanie Dreher. „So können die Schulen hier einen niedrigschwelligen Zugang zum Lesen bieten und zugleich einen wichtigen Beitrag zum Thema Medienkompetenz leisten.“
Zweimal im Jahr organisiert die Stiftung einen Workshop im media.lab, für den Referentinnen und Referenten in die Schulen kommen und das Angebot zusammen mit den Ehrenamtlichen und den Jugendlichen umsetzen. Etwa 40 Workshop-Angebote stehen zur Auswahl: So können die Schülerinnen und Schüler „Kreatives Schreiben“ praktizieren oder für ein Magazin und die Schülerzeitung schreiben. Sie können Spielfilm-Trailer produzieren, sich als „Spieletester“ versuchen oder ihre Smartphones zur künstlerischen Gestaltung einsetzen. Ein Workshop thematisiert, wie Werbung funktioniert, andere Workshops drehen sich um Cybermobbing, Hate Speech und Fake News im Netz.
„Wir versuchen bei unseren Angeboten immer, aktive und kreative Beschäftigungen mit der Vermittlung von Medienkompetenz zu verbinden“, erläuterte Yasmin Welkenbach. Leseclubs und media.labs sind dabei nicht auf Schulen beschränkt. „Auch Bibliotheken, Kirchengemeinden und Jugendzentren können die Projekte umsetzen.“ Es bestehen bereits über 50 media.labs in ganz Deutschland. Weitere Standorte werden demnächst hinzukommen, wofür weiterhin Bewerbungen möglich sind.
Neue Partnerschaften entstehen
Sowohl für die Leseclubs als auch die media.labs bewerben sich zwei Partner gemeinsam – einerseits die jeweilige Schule und andererseits Vereine, Verbände oder die Stadtbibliothek. „An manchen Schulen sind die Partner so etwas wie 'stille Mitdenker', die um Rat gefragt werden, bei der Gewinnung von Ehrenamtlichen unterstützen und weitere Materialien zur Verfügung stellen. Andere Partner bringen sich ganz aktiv ein, indem sie auch ihre Räumlichkeiten für die Schülerinnen und Schüler öffnen“, berichtet Melanie Dreher. Das gilt allerdings nicht für Schulfördervereine. Das Prinzip ist, das neue außerschulische Partnerschaften entstehen.
Mit der Stiftung Lesen schließen die Partner eine Kooperationsvereinbarung, die derzeit bis zum Ende des Förderprogramms 2022 datiert ist. Dabei ist erstmal nur eines der beiden Angebote Leseclubs oder media.lab möglich. „Wir wollen die Einrichtungen nicht überfordern“, meint Melanie Dreher. „Wenn das erste Angebot ein Jahr gut läuft, kann man aber auch das zweite einrichten.“ Schule und Kooperationspartner verpflichten sich, im Leseclub ein regelmäßiges Angebot von zwei bis drei Terminen in der Woche anzubieten. „In den Leseclubs sollten jährlich mindestens 25 Schülerinnen und Schüler erreicht werden“, so die Projektmanagerin. Bei den media.labs hingegen ist ein Termin pro Woche mit circa 15 regelmäßig Teilnehmenden vorgesehen.
Leseclub in der Ganztagsschule: „Ort des Verweilens“
Eine Ganztagsgrundschule, an der seit 2018 ein Leseclub existiert, ist die Eichendorffschule in Ludwigsburg. Dort ist ein Zimmer zu einem „Ort des Verweilens, einem besonderen Raum mit Wohlfühlatmosphäre“ umgestaltet worden. Der Leseclub hat sich schnell zu „einer Art Magnet entwickelt, der im Bereich des schulischen Ganztagsbetriebs ebenfalls sehr gern genutzt wird“, wie es auf der Website der Schule heißt.
Zusätzliche Veranstaltungen wie der „Erzähle-ein-Märchen-Tag“, die Teilnahme am „Welttag des Buches“, am „Leseraben-Geschichten-Spiel“ oder der Bücherflohmarkt sollen den Leseclub als feste Einrichtung etablieren. Sie bieten gezielte Anlässe für Begegnungen, zum Erzählen und natürlich zum Lesen. „Weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gern willkommen“, wirbt der Leseclub der Eichendorffschule.
Und was gefällt den BoKids Leselöwen in Hamburg besonders gut?
„Für mich ist das Lesen gut.“
„Schnitzeljagd mit Buchstabensuche.“
„Ich darf schwierige Bücher lesen.“
„Dem Hund vorlesen und ihm Geschichten erklären.“
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