Klasse Klima – mit Freiwilligkeit, Spaß und Partizipation : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Mit „Klasse Klima – heißkalt erwischt “ sensibilisieren drei Jugendumweltverbände für den Klimawandel. Antonia Müller von der BUNDjugend erläutert das Projekt, das auf die Selbstwirksamkeit der Jugendlichen vertraut.
Online-Redaktion: Frau Müller, Sie sind bei der BUNDjugend als Projektreferentin für „Klasse Klima“ verantwortlich. Wie ist die Idee zu diesem Projekt aufgekommen?
Antonia Müller: „Klasse Klima – heißkalt erwischt“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen der BUNDjugend, der Naturfreundejugend Deutschlands und der Naturschutzjugend. Als Jugendumweltverbände wollen wir im Rahmen des Projektes unseren Zugang zu weiterführenden Schulen – gerade auch vor dem Hintergrund des Ausbaus der Ganztagsschulen – ausbauen und gute und vertrauensvolle Kooperationen aufbauen. Da die Themen Klimawandel und Klimaschutz uns allen am Herzen liegen, haben wir uns auf diesen Ansatz geeinigt.
In einem langen Verfahren haben die Geschäftsführenden das Projekt konzipiert und bei der Nationalen Klimaschutzinitiative beim Bundesumweltministerium beantragt. Nach der Genehmigung und dem Projektstart zum 1. Mai 2015 ging es dann Anfang 2016 mit der ersten Praxisphase richtig los. Inhaltlich wollen wir den Schülerinnen und Schülern das wichtige Thema Klimaschutz nahebringen und zwar lebensweltnah und handlungsorientiert.
Online-Redaktion: Ist es ungewöhnlich, dass drei Jugendumweltverbände zusammenarbeiten?
Müller: Das ist nicht neu, im Jugendbündnis Zukunftsenergie und auch in anderen Kooperationsprojekten arbeiten wir bereits viele Jahre eng und vertrauensvoll zusammen. Das Projekt ist in seiner Dimension allerdings etwas Besonderes. Das Projektteam besteht aus 16 Menschen.
Online-Redaktion: Das heißt, Sie sind gut ausgestattet?
Müller: Es ist ein bundesweites Projekt, bei dem wir in zehn Bundesländern nochmal vor Ort mit Regionalkoordinierenden vertreten sind. Diese Bundesländer sind unter den drei Verbänden aufgeteilt, wobei die BUNDjugend vier Länder betreut, während die Naturfreundejugend und die Naturschutzjugend jeweils in drei Ländern vertreten sind.
Unsere Aufgabe als Projektreferentinnen ist es, die Regionalkoordinierenden bei ihrer Arbeit bestmöglich zu unterstützen. Sie bewältigen die großen Aufgaben direkt vor Ort. Neben der Akquise von Schulen und freiwilligen Multiplikatorinnen und Mutliplikatoren sind das vor allem die Betreuung und Bindung dieser. Bei uns gestalten Ehrenamtliche oft Projekttage, Wandertage oder Arbeitsgemeinschaften in den Schulen. Eine der großen Herausforderungen ist es, den Bedarf der Schulen und die Kapazitäten der Freiwilligen übereinzubringen.
Online-Redaktion: Welchen Hintergrund haben die Freiwilligen?
Müller: Die allermeisten sind jüngere Leute, die aus den Jugendverbänden oder ihrem Umfeld und mit ihren Idealen in die Schule kommen, wo die Schülerinnen und Schüler häufig noch eine andere Art des Lernens und der Autorität und weniger unseren Peer-to-Peer-Ansatz auf Augenhöhe und das entdeckende Lernen gewohnt sind.
Online-Redaktion: Wie qualifizieren Sie die Freiwilligen?
Müller: Der erste Schritt sind Workshops vor Ort zur gemeinsam Planung der Bildungsangebote. Wir, Projektreferentin und Regionalkoordinierende, erörtern mit den Freiwilligen, wie wir die Wünsche der Schule umsetzen können, wie das Vorwissen und die Interessen der Schülerinnen und Schüler sind, welche Gegebenheiten die Schule bietet und welche Interessen unsere Ehrenamtlichen mitbringen. Wir kommen nämlich nicht mit einem Schema F an die Schulen, sondern richten unsere Angebote an den Interessen und dem Wissen der Schülerinnen und Schüler und den Fähigkeiten und Herzensthemen der Freiwilligen individuell und im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung aus. Immer mit dem Ziel, den Schülerinnen und Schülern vor Augen zu führen, wie sie selbst ganz konkret und praktisch klimafreundlich und nachhaltig leben können.
Dazu haben wir eine Toolbox entwickelt, die unser pädagogisches Konzept und Selbstverständnis vorstellt und organisatorische Fragen beantwortet. In neun inhaltlichen Modulen werden hier außerdem Themen rund um den Klimawandel didaktisch aufbereitet. Da geht es zum Beispiel um Klimagerechtigkeit und Flucht, um Ernährung und Klimawandel, um Konsum, um Mobilität, um Tourismus und um die klimafreundliche Schule. Dazu gehören Kurzinfos, themenspezifische Methoden mit den entsprechenden Arbeitsmaterialien, die wir aus bestehenden Methodensammlungen zusammengestellt haben, und beispielhafte Ablaufpläne für Klasse Klima-Angebote. Aus dieser Vielfalt kann man etwas auswählen. Daneben findet sich in der Toolbox auch eine Sammlung diverser gruppendynamischer Methoden. Die Toolbox gibt es als Ordner, man findet sie neben einer Suchmaschine für Methoden neuerdings auch online.
Dann gibt es noch Fortbildungswochenenden, die besonders jetzt Ende des Jahres zur Vorbereitung der zweiten Kooperationsphase von „Klasse Klima“ stattgefunden haben und die wir zusammen mit der Bewegungsakademie Verden durchführen. Da sollen die Freiwilligen, die vielleicht keine Lehramtsstudierenden sind, keine Erfahrung in der Arbeit mit Schulklassen und viel Respekt davor haben im Kontext Schule zu wirken, in Form eines simulierten Projekttages Praxiserfahrungen in einem geschützten Raum sammeln. Hier können sie sich mit der Toolbox auseinandersetzen, Methoden kennenlernen und sich darüber austauschen, wie man mit pädagogischen Herausforderungen umgehen kann. Die Wochenenden dienen auch dazu, neu hinzukommende Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für das Projekt zu begeistern und unser Netzwerk an wunderbaren engagierten Menschen zu stärken.
Online-Redaktion: Wie sieht die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern aus?
Müller: Zunächst wollen sie in den 5. und 6. Klassen über das Thema Klimawandel und seine Folgen aufklären. Dann sollen die Kinder und Jugendlichen für einen klimafreundlichen Lebensstil sensibilisiert und dafür begeistert werden. Wir setzen mit unseren Angeboten an ihrer Lebensrealität an. Uns geht es nicht darum, etwas vorzuschreiben oder gar mit Angstszenarien zu arbeiten. Wir wollen den Kindern und Jugendlichen auf der Basis von Freiwilligkeit, Spaß und Handlungsorientierung Wissen und Werte vermitteln und und ihnen zeigen, wie sie selbst konkret zum Klimaschutz beitragen können.
In den Jugendumweltverbänden sind wir uns einig, leben größtenteils nachhaltig und bewusst – aber wir leben hier in unserer kleinen Blase. Wir wollen mit Klasse Klima auch Menschen erreichen, für die ein nachhaltiger, klimafreundlicher Lebensstil noch nicht selbstverständlich ist, die noch jung sind und die Zukunft gestalten werden. Wichtig ist uns daher neben dem partizipativen Ansatz, dass die Schülerinnen und Schüler Selbstwirksamkeit erfahren.
Online-Redaktion: Was ist für Sie der Türöffner zur Schule?
Müller: Meistens eine engagierte Lehrkraft. Am Anfang haben wir weniger mit den Schülerinnen und Schülern selbst zu tun, sondern die Informationen laufen erstmal über eine Lehrerin oder einen Lehrer. Die Akquise von Schulen ist definitiv eine Herausforderung für uns, da wir als Jugendumweltverbände mit dem Projekt vertrauensvolle und längerfristige Kooperationen mit Schulen größtenteils erst einmal aufbauen wollen und nicht auf bestehende Kontakte zurückgreifen können. Aber inzwischen haben seit Jahresbeginn bereits rund 1.000 Schülerinnen und Schüler an einer ersten von zwei Kooperationsphasen teilgenommen. Sie dauert noch bis zum Ende des laufenden Schulhalbjahres. Im Februar 2017 startet dann eine zweite Kooperationsphase, in der wir uns noch ausweiten wollen. Sie läuft dann bis Ende 2017. Etwa 5.000 Schülerinnen und Schüler wollen wir bis dahin mit unseren Klasse Klima Angeboten erreicht haben.
Online-Redaktion: Macht es für Sie einen Unterschied, ob es sich um eine Halbtags- oder eine Ganztagsschule handelt?
Müller: Die Ganztagsschule spielt für uns insofern eine große Rolle, dass sie uns längerfristige Kooperationen – zum Beispiel über die Gestaltung und Betreuung einer AG – ermöglicht, mit der wir qualitativ viel mehr bewirken können. Hier können die Kinder und Jugendlichen tatsächlich mitentscheiden, was sie machen wollen, und das macht einen großen Unterschied in ihrer Bereitschaft auch zu handeln. Und wir fördern das auch, da für uns neben der Quantität und erreichten 5000 Schülerinnen und Schülern die Qualität unserer Angebote besonders wichtig ist.
Im hessischen Butzbach haben im Frühjahr 2016 beispielsweise vier Jungs in einer AG tolle Sachen gemacht und waren mit ihrer abschließenden Handy-Sammelaktion auch in der Presse. Wir sind davon überzeugt, dass das gemeinsame Arbeiten über einen längeren Zeitraum nachhaltig wirkungsvoller sein kann. Solche Erfahrungen sind es uns wert und unabhängig von den Schülerzahlen.
Online-Redaktion: Haben Sie zur ersten Runde schon ausgewertet, wie das Projekt ankommt?
Müller: Das machen wir permanent. Wir holen ständig Feedback ein und führen Telefoninterviews mit den Regionalkoordinierenden und den Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Was ich danach sagen kann, ist, dass es lokal ganz unterschiedlich läuft, zum Beispiel kommt es darauf an, wie offen die Schulen für diese Form der Kooperationen sind. Bei den Kindern und Jugendlichen sind Themen besonders nachgefragt, die direkt mit ihrem Alltag zu tun haben. Das Handy beschäftigt sie natürlich rund um die Uhr. So lassen sich an diesem aber auch anderen Beispielen aus dem Bereich Konsum oder Ernährung viele Zusammenhänge verdeutlichen. Das praktische Erproben von Alternativen, das Erfahren von Selbstwirksamkeit und das selbstbestimmte Lernen begeistert die Schülerinnen und Schüler in der Regel stark, so dass selbst die Lehrkräfte von der Motivation ihrer Klasse beeindruckt sein können.
Es bleibt aber generell eine Herausforderung, sich als Jugendverband im Raum Schule zu bewegen und beide Seiten für die Zusammenarbeit zu sensibilisieren. Die Schülerinnen und Schüler müssen manchmal lernen, mit unserem nicht-autoritären Umgang umzugehen. Umgekehrt müssen unsere Multiplikatorinnen und Multiplikatoren lernen, mit pädagogischen Herausforderungen und einer doch recht unterschiedlichen Zielgruppen klarzukommen. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler plaudern gern wie Wasserfälle, während man den älteren auch mal jedes Wort aus der Nase ziehen muss. Was bei den allermeisten sehr gut ankommt: Das praktische Erproben von Alternativen, das Erfahren von Selbstwirksamkeit und das selbstbestimmte Lernen begeistert die Schülerinnen und Schüler in der Regel so stark, dass selbst die Lehrkräfte von der Motivation ihrer Klasse noch beeindruckt sein können.
Wir freuen uns jetzt auf eine spannende zweite Praxisphase, in der wir noch viel mit- und voneinander lernen können. Interessierte Schulen sind herzlich eingeladen, sich jederzeit bei mir zu melden – oder sie schauen auf unserer Homepage vorbei.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
Kategorien: Ganztag vor Ort - Lernkultur und Unterrichtsentwicklung
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