"Hier muss etwas wachsen" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Im Februar 2005 hat die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Brandenburg (ANU) in Kooperation mit der Projektstelle Umwelt und Entwicklung den Leitfaden "Zeit für mehr Nachhaltigkeit" für Kooperationen mit Ganztagsschulen herausgebracht. Diplom-Biologin und Projektkoordinatorin Sabine Haake berichtet im Interview über die gewonnenen Erfahrungen und die Perspektiven der Zusammenarbeit von Ganztagsschulen mit Umwelteinrichtungen.

Titelseite der Publikation "Zeit für mehr Nachhaltigkeit"

Online-Redaktion: Frau Haake, im Herbst letzten Jahres zweifelten Sie in einem Gespräch mit der Online-Redaktion, ob Kooperationen von Umwelteinrichtungen mit Ganztagsschulen in Brandenburg über längere Zeiträume realisierbar seien, auch wegen fehlender finanzieller Mittel. Wie sieht Ihre Bilanz heute aus?

Haake: Die Kooperationen mit Schulen liefen bis zum Schuljahresende. Was das neue Schuljahr bringen wird, ist noch offen. Der Eindruck aus Erzählungen ist, dass sich in Sachen Finanzierung, auch des Personals, nicht viel verbessert hat. Meine Stelle als Koordinatorin der Zusammenarbeit zwischen Natur- und Umweltverbänden mit Ganztagsschulen ist Ende Februar ausgelaufen. Ich bin nun mit einer Teilstelle im "Transfer 21", dem Nachfolgeprojekt von "BLK 21 - Bildung für nachhaltige Entwicklung an Schulen", als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt Ganztag beschäftigt.

Online-Redaktion: Heißt dass, die Natur- und Umweltvereine und die Ganztagsschulen müssen nun in Brandenburg ohne Ihre Vermittlung zueinander finden?

Haake: Die außerschulischen Partner können sich jetzt nicht auf uns berufen, wenn sie in Kontakt mit Schulen treten. Die Ansprechpartner für Schulen sind zum einen eher das Brandenburger Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, zum anderen die Serviceagentur Ganztag , die in Kooperation mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) eingerichtet wurde.

Online-Redaktion: Sind es rein finanzielle Gründe gewesen, die zur Einstellung des Projektes geführt haben?

Haake: Ja, und es gibt keine Anzeichen, dass das Projekt wiederbelebt werden wird. Eine Fortsetzung wäre wichtig gewesen, weil man das Projekt dann auch hätte verstetigen können. Mein Wunsch ist, die Kooperationen zwischen Umwelt- und Entwicklungseinrichtungen zu intensivieren. Mit unserem Projekt hatten wir es bereits geschafft, diese Initiativen zusammenzubringen und eine gemeinsame Rahmenvereinbarung zu entwickeln. Ein wunderbarer Anknüpfungspunkt könnte jetzt die gemeinsame Kooperation solcher Partner mit einer Ganztagsschule sein. Dann hätte man möglicherweise auch den Atem für ein ganzjähriges Engagement.

Online-Redaktion: Im Februar 2005 haben Sie - die Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung Brandenburg (ANU) in Kooperation mit der Projektstelle Umwelt und Entwicklung - den Leitfaden "Zeit für mehr Nachhaltigkeit" herausgebracht. Können Sie zur Entstehung etwas sagen?

Haake: Wir wollten die Erfahrungen aus unserem Projekt "Bildung für nachhaltige Entwicklung an Ganztagsschulen" weitergeben. Während des Projektes merkten wir, dass zwar viel über Ganztagsschulen publiziert wird, aber weniger im Bereich Umwelt und nachhaltige Entwicklung. Die Broschüre sollte aufzeigen, wie man als Partner an eine solche Kooperation herangeht, sollte Beispiele nennen und das Muster für eine Kooperationsvereinbarung vorweisen, damit die Leserinnen und Leser auch etwas Praktisches mitnehmen können.

Da wir wussten, dass unser Projekt nur eine begrenzte Laufzeit haben würde, wollten wir verhindern, dass das Wissen und die Erfahrungen verpuffen. Mit der Broschüre bleiben sie nun erhalten und können weitergereicht werden. Wie sinnvoll das gewesen ist, merken wir inzwischen auch an den Anfragen aus dem ganzen Bundesgebiet, zum Beispiel aus Baden-Württemberg. Ich habe das Projekt gerade in Schleswig-Holstein vorgestellt, wo man auch dabei ist, im entwicklungspolitischen Bereich Kooperationen einzugehen. Bei uns in Brandenburg läuft es nun - wie gesagt - leider aus.

Online-Redaktion: Sie haben auch Fortbildungsseminare zum Thema organisiert. Welche Herausforderungen zeigten sich in dieser Seminarreihe? In welchen Feldern benötigten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer besondere Unterstützung?

Haake: Für die zweitägige Veranstaltung "Das 1x1 der Ganztagsschule" im Februar hatten wir doppelt so viele Anfragen wie Plätze, auch aus anderen Bundesländern, wie zum Beispiel aus Hessen, Berlin und Rheinland-Pfalz. Offensichtlich gibt es großen Bedarf nach Information. In diesem Seminar ging es unter anderem um das Selbstverständnis außerschulischer Kooperationspartner, darum, was man mit der Arbeit in der Ganztagsschule erreichen möchte. Wie kommt man in die Schulen hinein, welche Themen muss man platzieren? Wir haben uns mit dem Besuch einer Kooperationsschule auch dem Alltag gewidmet: Wie kann soziale Dynamik in Gruppen aussehen, wo gibt es Konflikte? Da kamen zum Beispiel ganz praktische Fragen auf, wie: Was tut man, wenn man am Nachmittag auf einmal alleine dasteht und kein Lehrer mehr in der Nähe ist? Wie findet man den Hausmeister? Was kann man machen, wenn Schüler schwänzen? Kann ich jemanden nach Hause schicken, der Bauchweh hat? Als außerschulischer Partner hat man plötzlich auch mit schulrechtlichen Fragen zu tun. Deshalb sind solche Qualifizierungen sinnvoll.

Online-Redaktion: Während Politik und Elternhaus die Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft begrüßen, ist die Resonanz auf kulturelle Kooperationen verhaltener. Ergeht es Kooperationen von Umwelt- und Entwicklungsinitiativen ähnlich?

Haake: Es ist schwierig, gerade in den Bereichen "Bildung für Nachhaltigkeit" und "Leben gestalten lernen". Für viele sind das noch sehr vage Begriffe. Meine Beobachtung ist: Bei der Zusammenarbeit läuft viel über persönliche Kontakte, und wenn Lehrer einer Ganztagsschule schon vorher Berührungspunkte mit Umweltbildung und globalem Lernen hatten, bauen sie diese oft aus. Dann ist es einfacher, die Kooperationen in diesen Schulen zu verankern, als wenn man sich mit ganz fremden Partnern arrangieren muss.

Online-Redaktion: Häufig hört man auch von Laien, die als selbst ernannte und vor allem kostengünstige Experten in die Schulen kommen...

Haake: Ich habe inzwischen mitbekommen, dass auch in unserem Bereich nicht oder gering qualifizierte Personen Projekte machen. Ich will die Qualität, etwa wenn engagierte Seniorinnen und Senioren Projekte in Schulen durchführen, nicht generell in Frage stellen, denn auch Ehrenamtliche können über ein gutes Wissen verfügen. Aber für grundsätzlich halte ich das trotzdem, denn qualifizierte pädagogische und fachliche Konzepte müssen als Anspruch erhalten bleiben, wenn Ganztagsschulen nicht nur Betreuung, sondern eine hohe Qualität der Lern- und Lehrkultur bieten sollen.

Online-Redaktion: Was verbirgt sich hinter "Transfer 21", bei dem Sie auch tätig sind?

Haake: Von 1999 bis 2004 lief das Bund-Länder-Programm "21", mit dem Schulen mobilisiert werden sollten, sich mit nachhaltiger Entwicklung auseinander zu setzen. Bundesweit nahmen 200 Schulen daran teil. Im Nachfolgeprogramm "Transfer 21" geht es darum, die entwickelten Ideen und Projekte auf möglichst zehn Prozent aller Schulen zu übertragen. Bei den Seminarreihen der ANU Brandenburg, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die in die Ganztagsschulen gehen, fortgebildet und qualifiziert wurden, haben wir bereits mit "Transfer 21" zusammengearbeitet.

In Brandenburg ist "Transfer 21" als Unterstützungssystem von Beratungslehrern angelegt, die an Schulen auch die Kontakte mit außerschulischen Partnern vermitteln und den Schulen aufzeigen, was man zu bestimmten Themen machen kann. Ich vertrete Brandenburg in der Bundesarbeitsgruppe "Ganztagsschulen" im Rahmen von "Transfer 21".

Online-Redaktion: Vor einem Jahr waren Ihrer Beobachtung nach keine Umwelt- und Entwicklungsorganisationen zum Ganztagsschulkongress nach Berlin eingeladen worden. Wird das auf dem diesjährigen Kongress am 2. und 3. September anders sein?

Haake: Ja, zumindest "Transfer 21" wird dort präsent sein.

Online-Redaktion: Ist die Kooperation von Ganztagsschulen mit Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in Brandenburg nun nur ein Strohfeuer gewesen oder entwickeln sich hier feste Strukturen?

Haake: Ich denke, es besteht Anlass zur Hoffnung. In Brandenburg wird es Ganztagsschulen zur Voraussetzung gemacht, dass sie über mindestens drei außerschulische Kooperationspartner verfügen. Brandenburg wird darüber hinaus in Kooperation mit der DKJS eine Stelle "Sek I und außerschulische Kooperationspartner" einrichten. Ich höre mittlerweile von immer mehr Einrichtungen, die mit Schulen zusammenarbeiten und ihre Themen kontinuierlich einbringen wollen. Ich denke, dass ist etwas, was miteinander wachsen muss und im Übrigen in den nächsten zehn Jahren der UNO-Dekade "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" von besonderer Bedeutung sein wird.

Kategorien: Kooperationen

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