Ganztagsschule ins Museum: „Offen und neugierig sein“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

In einem Workshop „Offene Ganztagsschule ins Museum“ lernen Kölner Schülerinnen und Schüler eines von neun städtischen Museen und seine Sammlung kennen. Museumspädagogin Julia Müller über das Angebot des Museumsdienstes der Stadt Köln.

Online-Redaktion: Frau Müller, welche Aufgaben erfüllen Sie bei der Stadt Köln?

Julia Müller: Ich bin Museumspädagogin und habe im vergangenen Jahr noch freiberuflich für den Museumsdienst gearbeitet. Ich bin jetzt fest angestellt und betreue drei museumsübergreifende Projekte: einmal das während der Schulferien stattfindende Programm für die offenen Ganztagsschulen, zum zweiten ein Programm für die Kita und als drittes den Museumsbus, ein Programm für Kinder im ländlichen Raum rund um Köln. Alle drei Projekte wenden sich an Zielgruppen, die noch keine großen Erfahrungen mit Museumsbesuchen gemacht haben. Und alle drei werden durch Drittmittel, hauptsächlich durch Zuwendungen von Stiftungen, finanziert, sodass sie für die Kinder kostenfrei sind. Das Programm für die Offene Ganztagsschule, „OGTS ins Museum“, wird von der Sal. Oppenheim-Stiftung unterstützt.

Online-Redaktion: Wie erfahren die Schulen von Ihren Angeboten?

Müller: Bei den Angeboten für die offene Ganztagsschule arbeiten wir zusammen mit dem Schulentwicklungsamt in Köln. Wir besprechen mit diesem unsere Angebote, und das Amt gibt die Angebote dann sechs bis acht Wochen vor den jeweiligen Ferien an die Schulträger in Köln weiter. Die Träger melden sich bei Interesse dann beim Schulentwicklungsamt an. Die Schulen erhalten ein Programm, in dem die verschiedenen Museen ihre Angebote darstellen. Sie können entscheiden, welches Angebot sie annehmen wollen. Dabei können sie ein Wunsch- und ein Alternativprogramm angeben. Gemeinsam mit dem Amt entscheiden wir dann, welche Anmeldungen wir annehmen. Der Zuschlag richtet sich nicht nach dem Windhundprinzip, sondern wir schauen, welche Schulen einen besonders hohen Förderbedarf haben oder wer wirklich nicht über eigene Mittel verfügt, ein solches Programm selbst zu organisieren.

Kinder an Fotowand
© Atelier Brückner / Nikolai Wolff

Online-Redaktion: Wie geht es weiter, wenn die Ganztagsschule den Zuschlag erhalten hat?

Müller: Wir schicken der Schule eine Bestätigung und eine kurze Erklärung über den Ablauf der dreitägigen Kurse. Ich informiere dann eine freie Mitarbeiterin, die den Kurs an der Schule übernimmt und die die weiteren Einzelheiten mit der Schule bespricht: Welche Räume stehen an der Schule zur Verfügung? Gibt es einen Werkraum, gibt es eine Küche? Was müssen wir an Material mitbringen, was ist bereits vorhanden?

Online-Redaktion: Wie gestalten sich die drei Tage?

Müller: Die Kinder sind während der Ferien einen Tag im Museum und zwei Tage lang in der Schule. Am ersten Tag halten wir einen Workshop an der Schule ab, am zweiten Tag folgt die Exkursion ins Museum und am dritten Tag geht es wieder in die Schule. So ist ausreichend Zeit, das im Museum theoretisch Angeeignete in der Schule praktisch zu vertiefen. So malen, basteln oder zeichnen die Kinder besonders bei den Besuchen in den Kunstmuseen. Es gibt auch einige Programme, bei denen gekocht wird – im Kölnischen Stadtmuseum haben wir zum Beispiel ein Angebot, bei dem es um das „Essen im Mittelalter“ geht.

Online-Redaktion: Wer entscheidet, was angeboten wird?

Müller: Die Programme habe ich in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Referentinnen und Referenten der Museen entworfen. Der Museumsdienst Köln besitzt in jedem der Museen eine Referentin oder einen Referenten, der das Vermittlungsprogramm entwickelt und betreut. Das Angebot selbst führen dann freie Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter durch, die alle langjährige Erfahrung in der museumspädagogischen Arbeit haben – Kunsthistorikerinnen, Völkerkundler, je nachdem, um welches Museum es sich handelt.

Online-Redaktion: Wie lange gibt es „Offene Ganztagsschule ins Museum“ bereits?

Müller: Das Programm läuft seit den Herbstferien 2013. Damals waren es noch eintägige Kurse in diversen Sonderausstellungen. Seit den Osterferien 2014 bieten wir die dreitägigen Kurse an. Bis auf die Weihnachtsferien finden die Angebote in allen Ferien statt.

Für die kommenden Osterferien haben wir sechs Kurse vergeben, an denen jeweils 15 bis 20 Schülerinnen und Schüler teilnehmen, insgesamt also rund 120 Kinder.

Kinder in Bildergalerie
© Museumsdienst Köln

Online-Redaktion: Verfolgen Sie mit den Angeboten auch pädagogische Absichten?

Müller: Als erstes ist uns wichtig, dass sich die Programme deutlich von den normalen Schulangeboten unterscheiden. Wir haben sehr viele Besuche von Schulklassen im Museum, die zu einer Führung oder einem Workshop zu uns kommen, um Unterrichtsthemen zu vertiefen. Bei dem Angebot für die offene Ganztagsschule handelt es sich nun aber explizit um ein Ferienprogramm, bei dem ganz eindeutig der Spaßfaktor im Vordergrund und erst an zweiter Stelle das Lernen steht. Die Kinder haben Ferien und sollen nicht nur sitzen und zuhören, sondern sie sollen Freude haben und neugierig auf das Museum werden. Sie sollen angeregt werden, selbst kreativ zu werden, etwas auszuprobieren und sich mit ihrer Stadt, ihrer Kultur und ihrer Umgebung auf spielerische Art und Weise auseinanderzusetzen.

Von Museumsseite ist es wichtig, dass die Themen eine starke Anbindung an das jeweilige Museum haben. Wenn wir beispielsweise über „Leben im Mittelalter“ sprechen, ist es wichtig, dass wir im Kölnischen Stadtmuseum Objekte haben, die das veranschaulichen. Das ist ja gerade der Vorteil, dass wir die Originalobjekte präsentieren können. Auf der anderen Seite sind diese Angebote aber auch nah an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und bleiben nicht nur abstrakt.

Online-Redaktion: Welche Programme kommen besonders gut an?

Müller: Das Programm „Wer hat die Kokosnuss?“ im Rautenstrauch-Joest-Museum, einem völkerkundlichen Museum, bei dem sich alles um die Kokosnuss und die Kokospalme dreht. Da reichen die Themen von künstlerisch-kreativen Bastelarbeiten über Essen und Trinken bis zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit. So etwas kommt sehr gut an, weil es sehr vielfältig ist, und viel praktisch gelernt wird. So lernen die Kinder, mit drei Schlägen eine Kokosnuss zu öffnen, und probieren aus, was sich aus dem Material der Kokosnuss alles herstellen lässt.

Dann etwas ganz Anderes: Im NS-Dokumentationszentrum gibt es die „Stadtteildetektive“, die sich mit der Geschichte Kölns während des Nationalsozialismus beschäftigen. Hier achten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Dokumentationszentrums darauf, dass besonders Orte in der Nähe der jeweiligen Schule aufgesucht werden, die mit einbezogen werden: Gedenkstätten, Stolpersteine, biografisches Material. Hier können die Kinder sehen, erfahren, was zu jener Zeit in Köln geschah und welche Bedeutung diese Vergangenheit noch bis in die Gegenwart besitzt. Es geht um den Holocaust, vor allem aber um das Entstehen einer totalitären Gesellschaft und die Lehren, die man für die heutige Zeit daraus ziehen kann. Ein wichtiges Thema, das bis heute aktuell ist und deswegen bei den Kindern sehr gut ankommt.

Im Bereich Kunst gibt es im Wallraff-Richartz-Museum das Programm „Meister Stefans Malwerkstatt“. Hier geht es um die mittelalterlichen Maler und insbesondere um den Kölner Maler Stefan Lochner. Die Schülerinnen und Schüler lernen hier, wie ein Maler im Mittelalter in Köln gelebt und gearbeitet hat. Praktisch stellen die Kinder die Farben selber her, malen auf Holztafeln, verzieren und vergolden die Bilder, wie es bei mittelalterlichen Tafelbildern gemacht wurde.

Online-Redaktion: Haben die Angebote des Museumsdienstes auch über den Tag hinaus Veränderungen angestoßen?

Müller: Auf jeden Fall auf Seiten der schulischen Betreuerinnen und Betreuer, die manchmal im Zweifel gewesen sind, ob die Angebote etwas für ihre Schülerinnen und Schüler sind. Aber nun sehen sie, dass die Kinder nicht zu jung oder desinteressiert an den Themen sind. Da wird den Erwachsenen quasi die Schwellenangst genommen – gerade was die Kunstmuseen betrifft. Da können wir zeigen: Das ist für jeden was, man muss nur offen und neugierig sein. Man muss nicht unbedingt Kunstgeschichte studiert haben, um hier Spaß zu haben.

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