Elternnetzwerk NRW: Brücken schlagen : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Das Ziel ist klar definiert: Im Elternnetzwerk NRW engagieren sich Mütter und Väter mit Zuwanderungsgeschichte, die in verschiedenen Vereinen organisiert sind, für die Verbesserung der Bildungssituation ihrer Kinder.
Als sich das Netzwerk 2007 etablierte, schlossen sich ihm spontan 100 Vereine und Organisationen an. Heute zählt es mehr als 200 Mitglieder – ein Zusammenschluss aus Elternvereinen und Institutionen von Eltern mit Zuwanderungsgeschichte. „Warum muss es neben den traditionellen deutschen Elternvertretungen ein eigenes Netzwerk von Eltern mit Migrationshintergrund geben?“, möchten wir wissen.
Vom Vorsitzenden Erol Çelik gibt es eine klare Antwort: „Viele unserer Mitgliedsvereine kooperieren auf lokaler Ebene bereits mit entsprechenden Vereinen. Man darf aber nicht vergessen, dass trotz des Einsatzes der Migrantenvereine noch immer die Mehrzahl der Kinder, die eine Förderschule besuchen, Zuwandererfamilien entstammen. Wäre der Einfluss der etablierten Elternvereine groß genug gewesen, hätte der Prozess der Inklusion in Deutschland nicht erst so spät begonnen.“
Eine Mutter, die sich im Netzwerk engagiert, möchte nicht namentlich genannt werden. Sie berichtet vom Abschlussfest ihrer Tochter an ihrer Grundschule, das kürzlich stattgefunden hat. „Es war wie in den Vorjahren auch: Beim Fest wurde gegrillt und niemand ist auf den Gedanken gekommen, an jene zu denken, die kein Schweinefleisch essen, obwohl wir in allen Jahren darüber gesprochen haben. Ich unterstelle niemandem eine böse Absicht, es ist eher Gedankenlosigkeit. Ausgeschlossen fühlen sich die betroffenen Kinder und Eltern trotzdem“, bedauert sie. Das Wissen über andere zu erhöhen und damit Verständnis zu wecken, sei eine wesentliche Aufgabe des Elternnetzwerks.
Eltern mit Zuwanderungsgeschichte engagieren sich
Die zitierte Mutter wie auch der Vorstand des Netzwerkes sind sich auch bewusst, dass viele Familien mit Zuwanderungsgeschichte unzureichend auf das Bildungssystem in Deutschland vorbereitet sind. Sie kennen die Rahmenbedingungen häufig zu wenig. Auch deshalb bietet die Organisation Elternseminare, Bildungskonferenzen, Fortbildungen und Multiplikatorenschulungen an und organisiert den Erfahrungsaustausch mit Eltern und Vertretern aus anderen Vereinen. Darüber hinaus setzt das Netzwerk sich mit der Bildungs- und Integrationspolitik in Deutschland auseinander und bringt die Kompetenzen in die entsprechenden Gremien ein.
Unterstützung erhält das Elternnetzwerk vom Land Nordrhein-Westfalen. Schulministerin Sylvia Löhrmann glaubt: „Die im Netzwerk engagierten Eltern werden zu Brückenbauern, die Brücken schlagen zu Kindertagesstätten, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, zu Vereinen und Organisatoren. Hier werden im Wortsinn Menschen miteinander vernetzt. Davon profitieren Kinder und Jugendliche mit und ohne Zuwanderungsgeschichte.“
Das Elternnetzwerk NRW leiste einen wichtigen Beitrag für die Kinder und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte in unserem Land. Der NRW-Minister für Arbeit, Integration und Soziales, Guntram Schneider, hebt darüber hinaus hervor: „Die im Netzwerk organisierten ehrenamtlichen Eltern mit Migrationshintergrund nehmen viele Anstrengungen in Kauf, um gemeinsam die Schulerfolge ihrer Kinder zu verbessern. Hiermit leistet das Elternnetzwerk NRW einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Erfolgschancen ihrer Kinder, zur Integration der Kinder in unserer Gesellschaft und zur Sicherstellung von Chancengleichheit im bestehenden Bildungssystem.“
„Ganztagsschule spielt eine wichtige Rolle“
Erol Çelik und seine Stellvertreterin Luisa Rohden sind überzeugt, dass die Ganztagsschule, speziell auch in Nordrhein-Westfalen, einen wichtigen Beitrag zur Inklusion und zur Verbesserung der Bildungschancen von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte leisten kann. Sie meinen, dass „viele Ganztagsschulen bemüht sind, die Bedürfnisse der Kinder mit Zuwanderungsgeschichte zu berücksichtigen“. Gleichzeitig aber befürchten sie, dass nicht an allen Schulen die Probleme ausreichend beachtet werden.
Großen Bedarf sehen die Mitglieder des Leitungsgremiums noch im muttersprachlichen Bereich und in Bezug auf Fördermaßnahmen. Sowohl Kinder, die eine zweite Sprache beherrschen, als auch Schülerinnen und Schüler aus benachteiligten Familien, ob mit oder ohne Zuwanderungsgeschichte, sollten entsprechend gefördert werden, meinen sie. Luisa Rohden ist überzeugt: „Die Ganztagsschule spielt dabei eine wichtige Rolle und kann im Nachmittagsbereich differenzierte Angebote leisten.“
Fortbildung für die Arbeit in einer interkulturellen Schule
Çelik und Rohden sehen eigentlich keinen Grund, warum das Miteinander nicht funktionieren sollte. „Das gelingt seit Jahrzehnten in den meisten europäischen Ländern. Wieso sollte es in Deutschland nicht ebenfalls funktionieren?“, fragen sie. Sie betonen, dass Schwierigkeiten nicht auf die Kinder, sondern eher auf die Erwachsenen in Schule und Elternschaft zurückgehen. Bei der Aus- und Fortbildung der Pädagoginnen und Pädagogen, einschließlich der Erzieherinnen und Erzieher, sieht das Netzwerk noch Nachbesserungsbedarf. In NRW existiere zwar das Projekt „Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte“, das über 500 Mitglieder verfüge, die an verschiedenen Schulen unterrichten. „Aber wir wünschen uns, dass alle Lehrkräfte durch Fortbildungsmaßnahmen dazu befähigt werden, ihrem Lehrauftrag in einer interkulturellen Schule gerecht zu werden.“
Die Netzwerk-Vertreter sind sich der Aufgabe für die in Kindertagesstätte und Schule Tätigen durchaus bewusst. „Die Zuwanderer bilden keine homogene Gruppe. Sie unterscheiden sich im Hinblick auf Herkunftsregion und -land, Kultur, Religion, Werte, Aufenthaltsdauer, Familienstruktur, Rollenbilder, Erziehungsstil, Integrationswillen. Sie haben teilweise unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen. Das Elternnetzwerk möchte diesen Vorstellungen und Erwartungen gerecht werden und seine vielfältigen Aktivitäten entsprechend gestalten“, betonen sie.
Entsprechend eindeutig ist dann auch eine Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Netzwerk formuliert: „Wir fordern, dass Akteure des Elternnetzwerkes sich aktiv an den vorschulischen und schulischen Bildungsprozessen beteiligen und sich in die Stadtteilarbeit einbringen.“
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