Eine Akademie für die Ganztagsschule : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Sie ist ein Novum in der Bildungslandschaft und konnte schnell überzeugen: Die Akademie für Ganztagsschulpädagogik bildet Fachpädagogen und Fachpädagoginnen für Ganztagsschulen aus.
Manchmal geht es ganz schnell. Binnen weniger Jahre hat sich die Akademie für Ganztagsschulpädagogik einen Namen gemacht. 2014 begann sie ihre Arbeit als eingetragener Verein, der auf Initiative des Diakonievereins Hiltpoltstein e.V. in der oberfränkischen Stadt Gräfenberg im Landkreis Forchheim gegründet wurde. Der Landkreis kann für sich eine gewisse Vorreiterrolle für die bayerische Ganztagsschullandschaft und die lokale Vernetzung beanspruchen, hat die Arbeit der Akademie mit angeschoben und unterstützt diese weiter als Partner.
Inzwischen bietet die Akademie Fortbildungs- und Schulungsangebote mit dem Anspruch der Etablierung von Qualitätsstandards für alle Schulformen im offenen und gebundenen Ganztagsschulbereich an, hat ein Netzwerk in der Region aufgebaut und beteiligt sich auch aktiv an bildungspolitischen Diskursen. Die Mitgründerinnen und Mitgründer und Gestalter der Akademie wie die Vorsitzende Heike Maria Schütz und den 3. Vorsitzenden Dr. Volker Titel trifft man daher bundesweit auf Veranstaltungen wie zuletzt dem Berliner Ganztagsschulkongress und dem Hessischen Ganztagsschulkongress. „Wir knüpfen Kontakte mit den Serviceagenturen der Länder und kommen in den Austausch nun auch über Bayern hinaus“, berichtet Heike Maria Schütz.
Die Akademie hat einen Vorstand mit drei Vorsitzenden und wird von einem Fachrat begleitet, dem Schulleiterinnen, ein amtierender Schulamtamtsdirektor und ein Schulamtsdirektor a.D., aber auch Mitglieder des bayerischen Landtags und ein Schultheologe angehören. Und die Akademie kann sich über einschlägige Partner freuen, neben dem Landkreis Forchheim als lokale Bildungsregion zum Beispiel das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) als landesweite Einrichtung, die Evangelische Jugendsozialarbeit, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die Universität Bamberg und schließlich sogar den bundesweiten Ganztagsschulverband. Die Oberfrankenstiftung und die Stiftung Bildungspakt Bayern bringen sich als Förderer ein.
Neben Fortbildung und Forschung gehört die Ganztagspraxis zu den Standbeinen der Akademie. Dass „Praxis“ hier wörtlich zu nehmen ist, wird sofort klar: Heike Maria Schütz und Volker Titel empfangen uns mitten im Ganztagsgeschehen der Mensa des Schulzentrums Gräfenberg. Zum Schulzentrum gehören die Mittelschule Gräfenberg und die Ritter-Wirnt-Realschule. Hier ist die Akademie zusammen mit dem Diakonieverein Hiltpoltstein Träger der offenen Ganztagsangebote. Das Motto: „SChOOL-in“. Das Jahresthema für dieses Schuljahr: „Schön, dass du da bist!“
„In jeder Schulform ein Ganztagsangebot“
Zwischen 12.30 bis 16 Uhr organisieren Heike Maria Schütz, die Sozialfachwirtin und Kinder- und Jugendleiterin ist, und ihr Team an vier Tagen der Woche die Hausaufgabenbetreuung beziehungsweise „Studierzeiten“, aber auch Spiel-, Bewegungs- und Kreativangebote, gemeinsames Kochen und Backen, Ausflüge, eine Lernwerkstatt und das Jugendlesepatenprojekt „fun-reader“. Soziales Lernen gehört ebenfalls dazu. Als sozialer Träger unterstützt der Diakonieverein auch die gebundenen Ganztagsklassen für die Jahrgänge 5 bis 8 der Mittelschule Gräfenberg.
In diesem Schuljahr hat die Akademie noch die Trägerschaft zweier Gymnasien übernommen. Am Ehrenbürg-Gymnasium und am Herder-Gymnasium in Forchheim organisiert sie für insgesamt fünf Gruppen die offenen Ganztagsangebote. Erstmal werden die bewährten Angebote aus dem Schulzentrum Gräfenberg eingeführt. Nach und nach sollen dann neue schulspezifische Konzepte entwickelt werden.
„An beiden Gymnasien haben neue Schulleitungen begonnen, die aus Ganztagsschulen gekommen sind und nun den Ganztag neu beleben wollen“, berichtet Volker Titel. „Ohne diese erfahrenen Schulleitungen und unser Know-how hätten wir die Angebote nicht so schnell auf die Beine stellen können. Es ist ein hervorragendes Miteinander. Uns bedeuten diese Aufgaben sehr viel. Wir wollen in jeder Schulform ein Ganztagsangebot schaffen.“
„Die Erfahrungen, die wir hier machen, nutzen wir als Impulse für Fortbildungen, aber auch für Publikationen und Forschungsprojekte“, ergänzt Heike Maria Schütz. In den Bereich der Fortbildung fällt die 2017 gestartete Reihe „Fachpädagogin und Fachpädagoge für Ganztagsschulen“. Heike Maria Schütz und Volker Titel sind sich sicher, dass der starke Ausbau von Ganztagsschulen besonders die Nachfrage nach qualifiziertem Personal weiter erhöht.
Fortbildung: Kombination aus Online- und Präsenzlehrgang
Jetzt schon hat die Akademie mit dem Fortbildungslehrgang reagiert. Dieser wird von der IHK Oberfranken zertifiziert, und das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus hat die Fortbildung für koordinierende Funktionen an Ganztagsschulen anerkannt. Heike Maria Schütz sieht das auch so: „Die Menschen, die in Ganztagsschulen arbeiten, sollen einen Namen bekommen.“ Eine solche Anerkennung der Qualifizierung sei wichtig. Eine der Fachpädagoginnen habe ihr bei der Zertifikatsverleihung gesagt: „Ich danke der Akademie, dass ich geraden Hauptes in die Schule gehen kann.“
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fortbildungen haben im Übrigen ganz unterschiedliche berufliche Hintergründe: Unter ihnen sind Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und -pädagogen oder Kinderpflegerinnen. Die Fortbildung kann berufsbegleitend in eineinhalb bis drei Jahren absolviert werden. Insgesamt umfasst ein Lehrgang 500 Stunden. Er soll fundiert und praxisorientiert Kompetenzen vermitteln, die den Anforderungen in der Schule entsprechen.
Der modularisierte Lehrgang hat vier große Themenbereiche: 1. Grundlagen, 2. Schule und Lehrplan, 3. Schülerinnen und Schüler, 4. Organisation. Die einzelnen Module enthalten jeweils spezielle Perspektiven auf die Ganztagsschule. Die Akademie kooperiert mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die in einem „E-Campus“ für jedes Modul einen Online-Bereich mit einem eigenen Dozenten eingerichtet hat. Zweimal im Jahr – im März und im September – gibt es einwöchige Präsenzphasen, in denen die Themen des Fernstudiums vertieft und an Beispielen diskutiert werden.
„Wir muten den Lehrgangsteilnehmenden ganz schön was zu“, meint Heike Maria Schütz. „Zu jedem Modul müssen sie eine Hausarbeit schreiben und zwei Wochen hier präsent sein. Der Bürgermeister von Gräfenberg hat sich schon bedankt, dass wir Tourismusförderung betreiben.“ Volker Titel hält „die Präsenzwochen für sehr wichtig“. Hier könnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Kritik üben, Fragen loswerden, thematisch diskutieren und ins Gespräch kommen.
„Vorreiter“ Landkreis Forchheim
Die Verleihung der Zertifikate „Fachpädagogin/ Fachpädagoge für Ganztagsschulen“ an 29 Absolventinnen und Absolventen des ersten Fortbildungsjahrgangs fand am 22. Juni 2018 in der Aula des Schulzentrums Gräfenberg statt. Es war eine emotionale Veranstaltung, begleitet vom Chor und von den Musikklassen der Ritter-Wirnt-Realschule, mit Gitarren, Bläsern und Schlagzeug. Zu den 150 Anwesenden gehörte auch Dr. Hermann Ulm, der Landrat des Landkreises Forchheim.
Für Heike Maria Schütz war es ein besonderer Moment, als sie an jenem Tag zur Übergabe der Zertifikate vor das Publikum trat: „Diese Veranstaltung heute ist eine von und mit Menschen, die sich für gute Ganztagsschulen engagieren.“ Dr. Anna-Maria Seemann von der Akademie und Bernd Rehorz von der IHK überreichten die Urkunden, mit denen sich die Absolventinnen und Absolventen deutschlandweit an Ganztagsschulen bewerben können. „Die Übergabe der Zertifikate hatte wirklich etwas Feierliches“, erinnert sich Dr. Volker Titel, „da konnte man schon einen kleinen Kloß im Hals spüren.“
Der neue Fortbildungslehrgang reiht sich in viele Maßnahmen der Akademie ein, wie zum Beispiel regelmäßige Schulungen zu Themen wie Elterngespräche, Qualitätsentwicklung, Gesundheitsförderung, Schulverpflegung oder Medienerziehung, Qualifizierungen für Ganztagskoordinatoren oder Netzwerktreffen.
Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachakademie
Im Forschungsbereich hat die Akademie die in der Praxis gewonnenen Einsichten bereits zur Erarbeitung von Konzepten zum Qualitätsmanagement genutzt. Mit „First Steps“ hat sie ein Modell erarbeitet, mit dem Schulen ein strukturiertes Qualitätsmanagementsystem für Ganztagsangebote implementieren können. In diesem Zusammenhang hat die Akademie zudem ein Modell für das Zeitmanagement in Ganztagsschulen entwickelt.
Ein Höhepunkt war im Sommersemester 2018 die gemeinsame Lehrveranstaltung mit dem Lehrstuhl für Grundschulpädagogik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg zum Thema „Qualität und Wirkungen von Ganztagsschulen“. Im April arbeiteten erstmals Lehramtsstudierende in den Fortbildungen mit. „Da diskutierten die angehenden Lehrkräfte mit den bereits im Berufsleben stehenden Pädagoginnen und Pädagogen über die Herausforderungen der Ganztagsschule und wie die unterschiedlichen Professionen gut zusammenarbeiten können“, erzählt Heike Maria Schütz. „Das war unglaublich spannend.“
Das nächste Projekt der Akademie für Ganztagsschulpädagogik steht bereits in den Startlöchern: Der zertifizierte Lehrgang zum Fachpädagogen für Ganztagsschulen wird 2019 in Kooperation mit der Fachakademie für Sozialpädagogik in Traunstein auch dort angeboten werden.
Kategorien: Kooperationen - Kinder- und Jugendhilfe
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