Diplomatie des Nachmittags : Datum: Autor: Autor/in: Peer Zickgraf

Außerschulische Partner wie die AWO Düsseldorf bringen den Aufbau der Ganztagsschulen rasch voran. Warum? Der Nachmittag der "Offenen Ganztagsschulen" ist ihr diplomatisches Revier, in dem die Erwartungen und die Arbeit der multiprofessionellen Teams Konturen annehmen. Eine gelungene Fachtagung im Herbst, ein wunderbarer neuer Ganztagsschulfilm und die Fortentwicklung einer Schulung wurden wie selbstverständlich von diesem starken Partner der Schulen gestemmt.

Diplomatie ist die Kunst, zwischen zwei oder mehreren Welten Horizonte der Verständigung und des Handelns zu entwickeln. Der Nachmittag ist gewissermaßen die diplomatische Vertretung vieler Ganztagsschulen in Deutschland. Insbesondere nachmittags öffnen sich an vielen offenen Ganztagsschulen die Tore für die außerschulischen Partner.

Diese "Botschafter" zwischen der Schule und der außerschulischen Welt sind den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen in der Regel besonders nah, weil sie ihre Lebenswelten oft sehr gut kennen. Geht es nach der Arbeiterwohlfahrt Düsseldorf, die allein an 15 Grund- und Förderschulen mit rund 1.000 Kindern tätig ist, dann werden die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt gestellt: "Kind sein am ganzen Tag" spiegelt das Selbstverständnis der AWO Düsseldorf, so nannte sich aber auch eine Fachtagung, die die AWO als Träger der Schulsoziarbeit in Eigenregie durchführte.

"Diplomaten" des Ganztags

Diplomaten des Ganztags, gemeint sind Lehrerinnen und Lehrer, die Schulleiter und die Vertreter der Schulverwaltung, Bildungspolitiker oder außerschulische Fachleute, sie alle wirken in einer Welt raschen Wandels. Verlässliche Kommunikationsstrukturen und kontinuierlicher Austausch sind vor diesem Hintergrund eine wichtige Voraussetzung für die engere Verzahnung zwischen Schule und außerschulischer Welt, zwischen Vor- und Nachmittag. Auch deshalb hat die AWO Düsseldorf im Herbst 2006 eine Fachtagung veranstaltet, in der "die Förderbedarfe, Bedürfnisse und Rechte von Kindern und Jugendlichen" im Mittelpunkt standen, so der Sozialdezernent der Stadt Düsseldorf, Burkhard Hintzsche.

Nahezu organisch ist die AWO Düsseldorf in die Kooperation mit den offenen Ganztagsgrundschulen hineingewachsen: Schon 1981 hat sie die Schulsozialarbeit ins Portefeuille übernommen, in der die Ganztagsschulberaterin und Leiterin der Schulsozialarbeit, Davorka Bukovcan, eine treibende Kraft ist.

Seitdem nimmt die AWO Düsseldorf eine "Vorreiterfunktion als Partner der Schulen" ein, so Ute Schäfer, Mitglied des Landtages und ehemalige Kultusministerin Nordrhein-Westfalens, die - in Anlehnung an den 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung - auf den Aufgabenzuwachs der außerfamiliären Bildungseinrichtungen aufmerksam machte.

Lokal, national, international

Ute Schäfer, MdL und Bernd Flessenkemper, Vorsitzender der AWO Düsseldorf.

"Bildung hat keinen festen Platz mehr, sie findet an vielen Orten statt", fuhr Ute Schäfer fort. Schulentwicklungs- und Jugendhilfepläne müssten demzufolge enger verwoben werden und die Schulen sollen sich wie in den angelsächsischen Ländern als Teil der Kommune verstehen. Dort wird die Sozial- und Bildungspolitik seit jeher auf lokaler Ebene verbunden.

Mit der Einführung offener Ganztagsschulen "erhält die Kinder- und Jugendhilfe eine klare Aufgabe: sie ist Partner in der Grundschule ohne Schule im klassischen Sinne zu werden". Offene Ganztagsschulen sind dazu prädestiniert, ein Schmelztiegel multiprofessioneller Angebote zu werden. Kindern und Jugendlichen wird so ein Lern- und Lebensort eröffnet, der Bildung, Erziehung und Freizeit aus einer Hand bietet.

Messen, bewerten, handeln

Inzwischen liegt der AWO Düsseldorf auch eine Evaluation der "Kooperation Schule-Jugendhilfe" vor. Dafür wurden Fragebögen an die Teamleitungen der offenen Ganztagsschulen verteilt, die sich unter anderem nach der Zufriedenheit der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern erkundigten. Fast 50 Prozent aller Fragebögen, die an Eltern, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler ausgeteilt wurden, kamen ausgefüllt zurück, um von Felicitas Knake von der AWO-Schulsozialarbeit ausgewertet zu werden.

Wie überall an bundesdeutschen Ganztagsschulen schreiben Eltern der Hausaufgabenbetreuung eine besondere Bedeutung zu. Mehr als 70 Prozent der befragten Eltern halten dieses Nachmittagsangebot für "sehr wichtig", so Knake. Ähnliche Werte erreichen "Bewegung, Spiel und Sport". Über 60 Prozent der Eltern legen großen Wert auf die "bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch verlässliche Betreuungszeiten".

Aus Lehrersicht spielen neben der Hausaufgabenbetreuung auch die individuelle Förderung, Chancengleichheit und die Freizeitgestaltung der Kinder und Jugendlichen eine große Rolle. Dafür erhoffen sie sich "regelmäßige Rückmeldungen mit den Erziehern" und eine "enge Zusammenarbeit mit den Betreuern". Natürlich wünschen sich viele Pädagogen auch eine "bessere räumliche Ausstattung".

"Alle zusammen"

Ganze Tage in der Schule finden auch bei den befragten Schülerinnen und Schülern großen Anklang, denn über 50 Prozent gehen "sehr gerne" ganztags in die Schule. "Spielsachen zu haben", und dass am Nachmittag "alle zusammen sind", steigert ebenso die Akzeptanz, wie neue Spiel- und Sportgeräte, die für über 50 Prozent der befragten Schülerinnen und Schülern wichtig sind. Von Bedeutung sind ferner die Hausaufgabenbetreuung, Ferienbetreuung und das Mittagessen.

Erhebungen zum Thema "Essen im (Offenen) Ganztag" wurden der AWO Düsseldorf ebenfalls auf den Schreibtisch gelegt. Andrea Rieländer und Carola Hufmüller präsentierten eine vorzeigbare Auswertung: Sieben Schulen mit Warmverpflegung wurden nach ihren Erfahrungen, nach Qualität und Rahmenbedingungen der Mittagsverpflegung befragt. Herausgekommen ist ein überwiegend positives Bild über die Mittagsverpflegung an offenen Ganztagsschulen.

Der Geschmack der Welt

Auf die Frage "Wie fühlen sich die Schülerinnen und Schüler in dem Raum, in dem sie essen?", wurde überwiegend die Note "gut" vergeben. Zufrieden ist die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler auch damit, dass sie sich "während des Essens mit ihren Betreuern und Lehrern unterhalten können". Die Mittagsverpflegung ermöglicht es den meisten, drei bis fünfmal am Tag zu essen und rund die Hälfte der Kinder und Jugendlichen trinken "oft am Tag", die wenigsten aber "selten". Dabei halten sich das Trinken von Wasser und das Trinken von Cola, Eistee, Limo die Waage.

Ein wahres Spiegelbild der Globalisierung ist der Speiseplan der sieben befragten Schulen. Afrikanisch, arabisch, türkisch, chinesisch, persisch, mazedonisch, brasilianisch, koreanisch lautet die Herkunftsbezeichnung der Küche - pure Vielfalt. "Die Lieblingsessen der Kinder gehören eher zu den ,ungesunden' Speisen, daraus ergibt sich ein Bedarf an Projekten und Maßnahmen, um die subjektive Wahrnehmung der Kinder zu gesundem Essen zu verbessern", lautet das Resümee der Autorinnen. Essen an Ganztagsschulen ist nämlich mehr als nur Nahrungsaufnahme, es ist ein Bildungserlebnis eigener Art, eine Brücke zwischen den Welten.

Die Ausbildung der "Diplomaten"

Diplomaten lernen die Grundlagen ihres Berufes in einem eigenen Institut des Auswärtigen Amtes. Die Fachleute der Ganztagsschule eignen sich ihr Handwerkszeug auf Fortbildungen an, wie zum Beispiel im Rahmen des Verbundprojektes der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK), "Lernen für den GanzTag", das Qualifikationsprofile und Fortbildungsbausteine für pädagogische Fachkräfte in Ganztagsschulen entwickelt hat. Oder am Berufskolleg des Landschaftsverbandes Rheinland im Rahmen des "Aufbaubildungsgangs Offene Ganztagsschule".

Nachdem die Fortbildung im August 2006 in die erste Runde startete, ermöglichte die Fachtagung "Kind sein am ganzen Tag" den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Feinjustierung. Gelebte Partizipation, die der Schulung des Landschaftsverbandes, die immerhin 600 Stunden bzw. ein Jahr umfasst, auf die Sprünge half. Die Fragestellung des Workshops hieß: "Welche konkreten Erwartungen ergeben sich im Alltag der Offenen Ganztagsschulen aus der Zusammenarbeit mit Kindern, Lehrern, Eltern, externen Mitarbeitern und Schulträgern?" Die Erwartungen an die Fortbildung sollten gebündelt werden, "um daraus eine Profession zu machen", so der Moderator des Workshops, Sandro Monachello.

Neue Inhalte für neue Professionen

Engagierten sich für die Ausbildung der "Diplomaten": Sandro Monachello und seine Kolleginnen.

Unter Beteiligung eines Dozenten der Fortbildung durfte etwas weiter gedacht werden, als die bislang vorliegende Fassung der Schulung ohnehin vorsah. Von den zukünftigen "Diplomaten" des Nachmittags wird einiges verlangt, zum Beispiel "Probleme erkennen und analytisch angehen". Die Teilnehmerinnen und Teilnehmern sollen Schlüsselqualifikationen wie soziale Kompetenz, fachliche Kompetenz und Handlungskompetenz erwerben. Diese Lernziele versah der - von Monachello moderierte - Workshop mit Inhalt und Argumenten.

Ein Erwartungshorizont, aus dem sich praktische Lernziele ableiten lassen, wurde erarbeitet: Kinder brauchen zum Beispiel feste Ansprechpartner, oder Hausaufgabenbetreuung und Spielmöglichkeiten am Nachmittag. Lehrerinnen und Lehrer müssen mit ausreichenden Informationen versorgt werden und der Faden ihres Unterrichts soll auch am Nachmittag weiter gesponnen werden. Eltern brauchen Schnittstellen zu den Lehrkräften und die externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen auf "gutes Benehmen der Kinder", aber auch auf Konfliktmanagement hinwirken. Die Träger der Nachmittagsangebote erwarten insbesondere, dass "Kooperationsverträge eingehalten werden".

Die "Botschafter" des Nachmittags im Film

Wenn der Nachmittag diesem Anforderungskatalog gerecht wird, dann nimmt "die Arbeit der multiprofessionellen Teams am Nachmittag eine Vorreiterrolle ein", so Sandro Monachello. Eine echte Unterstützung der außerschulischen Kräfte bot ferner die Tagungsmappe zur Veranstaltung "Kind sein am ganzen Tag", die als eine Art Leitfaden für die Arbeit an offenen Ganztagsschulen konzipiert wurde. Wertvolle Dienste leistet auch der eigens für die Tagung gedrehte Film "OGATA" von Stefanie Müller, die hauptamtlich bei der AWO Düsseldorf arbeitet.

Der Regisseurin gelang es, im Auftrag ihres Arbeitgebers einen wundervollen 23-minütigen Film über den Nachmittag an den offenen Ganztagsschulen in Düsseldorf zu drehen. Hauptdarsteller sind - wie könnte es auch anders sein - die Kinder. Dieser No-Bugdet-Film stellt ihre Erwartungen an den Ganztag in den Mittelpunkt des Geschehens und fängt Bilder ein, die die vielen Professionen am Nachmittag als "Botschafter" einer neu gestalteten Schule erscheinen lassen. Natürlich transportiert der Film - Stefanie Müller zufolge - auch eine Kernbotschaft: "Der Nachmittag erschließt den Kindern neue Welten zwischen Schule und außerschulischer Realität".

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