Digitalisierung: Potenziale für Ganztagsschulen : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Das Forum Bildung Digitalisierung hat sich 2017 gegründet, um Schulen beim Einsatz digitaler Medien zu begleiten. Ein Erfolgsrezept ist für Ralph Müller-Eiselt, Bildungspraxis und -verwaltung an einen Tisch zu bringen.
Online-Redaktion: Zunächst die einfache Frage: Was ist das Forum Bildung Digitalisierung?
Ralph Müller-Eiselt: Beim Forum Bildung Digitalisierung handelt es sich um einen gemeinnützigen Verein. Wir unterstützen die digitale Transformation an Deutschlands Schulen. Im Forum Bildung Digitalisierung engagieren sich derzeit zehn große deutsche Stiftungen, die schon länger im Bildungsbereich aktiv sind. Unser Forum wurde vor knapp sieben Jahren gegründet.
Wir sind überzeugt, dass das Lernen mit und über digitale Medien fester und unverzichtbarer Bestandteil des Unterrichts sein muss. Das bringt systematische Veränderungen im Bildungsbereich mit sich. Wir möchten nicht nur verdeutlichen, welche Potenziale die Digitalisierung für die Schul- und Unterrichtsentwicklung bietet. In Projekten, Publikationen und Veranstaltungen identifizieren wir auch Gelingensbedingungen für den digitalen Wandel an Schulen und navigieren durch die notwendigen Veränderungsprozesse.
Online-Redaktion: Wenn Sie eine Zwischenbilanz ziehen: Was haben Sie bislang erreicht?
Müller-Eiselt: Wir haben schon jetzt dazu beigetragen, dass heute nicht mehr über die Frage diskutiert wird, ob Digitalisierung Einzug in die Klassenzimmer halten sollte, sondern dass wir uns verständigen, wie das konkret geschehen soll. Dafür bringen wir als Forum die entscheidenden Akteure und Akteurinnen im Bildungsbereich in den Austausch, etwa durch die Leitkonferenz Bildung Digitalisierung für Schule in der Kultur der Digitalität. Wir suchen immer wieder den partnerschaftlichen Dialog mit Schulleitungen und Lehrkräften, mit Schulträgern, aber auch mit Expertinnen und Experten aus Bildungsforschung und Zivilgesellschaft sowie mit Entscheiderinnen und Entscheidern in Politik und Verwaltung. Als Brückenbauer holen wir diese vielfältigen Akteure gemeinsam an einen Tisch, anstatt über sie zu reden. Das ist sicher ein Erfolgsrezept.
Online-Redaktion: Welche Rolle spielt die Kultusministerkonferenz?
Müller-Eiselt: Um die Digitalisierung an Schulen voranzutreiben, brauchen Schulleitungen und Schulträger klar definierte Rahmenbedingungen und Spielräume, in denen sie sich rechtssicher bewegen können. Dabei ist die Kultusministerkonferenz selbstverständlich ein zentraler politischer Akteur, den wir mit unserer Expertise unterstützen. Unsere jährlich gemeinsam mit der KMK veranstaltete Fachtagung „Dimension Digitalisierung“ schafft eine Basis für innovative praxistaugliche Lösungen. In Fachgesprächen, aber auch – ganz wichtig – im Austausch treffen unterschiedliche Perspektiven und Professionen aus Wissenschaft, Politik und Schulpraxis aufeinander. Das weckt Verständnis und öffnet Horizonte.
Online-Redaktion: Wenn man die Schullandschaft genauer unter die Lupe nimmt, stellt man fest, dass die Digitalisierung höchst unterschiedlich weit vorangetrieben und fortgeschritten ist.
Müller-Eiselt: Auch wir erleben, dass es in hohem Maße von der Bereitschaft und der Initiative der Schulleitungen, manchmal auch einzelner Lehrkräfte abhängt, wie erfolgreich Schulen in der digitalen Transformation agieren. Dabei sind digitale Kompetenzen heute wichtiger denn je. Schülerinnen und Schüler brauchen sie, um sich souverän durch den Alltag zu bewegen. Außerhalb der Schule bestimmen digitale Medien längst ihre Lebensrealität.
Online-Redaktion: Sind Lehrkräfte manchmal mit dieser Aufgabe überfordert?
Müller-Eiselt: Es ist eine große Herausforderung für viele Lehrkräfte. Das liegt auch daran, dass es, je nach Lehramtstyp, an bis zur Hälfte der Hochschulen immer noch möglich ist, die Befähigung zum Lehramt zu erwerben, ohne jemals mit Inhalten zum Thema „Medienkompetenz in einer digitalen Welt“ in Berührung gekommen zu sein. Aber wir dürfen auch festhalten: Die Schulen haben sich deutlich geöffnet. Der externe Schock „Corona“ führte in Windeseile zu einem digitalen Entwicklungssprung. Jetzt gilt es, den Schwung mitzunehmen und die digitale Infrastruktur zu verstetigen. Das erfordert aber auch zusätzliches Personal, denn IT-Beschaffung, Server- und Gerätewartung sind nicht Aufgaben der Lehrkräfte. Dafür benötigen wir Expertinnen und -Experten, gerne auch solche, die sich als Pool um mehrere Schulen kümmern.
Online-Redaktion: Was unternehmen Sie, um Lehrkräfte fit zu machen für einen anregenden, individuell fördernden, inklusiven digitalen Unterricht?
Müller-Eiselt: Weiterbildung und Qualifizierung spielen eine Schlüsselrolle, wenn wir diese Form des Unterrichts anstreben. Wir haben zum Beispiel ein Konzept für eine Schulleitungsqualifizierung entwickelt, das bereits in elf Bundesländern umgesetzt wird. Schulleitungen sind Schlüsselfiguren und ein wichtiger Multiplikator, um die digitale Transformation im eigenen Kollegium voranzubringen. Bei der Qualifizierung arbeiten wir eng mit den jeweiligen Kultusbehorden und Landesinstituten zusammen. Landesinstitute. Wir setzen stark auf das Schnellballprinzip.
Online-Redaktion: Welche Chancen sieht das Forum Bildung Digitalisierung im Ganztag?
Müller-Eiselt: Allein schon die Tatsache, dass der Ganztag das tragende Thema unserer Tagung mit der KMK im vergangenen Jahr war, zeigt, welche Potenziale wir im Ganztagsausbau fürs Lehren und Lernen mit digitalen Medien sehen und welche in ihm stecken. Dabei bietet die Einbindung außerschulischer Partnerinnen und Partner besondere Chancen. Sie können dazu beitragen, dass motivierendes und vernetztes Lernen, möglicherweise sogar über Schulgrenzen hinweg, ermöglicht wird. Unsere Vision ist eine Schule, in der die Potenziale digitaler Medien für Pädagogik und Didaktik systematisch erschlossen, genutzt und ausgeschöpft werden. Wir sind überzeugt, dass digitale Bildung einen Beitrag dazu leisten kann, pädagogische Herausforderungen zu meistern. Und wir möchten Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit stärken. Das ermöglicht der Ganztag in besonderem Maße.
Online-Redaktion: Die digitale Entwicklung schreitet extrem schnell voran. Stichwort KI, Künstliche Intelligenz.
Müller-Eiselt: KI wird die Kultur an unseren Schulen erheblich verändern. Sie steht letztlich exemplarisch für die rasante Veränderung der Gesellschaft und damit auch der Bildungseinrichtungen. Ich verstehe, dass das Thema trotz vieler didaktischer Potenziale in den Schulen Sorgen auslöst, beispielsweise, wenn es um die Frage geht, was Schülerinnen und Schüler selbst erarbeitet haben. Doch die Konsequenz kann wie schon bei anderen Innovationen nicht sein, KI zu verteufeln und aus der Schule zu verbannen. Die Realität wird sein und ist es auch schon, dass Schülerinnen und Schüler sie intensiv nutzen. Folglich benötigen wir beispielsweise eine andere Prüfungskultur. Dass die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz kürzlich nützliche Empfehlungen zum Einsatz von Sprachmodellen mit Künstlicher Intelligenz in Schulen vorgelegt hat, ist daher ein wichtiger und richtiger Schritt.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
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