Das THW in der Ganztagsschule: „Unglaublich facettenreich“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
In Mecklenburg-Vorpommern hat das Technische Hilfswerk im September die Vereinbarung zur „Kooperationsinitiative für ganztägiges Lernen“ unterzeichnet. THW-Landesbeauftragter Dierk Hansen im Interview.
Online-Redaktion: Das Technische Hilfswerk, das wir alle kurz als THW kennen, gehört in Mecklenburg-Vorpommern seit kurzem der „Kooperationsinitiative für ganztägiges Lernen“ an. Betreten Sie Neuland?
Dierk Hansen: Um es auf den Punkt zu bringen: Kooperationen zwischen den Ganztagsschulen und uns als THW sind eindeutig ausbaufähig. Auch darum sind wir der Landesinitiative gerne beigetreten. Wir waren und sind immer schon einmal punktuell in Ganztagsschulen aktiv gewesen. Meistens handelt es sich dabei um spezielle Aktionen, beispielsweise bei Projektwochen in Schulen. Dabei kann es auch schon einmal vorkommen, dass wir ganztägig eingebunden sind. Aber wir sind dabei bisher nicht strategisch und mit klaren Strukturen herangegangen. Es ist zumeist abhängig von den handelnden Personen vor Ort, manchmal auch eine Frage von persönlichen Kontakten zwischen Ortsverbänden und Lehrkräften an Schulen.
Online-Redaktion: Was kann das THW den Ganztagsschulen konkret anbieten?
Hansen: Unser Betätigungsfeld ist unglaublich facettenreich. Man kann es auch so ausdrücken: Jede und jeder, der einmal zu uns kommt, bleibt. Schülerinnen und Schüler können bei uns eigentlich all das machen, was auch zu der rund 90-stündigen Grundausbildung unserer THW-Angehörigen gehört. Es geht um den Umgang mit technischen Geräten, um die Bergung und Rettung von Menschen, um das Lesen eines Gefahrenschemas, zu lernen, wie ein Verband angelegt wird und nicht zuletzt um die Schulung des Teamgeistes. Teamfähigkeit ist heute vielleicht wichtiger denn je.
Online-Redaktion: Hat das THW es heute schwerer, Menschen für das freiwillige Engagement zu gewinnen?
Hansen: Nun, wir haben durch unseren Einsatz bei einigen größeren Ereignissen doch stark auf uns aufmerksam gemacht und erleben aktuell einen guten Zulauf. Mancherorts ist er so stark, dass kaum noch jemand aufgenommen werden kann. Denn wir müssen verlässlich sein. Wer sich uns anschließt, muss sicher sein können, dass er zeitnah die erwähnte Ausbildung beginnen und abschließen kann.
Online-Redaktion: Mit „größeren Ereignissen“ meinen Sie auch die Naturkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz?
Hansen: Unser Einsatz an der Ahr hat das THW in besonderem Maße gefordert. Sowohl was den Arbeitsaufwand, vor allem aber auch, was die psychische Belastung betrifft. Oder nehmen Sie unser Engagement in Corona-Zeiten. Da haben wir in Schleswig-Holstein, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern die Corona-Logistik übernommen. Wir haben die Anforderung am Freitag erhalten und am Montag mussten die Tests verteilt sein. Es war ein herausforderndes Jahr und weitere werden folgen.
Online-Redaktion: Mussten Sie für die Kooperation mit Ganztagsschulen auch Widerstände im eigenen Lager überwinden?
Hansen: Nein, Widerstände gab es nicht. Ich bin jetzt mehr als zwei Jahrzehnte hier aktiv. Den Wunsch, uns in Schulen und dann besonders in Ganztagsschulen zu engagieren, haben wir über die gesamte Zeit gehegt und geäußert. Sehr häufig kam die Anregung, dass wir uns dort ja auch um freiwillige Helferinnen und Helfer bemühen könnten. Es ist ein bisschen wie im Sport. Da haben wir ja auch mitbekommen, dass manche Vereine in der Vergangenheit auf eine Kooperation verzichtet haben oder darauf verzichten mussten, weil ihre Trainerinnen und Trainer zu Zeiten, in denen Arbeitsgemeinschaften in Schulen angeboten werden können, selbst noch berufstätig sind.
Auch wir als THW sind wie Amateurvereine im Sport zu einem großen Teil auf ehrenamtliche Helferinnen und Helfer angewiesen. Wir haben natürlich Hauptamtliche, aber nicht in allen Ortsverbänden. Und so werden Ehrenamtliche das sicher alleine oft nicht stemmen können. Jedenfalls nicht so, dass dabei eine stabile Beziehung zwischen Schule und uns erwachsen könnte. Verlässlichkeit und Kontinuität sollten unbedingt die Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sein.
Online-Redaktion: Sie sprechen die Vereine an. Immer mehr erkennen die Chance, in Ganztagsschulen für ihr Engagement zu werben, ja Mitglieder zu gewinnen. Sie bieten Schnupperkurse und gehen andere kreative Wege.
Hansen: Da gibt es viele gute Ideen und Lösungen. Doch wir können sicher nicht von oben Patentrezepte aus dem Hut zaubern. Was möglich ist, können nur die Handelnden vor Ort, in jeder einzelnen Gemeinde und Stadt entscheiden und mit den Ganztagsschulen abstimmen. Vielleicht müssen wir auch interne Teams bilden. Denkbar wäre etwa, dass sich ältere, nicht mehr berufstätige Ehrenamtliche mit Jüngeren, eventuell auch mit Studierenden, zusammenschließen und gemeinsam in der Schule aktiv werden.
Online-Redaktion: Gäbe das die Altersstruktur des THW her?
Hansen: An manchen Orten schon. Aber ich muss auch festhalten, dass unser Altersdurchschnitt nicht so extrem hoch ist. Er liegt bei Ende 30.
Online-Redaktion: Was hat sich im THW verändert, dass Sie nun glauben, den, wie Sie es formulierten, lang gehegten Wunsch des Engagements in Ganztagsschulen zu erfüllen?
Hansen: Wir waren zum Start der „Kooperationsinitiative für ganztägiges Lernen“ 2018 noch nicht dabei. In den letzten Jahren sind unsere Aufgaben wie die aller Hilfsorganisationen durch die gesellschaftliche Entwicklung gewachsen. Also haben wir bundesweit stärker geworben und uns bekannter gemacht. Die Zahl unserer Hauptamtlichen ist um mehr als 150 Prozent gestiegen. Das ist wichtig, weil Ehrenamt braucht das Hauptamt. Das hat der frühere Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier, einmal gesagt. Er hat Recht. Wir Hauptamtlichen müssen stets für gute Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Tätigkeit sorgen. Das gilt eben auch für die Kooperation mit Ganztagsschulen.
Online-Redaktion: Da kommt die Landesinitiative ja gerade recht. Werden Sie die Ehrenamtlichen, die später in den Ganztagsschulen aktiv werden, schulen?
Hansen: Das ist eine wichtige Überlegung. Es wäre hilfreich, wenn wir Lehrkräfte im THW finden, die Ehrenamtliche auf diese Tätigkeit vorbereiten und vielleicht auch als Ansprechperson zur Verfügung stehen. Auf jeden Fall ist der Schritt, sich in den Ganztagsschulen zu bewegen und auf unsere vielfältigen Aufgaben, aber auch Möglichkeiten des THW aufmerksam zu machen, absolut richtig und wichtig.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview.
Kategorien: Ganztag vor Ort
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