Bildung für nachhaltige Entwicklung: "Viel erreicht, noch viel zu tun" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Auf der Abschlusskonferenz der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ lobte Bundesministerin Johanna Wanka die vielfältigen Initiativen. Jugendlichen müsse die Zuversicht vermittelt werden, sich zu engagieren, so KMK-Präsidentin Sylvia Löhrmann.

Schon oft hat man diesen Satz gehört, an diesem 29. September 2014 fällt er wieder – und soll an den kommenden beiden Tagen wiederholt werden: „Wir haben viel erreicht, es bleibt aber noch viel zu tun.“ Mit diesen Worten eröffnete Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), die Nationale Konferenz zum Abschluss der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ am 29. und 30. September im World Conference Center in Bonn.

2002 hatten die Vereinten Nationen die Weltdekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (UN Decade of Education for Sustainable Development 2005-2014) ausgerufen: Der Gedanke der nachhaltigen Entwicklung sollte in allen Bereichen der Bildung verankert werden. In Deutschland koordinierte ab 2005 die Deutsche UNESCO-Kommission die Umsetzung. Ein Nationalkomitee zeichnete Projekte, Schulen, Kommunen und Institutionen aus. Als federführendes Ressort der Bundesregierung förderte das BMBF die Umsetzung der UN-Dekade mit rund neun Millionen Euro.

Nun zogen nach zehn Jahren viele der Beteiligten und Ausgezeichneten Bilanz. „Wie kommt die Nachhaltigkeit in den Alltag?“, formulierte die Staatssekretärin die Leitfrage, die den Dekade-Projekten zugrunde lag. „Dazu bedarf es der Bildung für nachhaltige Entwicklung, in deren Zentrum die lokalen, regionalen, zumeist von Ehrenamtlichen getragenen Initiativen stehen“, so Cornelia Quennet-Thielen. Die Dekade sei ein „zehn Jahre andauernder Weckruf“ gewesen.

Bildungsmanagement für die breite Bevölkerung

Über 1.900 Projekte wurden in dieser Zeit als „Offizielles Projekt der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" ausgewählt, 49 Dekade-Projekte und 21 Dekade-Kommunen wurden prämiert. Zu den Auszeichnungen und Wettbewerben, an denen Schulen beteiligt sind, gehören außerdem der Deutsche Klimapreis, der Generationengerechtigkeits-Preis, das „Naturtagebuch“ der BUNDjugend oder das Siegel "Fairtrade-School" in NRW. Immer wieder machten dabei auch Ganztagsschulen als Preisträger von sich reden.

„Die Nachhaltigkeit ist ein kommunales Thema geworden“, erklärte die Staatssekretärin, und auch das BMBF habe sich der Bildung für nachhaltige Entwicklung in Programmen wie „Haus der kleinen Forscher“, den MINT-Wettbewerben oder der Förderung der beruflichen Bildung für nachhaltige Entwicklung engagiert. „Die Bildung für nachhaltige Entwicklung ist in Deutschland gewachsen – das ist ein großer Erfolg“. Nun gehe es um den Transfer in die Breite.

Das bestätigte am zweiten Konferenztag Bildungsministerin Johanna Wanka: „Wir müssen ehrlich sein: Wie sehr ist das Thema wirklich in den Köpfen verankert?“ Man brauche vielfältigste Initiativen von unten, um Bildung für nachhaltige Entwicklung in allen Bildungsbereichen zu stärken. Das BMBF werde mit der Plattform „FONA – Forschung für Nachhaltige Entwicklungen“ seinen Beitrag dazu leisten. In der Aus- und Weiterbildung müsse die Bildung für nachhaltige Entwicklung verankert werden. Die Ministerin verwies auf die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ und das Programm „Lernen vor Ort“. „Der Abschluss der UN-Dekade muss Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten in der Bildung für nachhaltige Entwicklung sein“, so Johanna Wanka. „Wir wollen ein Bildungsmanagement für die breite Bevölkerung“, so die Bundesministerin.

Umdenken ohne erhobenen Zeigefinger

Für die Kultusministerkonferenz bilanzierte die derzeitige Präsidentin Sylvia Löhrmann: „Viele wunderbare Projekte zeugen davon, dass die Bildung für nachhaltige Entwicklung in Staat und Zivilgesellschaft angekommen ist.“ So habe sich beispielsweise in Baden-Württemberg mit „Lernen über den Tag hinaus“ ein Netzwerk der Hochschulen gebildet, und in Nordrhein-Westfalen setzten sich die „Schulen der Zukunft“ mit dem Thema Solarenergie auseinander.

„Die Bildung für nachhaltige Entwicklung muss Verhaltensänderungen anstoßen“, so die nordrhein-westfälische Schulministerin. „Es ist ein Umdenken nötig, das wir nicht mit dem erhobenen Zeigefinger erreichen, sondern dadurch, dass Gestaltungskompetenz und die Identifikation mit der Umgebung vermittelt werden. Jugendlichen muss die Zuversicht vermittelt werden, sich zu engagieren. Das entsprechende Engagement der Schulen muss die Politik durch Rahmenvorgaben fördern.“ Bildung für nachhaltige Entwicklung ist der KMK-Präsidentin zufolge ein „Weg der kleinen Schritte“, die viel bewegen könnten – angefangen von Schülerfirmen und Schülerbistros.

Für die Organisatoren der UN-Dekade in Deutschland zogen Walter Hirche, der Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission, und Prof. Gerhard de Haan, der Vorsitzende des Nationalkomitees, Bilanz. Für Hirche gibt es „kein Thema, das für die Zukunft so entscheidend ist wie die Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Diese besitze einen Bezug zum eigenen Leben und dem der Kinder. „Wir müssen Leidenschaft ausstrahlen, dass sich Dinge verändern lassen“, forderte er. „Die Dekade hat gewirkt, sie war ein Gestaltungsmotor von unten, der das kreative Potenzial in Aktivitäten übersetzt hat. Heute gibt es eine andere Diskussion über die Nachhaltigkeit in der Bildung, das muss man niemanden mehr erklären.“

Von Projekten zu Strukturen kommen

Dem BMBF dankte Walter Hirche für die Förderung, die Organisationsformen für Vernetzung und Austausch gefördert habe. Doch er gab auch kritisch zu bedenken: „Mit dem Ende der Dekade hören die Herausforderungen noch nicht auf. Wir sind mit dem Thema zwar aus der Nische heraus, aber die Bildung für nachhaltige Entwicklung ist noch nirgendwo so gut in der Bildung verankert, wie wir es uns erhofft haben.“

Prof. Gerhard de Haan von der Freien Universität Berlin resümierte: „Es ist mehr BNE in den Bildungsbereichen erkennbar, und die Einsicht in die Notwendigkeit von BNE hat sich ebenso wie das Engagement der Politik in diesem Bereich verstärkt. Die Bedeutung der lokalen Ebene in diesem Prozess ist erkannt, und die systemische Verankerung nimmt zu. Es sind Netzwerke entstanden, und mit der Bildung für nachhaltige Entwicklung etablieren sich neue, zeitgemäße Lernformen.“ Nun bestehe die Aufgabe darin, national wie international zu Strukturen zu kommen, das Thema in Bildungsplänen und -standards zu verankern, Lücken in der beruflichen Bildung, in der Hochschule und der Lehrerausbildung zu schließen.

„Bonner Erklärung“: Mitsprache für Kinder und Jugendliche

Erreichtes und Erstrebenswertes diskutierten die Konferenzteilnehmer auf dem Podium, in Workshops und Foren. So verdeutlichte Achim Beule aus dem baden-württembergischen Kultusministerium, der dort die Koordinierungsstelle "Bildung für nachhaltige Entwicklung" leitet: „Es ist manchmal frustrierend, dass wir noch nicht vom Projekt zur Struktur gekommen sind. So ist es mühsam, das Thema in Lehrerbildung oder Bildungsplänen zu verankern. Wir müssen die Bildung für nachhaltige Entwicklung in den Fachdidaktiken stärker thematisieren als bisher.“

Zum Abschluss der Konferenz verabschiedeten die Teilnehmenden die „Bonner Erklärung“. Darin heißt es: „Wir werden uns in den fünf Jahren des Weltaktionsprogramms gemeinsam entschieden für dessen Ziele in Deutschland einsetzen.“ Besondere Aufmerksamkeit erfordere die Qualifizierung von pädagogischen Fach- und Lehrkräften in allen Bildungsbereichen.

Kinder und Jugendliche sollen bei der Umsetzung des Weltaktionsprogramms mehr Mitsprache in nationalen Gremien und Foren erhalten. „Es bedarf besserer Strukturen und Prozesse, damit Kinder und Jugendliche sich beteiligen und mitwirken können.“ Lokale und regionale Verbünde, in denen Kommunen, Bildungseinrichtungen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft kooperieren, sollen „mit angemessenen Strukturen und Ressourcen ausgestattet und in überregionale Netzwerke eingebettet werden“.

In einem Interview mit der Redaktion www.ganztagsschulen.org hatte Gerhard de Haan kürzlich die Potentiale der Ganztagsschule, Bildung für nachhaltige Entwicklung zu verankern, hervorgehoben. Zu den wichtigsten Akteuren gehört zum Beispiel das Projekt „Einfach ganz ANDERS. Ganztagsschulen für mehr Nachhaltigkeit“ der BUNDjugend NRW, das Lehrkräfte und vor allem Schülerinnen und Schüler unterstützt, außerschulische Bildungsangebote in die Arbeit an Ganztagsschulen zu integrieren. www.ganztagsschulen.org wird demnächst darüber berichten.

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