„Alle(s) für Zwickau“: „Junge Schwäne“ im Ganztagsangebot : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Fast jede sächsische Schule hat Ganztagsangebote. In Zwickau sind die „jungen Schwäne“ des FSV Zwickau schon in Grundschulen aktiv. Für den Traditionsverein ist das Engagement nicht weniger als eine „Herzensangelegenheit“.
Es ist eine spannende Zeit für Mathias Arnold, den Projektleiter und „Koordinator Nachwuchs“ beim FSV Zwickau. Gerade hat er beim Deutschen Fußball Bund (DFB) die erforderlichen Unterlagen zur Anerkennung eines Nachwuchsleistungszentrums eingereicht. „Für unseren Klub ist das ein Meilenstein“, erklärt Arnold. „Natürlich wäre die offizielle Anerkennung auch wegen der damit verbundenen Fördergelder wichtig und ein sicheres Fundament für die Zukunft. Aber hauptsächlich verstehen wir das als eine Auszeichnung für das, was wir hier bereits im Nachwuchsbereich geleistet haben und leisten.“
Im Sommer dürfte die Entscheidung fallen, wenn der DFB die Unterlagen geprüft und durch einen Besuch vor Ort überprüft haben wird. Die Leistungszentren sind seit 2002/2003 ein Element der Talentförderung im Fußball, ein Qualitätssiegel für die Nachwuchsarbeit der Vereine. Insgesamt gibt es bereits 55 Nachwuchsleistungszentren in ganz Deutschland zur Förderung der besten Fußball-Talente einer Region. Die 36 Vereine der ersten und der zweiten Bundesliga sind verpflichtet, solche Zentren einzurichten. Für die dritte Liga und die Regionalliga besteht die Möglichkeit, sich zertifizieren zu lassen. Von den 20 Vereinen der dritten Liga haben bisher zehn ein Nachwuchsleistungszentrum. Der FSV Zwickau wäre Nummer elf.
Der Klub hat eine über 100-jährige Geschichte. 1912 als Planitzer SC gegründet, schrieb er ab 1949 als ZSG Horch Zwickau – benannt nach dem Autobauer August Horch, dem sich die Audi Automobilwerke verdanken – als erster DDR-Oberliga-Meister Geschichte. Die Fusion von Sachsenring Zwickau und Aktivist Zwickau 1969 beschreibt der Verein selbstbewusst als „vergleichbar mit einer Fusion von Hertha BSC und Union Berlin oder dem Hamburger SV mit St. Pauli“. Ab da wurde der Verein von Torwartlegende Jürgen Croy geprägt, der 1975 mit Sachsenring ins Europapokal-Halbfinale einzog und dem die Einleitung des berühmten Sparwasser-Tores 1974 zugeschrieben wird. 1990 als FSV Zwickau neu gegründet, ging es zeitweise in die Amateurliga und erst seit der Saison 2010/2011 wieder aufwärts.
Jetzt die Voraussetzungen geschaffen zu haben, um als Drittligist Anwärter für ein Nachwuchsleistungszentrum zu sein, ist daher keine Selbstverständlichkeit für den Klub mit den drei Schwänen im Wappen. In den Nachwuchsleistungszentren sollen laut DFB nicht nur Spitzentalente im Leistungssport-Umfeld durch hoch qualifizierte Trainer optimal gefördert werden, sondern auch die „Liebe zum Fußball”. „Engagement und Zielorientierung für Spitzenleistungen“ sollen auch außerhalb des Fußballs vorbereitet und gepflegt werden. Spiel- und Trainingsphasen sind „in Abstimmung von Verein, Verband und Schule“ zu koordinieren und zu dosieren.
Zusammenarbeit mit Schulen: „Herzensangelegenheit“
„Die Zusammenarbeit mit Schulen ist eine Voraussetzung, dass ein Verein das NLZ-Zertifikat erhält“, erläutert Mathias Arnold. „Das ist für uns die leichteste Übung gewesen, denn wir arbeiten schon lange mit Schulen zusammen, weit vor meiner Zeit.“ Hier kommt auch noch einmal Jürgen Croy ins Spiel: Der gelernte Diplomsportlehrer war Anfang der 1990er Jahre nicht nur Präsidiumsmitglied des Klubs, sondern von 1994 bis 2000 auch Bürgermeister für Kultur, Schule und Sport.
Derzeit engagiert sich der FSV Zwickau in drei Grundschulen, der Bebel-Grundschule, der Dittesgrundschule und der Nicolaischule sowie im Käthe-Kollwitz-Gymnasium.
Der FSV Zwickau ist eine selbsterklärte „Herzensangelegenheit“, und was die Zusammenarbeit mit den Schulen angeht, gilt das für Mathias Arnold auch ganz persönlich. Mit dem Käthe-Kollwitz-Gymnasium, einer „Sportlichen Schule“, besteht ein Kooperationsvertrag. Die Trainer des Fußballvereins führen dort regelmäßig, jeweils im Rahmen einer Projektwoche, die DFB-Junior-Coach-Ausbildung durch. „Der Junior-Coach entspricht einer C-Lizenz und ist für Schülerinnen und Schüler ab 15 Jahren möglich“, erläutert Mathias Arnold. Besonders erwähnenswert: „Das Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen liegt bei etwa 50 zu 50.“
„... so etwas wie ein Lebensmittelpunkt“
Für den Sportunterricht in der Schule arbeiten die Vereinstrainer mit den Sportlehrern zusammen und haben die Unterrichtsinhalte ergänzt. Da geht es nicht nur um Fußball, wie Arnold betont: „Es geht sportartübergreifend beispielsweise um das Trainieren von Ausdauer, aber auch um die Vermittlung von Theorie, beispielsweise zum Aufbau des Körpers“. Den Unterricht selbst führen die Sportlehrer durch. Vierteljährlich finden Gespräche zwischen der Schule und dem Verein über die Schüler statt, die bereits beim FSV Zwickau trainieren.
Markus Seiler, der Administrative Leiter des Nachwuchszentrums, und Lars Hopp, der Sportliche Leiter, tauschen sich dann mit den Lehrkräften und auch mit Schulleiter Ralf Ballmann über die Entwicklung der Schüler im Schulischen wie im Privaten aus. „Wir sehen die Kinder und Jugendlichen sehr häufig, bis zu viermal in der Woche im Training und am Wochenende dann beim Spiel“, so Mathias Arnold. „Das ist hier schon so etwas wie ein Lebensmittelpunkt. Und deshalb sehen wir uns auch in der Verantwortung, uns zu informieren, wie es in der Schule zum Beispiel notenmäßig läuft.“ Gemeinsam können Schule und Verein eventuelle Probleme schneller erkennen und entgegenwirken, wenn etwas in die falsche Richtung driftet.
Trainer Markus Seiler ergänzt: „Hier ist alles familiär. Die Jungen bekommen die Chance, sich zu entwickeln und das Schulische gut mit dem Sportlichen zu verbinden.“ Das soll nicht auf den schulischen Bereich beschränkt bleiben. Mit der HANSA Handelsschule, einer Fachoberschule, im Ausbildungsbereich und mit der Westsächsischen Hochschule Zwickau im Studium steht der Verein in Verhandlungen, um ähnliche Kooperationen wie mit dem Käthe-Kollwitz-Gymnasium zu realisieren.
Spaß an der Bewegung vermitteln
In den drei Grundschulen steht der Fußball erst einmal noch gar nicht im Vordergrund. Jugendtrainer Peter Gottschalk, der auch Gesundheits- und Reha-Trainer ist, leitet in den Schulen jeweils einmal in der Woche eine AG als Ganztagsangebot, in dem er hauptsächlich den Spaß an der Bewegung vermittelt. „Wir reden hier nicht von Dribblings und Passkombinationen, sondern Turnen und Klettern gehören beispielsweise auch dazu“, erläutert Mathias Arnold. Und manchmal müsse man einem Kind „auch mal vermitteln, dass es Bewegung doch einfach liebt“.
Der FSV Zwickau lädt die Grundschülerinnen und -schüler auch zu sich ein: als sogenannte Einlaufkinder, die die Fußballer vor dem Spiel ins Stadion begleiten, oder einfach zu Stadionbesichtigungen. „Wir freuen uns, wenn sich die Kleinen mit dem Verein identifizieren“, meint der Nachwuchskoordinator. Alles in allem erreiche der Verein derzeit in den drei Grundschulen rund 60 Schülerinnen und Schüler. Mit den Grundschulen wird ebenfalls eine Kooperationsvereinbarung wie mit dem Käthe-Kollwitz-Gymnasium angestrebt.
Auch in den Schulferien öffnet sich der FSV Zwickau mit seinen vier- bis fünftägigen Fußballcamps, für Vereinsmitglieder ebenso wie für Nichtvereinsmitglieder. In insgesamt neun Camps in den Winter-, Oster-, Sommer und Herbstferien werden Peter Gottschalk und Trainerkollegen in diesem Jahr für 6- bis 15-Jährige täglich zwei intensive und abwechslungsreiche Trainingseinheiten, ein Torwart-Schnuppertraining und verschiedene Freizeitaktivitäten anbieten. Höhepunkt ist die gemeinsame Abschlussveranstaltung bei einem Spiel des FSV Zwickau.
Zum Schuljahresbeginn 2018/2019 erhielten alle Schulanfängerinnen und -anfänger der zwölf Grundschulen in Zwickau eine Freikarte für ein Heimspiel. Und an zwei Spieltagen der vergangenen Saison wurden Mädchen und Jungen des Erziehungsfördervereins Meerane und des Kinder- und Jugendwohnheims „Tannenmühle“ in die VIP-Loge eingeladen. Nach dem Spiel konnten die Kinder und Jugendlichen noch Spieler treffen und das Stadion besichtigen.
„Hallo Nachbar“ aus Tschechien
Und manchmal erklingt auf dem Trainingsgelände auch Tschechisch. Unter dem Dach des dreijährigen Europaprojekts „Hallo Nachbar – Fußball verbindet“ besuchen sich die Jugendmannschaften des FSV Zwickau und des Partnervereins FC Slavia Karlovy Vary – von der U7 bis zur U19 – regelmäßig. Im Februar haben sich die U19-Spieler gemeinsam im Trainingslager in Karlovy Vary auf die Rückrunde vorbereitet, und zukünftig sollen auch die Sommertrainingslager dort stattfinden.
Familiär und doch international. Mathias Arnold: „Unsere Stadt hat nur 90.000 Einwohner, und es gibt reichlich Konkurrenz in der Umgebung: Erzgebirge Aue, den Chemnitzer FC, und auch die Bullen sind nicht weit.“ Mit Letzteren ist der RB Leipzig gemeint. „Wir sind hier keine Rasen-Paganinis, sondern müssen immer über den Kampf kommen und uns durchbeißen. Bei uns sind alles Kämpfernaturen, von Klein bis Groß.“ Der neue Mannschaftsbus des FSV zeugt davon: „ALLE(S) FÜR ZWICKAU“ steht darauf. Und: „Unser Verein. Unsere Stadt. Unsere Zukunft“.
Kategorien: Forschung - Internationale Entwicklungen
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