Schulsozialarbeit im Ganztag: „Kooperation auf Augenhöhe“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Die JugendAkademie Segeberg ist Träger von acht Offenen Ganztagsschulen im Kreis Segeberg und bildet unter anderem das pädagogische Personal fort. Felix Möller, Projektleiter für den Bereich „Schulsozialarbeit & Offene Ganztagsschule“, berichtet über die Arbeit der Akademie.
Online-Redaktion: Herr Möller, auf die JugendAkademie Segeberg sind wir aufmerksam geworden, weil sie seit Längerem systematische Fortbildungen für das pädagogische Personal in Ganztagsschulen, vor allem aus der Schulsozialarbeit, anbietet. Was verbirgt sich hinter der JugendAkademie?
Felix Möller: Die JugendAkademie ist ein anerkannter Freier Träger der Jugendhilfe und berät Jugendzentren und Jugendhäuser, Städte, Ämter und Gemeinden. Wir führen Seminare wie Zukunftswerkstätten durch und bilden Ehrenamtliche aus und fort. Wir initiieren Projekte mit Kooperationspartnern, zum Beispiel Kulturprojekte mit den Jugendzentren. Hier ist die Kreismusikschule Segeberg sehr aktiv. Zu unseren Aufgaben gehört auch, den Bedarf und die Schwerpunkte in der Kinder- und Jugendarbeit zu ermitteln und an Fachausschusssitzungen teilzunehmen. Außerdem arbeiten wir mit der Jugendschutz- und den Sozialraumbeauftragten zusammen. Zu unseren Partnern gehören auch der Kreisjugendring und die Sportjugend im Kreissportverband.
Die JugendAkademie ist dabei eine von vier Säulen des Vereins für Jugend- und Kulturarbeit im Kreis Segeberg. Die anderen drei Säulen bilden die Kreismusikschule, die zum Beispiel Instrumentalunterricht und Musikklassen für Schulen anbietet, die Kulturakademie Segeberg, die die Segeberger Kulturtage veranstaltet und Theaterprojekte in Jugendzentren und Schulen durchführt, und der Jugendzeltplatz Wittenborn, der umweltpädagogische Angebote macht und der Ferienfreizeiten organisiert.
Online-Redaktion: Wie sieht es mit den Ganztagsschulen in Bad Segeberg aus?
Möller: Es werden immer mehr. Seit zwei Jahren haben wir acht Offene Ganztagsschulen in Trägerschaft und damit alle in der Stadt. Derzeit sind wir dabei, mit den Schulleitungen gemeinsam Qualitätsstandards zu entwickeln. Dazu treffen wir uns regelmäßig mit dem Arbeitskreis Offene Ganztagsschule, der sich aus dem Schulverband, uns als Träger, aus den Schulleitungen und aus unseren Ganztagskoordinatoren in den Schulen zusammensetzt. Unsere Vereinsmitarbeiter bilden die Schnittstelle zwischen uns und den Ganztagsschulen.
Online-Redaktion: Wie befördern Sie Qualitätsstandards?
Möller: Grundsätzlich ist uns die Ausbildung der Kursleitungen wichtig, die ja in der Regel keine pädagogische Berufserfahrung haben. Wir möchten sie adäquat auf die Arbeit in den Ganztagsschulen vorbereiten. Wir bereiten die Kursleiter auf die gruppendynamischen Prozesse vor, um diese zum Beispiel auch hinsichtlich eines Diskurszieles nutzen zu können.
Dann geht es besonders darum, wie die unterschiedlichen Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen einen OGS-Kurs beeinflussen können. Auf dem Lande wachsen Kinder anders auf als in der Großstadt, und natürlich ist es für die Kursleitungen wichtig, das zu berücksichtigen und dementsprechend die Kursdidaktik und die Methodik anzupassen.
Online-Redaktion: Sie sind als Träger der Freien Jugendhilfe und als Träger von Offenen Ganztagsschulen in beiden Welten, Jugendhilfe und Schule, unterwegs. Wie nehmen Sie die immer noch thematisierten Spannungen, die durch Vorbehalte und auch Vorurteile von beiden Berufsseiten entstehen, wahr?
Möller: Wir haben das Glück, dass wir im Kreis Segeberg nicht nur beim Thema Ganztagsschule eng mit den Schulen zusammenarbeiten, sondern auch im Bereich der Fortbildungen für Schulsozialarbeiter und Schulsozialarbeiterinnen, oder dass wir auch außerschulische Bildungsangebote für Schulklassen machen. Das hat sich innerhalb der letzten dreißig Jahre im Kreis so entwickelt, und daher können wir hier bei uns von einer Kooperation auf Augenhöhe sprechen.
Online-Redaktion: Gerade haben Sie die Jahrestagung Schulsozialarbeit veranstaltet. Welche Tradition hat diese Tagung?
Möller: Die Jahrestagung findet jährlich bei uns in der JugendAkademie und in diesem Jahr bereits zum neunten Mal statt, diesmal anlässlich des 25. Jahrestags der UN-Kinderrechtskonvention mit dem Schwerpunktthema „Kinderrechte und Schulsozialarbeit“.
Online-Redaktion: Ging es auch um die Ganztagsschule?
Möller: Das Thema spielte natürlich als Querschnittsthema immer eine Rolle, auch in den Workshops. Der Fokus bei dieser Veranstaltung liegt aber auf der Schulsozialarbeit, da alle Teilnehmer Schulsozialarbeiter und Schulsozialarbeiterinnen sind. Die Jahrestagung ist als Plattform für diese Berufsgruppe konzipiert. Um sich fortzubilden, sich auszutauschen und in die Reflexion zu gehen. Solche Gelegenheiten gehen im Alltag oft leider unter.
Online-Redaktion: Welche Stimmungen oder Themen konnten Sie auf der Tagung aufschnappen?
Möller: Wir haben mitbekommen, dass an die Kolleginnen und Kollegen vor Ort in den Schulen von Seiten der Lehrkräfte und der Schulleitungen, aber auch von Seiten der Eltern und von den Schülerinnen und Schülern sehr hohe und zum Teil diffuse Erwartungen gestellt werden. Es fällt im beruflichen Alltag schwer, diesen unterschiedlichen Erwartungen gleichwertig Rechnung zu tragen. Auf der Tagung haben wir das reflektiert und versucht, da einen Mittelweg zu finden.
Thematisch kam in diesem Jahr verstärkt der Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen zur Sprache. Das ist auch durch die steigende Zahl der Flüchtlinge bedingt. Bad Segeberg unterhält ein großes Zentrum für Deutsch als Zweitsprache, mit dem wir in Kontakt stehen. Mit einem freien Verein haben wir darüber hinaus ein Projekt initiiert, um das Thema Flüchtlinge aufzugreifen.
Online-Redaktion: Sie sprechen von „hohen und diffusen Erwartungen“ in den Schulen. Was muss man sich darunter vorstellen?
Möller: Die Schulsozialarbeit wird häufig als Feuerwehr angesehen. Aber die erste Aufgabe der Schulsozialarbeit ist nicht die Intervention, sondern die präventive Arbeit. Dazu gehören die soziale Gruppenarbeit, die Einzelberatung, Seminar-Settings in Schulklassen. Diese präventive Arbeit kommt oft zu kurz. Das liegt unter anderem auch an ungünstigen Rahmenbedingungen, an manchen Schulen sind Schulsozialarbeiter nicht einmal mit eigenen Büros ausgestattet.
Auch die Kommunikationsstrukturen zwischen der Schulsozialarbeit und den Lehrerinnen und Lehrern oder den Schulleitungen ist noch ausbaufähig. Da fehlen noch Schritte auf dem Weg zu gelungenen Kooperationen mit multiprofessionellen Teams.
Online-Redaktion: Wie könnte die JugendAkademie hier zu einer Verbesserung beitragen?
Möller: Wir sind zwar kein Träger der Schulsozialarbeit, aber wir bieten Fortbildungen in diesem Bereich an. Langfristig möchten wir die Fortbildung Schulsozialarbeit und das Projekt Offene Ganztagsschule miteinander verbinden. Damit sollen sich auch die in den Schulen arbeitenden Professionen stärker verbinden. Im Sinne einer gelingenden Kooperation könnten sie so die bereits vorhandenen personellen Ressourcen besser nutzen.
Schule und Schulsozialarbeit können gemeinsam ihren Teil dazu beitragen, zum Beispiel soziale Kompetenzen in die Schule zu integrieren. Diese Veränderungen brauchen allerdings Zeit und das Engagement von allen Beteiligten. Jetzt gilt es erst einmal, dieses Engagement und den Willen bei den Beteiligten zu wecken und das Konzept auf breite Füße zu stellen.
Kategorien: Forschung - Internationale Entwicklungen
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