Malteser in der Ganztagsschule : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

In Rheinland-Pfalz kooperieren die Malteser seit zehn Jahren mit Ganztagsschulen. Jüngst wurde die neue Rahmenvereinbarung unterzeichnet. Koordinatorin Bergund Hilgers im Interview über Werte und Erfahrungen der Zusammenarbeit.

Online-Redaktion: Die Tinte ist gerade getrocknet, die neue Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem Malteser Hilfsdienst zur Kooperation mit Ganztagsschulen ist unterschrieben. Ein Grund zur Freude?

Bergund Hilgers: Auf jeden Fall. Die Vereinbarung kommt zum passenden Zeitpunkt. Denn vor exakt zehn Jahren ist der Malteser Hilfsdienst von Rheinland-Pfalz in die Zusammenarbeit mit den Ganztagsschulen eingestiegen. Damals verabredeten wir mit der Altrheingrundschule in Eich im Landkreis Alzey-Worms erstmals, gemeinsam den Ganztag gestalten zu wollen. Inzwischen begleiten wir fünf Grundschulen und eine Realschule plus. Es ist sicher bezeichnend, dass in den Tagen nach der Bekanntgabe der neuen Rahmenvereinbarung mehrere Schulen aus unterschiedlichsten Regionen bei uns angerufen und Möglichkeiten der Kooperation ausgelotet haben. Das zeigt, wie groß der Bedarf ist. Wenn wir Schulen unterstützen können, stellt das meines Erachtens für beide Seiten einen Grund zur Freude dar.

Online-Redaktion: Was motiviert die Malteser, sich in Ganztagsschulen zu engagieren?

Koordinatorin Bergund Hilgers
Koordinatorin Bergund Hilgers © Privat

Hilgers: Der Ausbau der Ganztagsschulen öffnete für den Malteser Hilfsdienst Türen, seine vielfältigen Kompetenzen und Angebote einzubringen. Wir können die Schulen bei der Gestaltung und Organisation des Ganztags massiv unterstützen, können unsere Ideen, spannende Themen für Arbeitsgemeinschaften, aber auch unsere pädagogischen Kompetenzen bei der Einschätzung der Schülerinnen und Schüler einbringen. Darüber hinaus bietet sich die Gelegenheit, die Werte, für die wir als Malteser stehen, vorzuleben und sowohl den Kindern als auch den Erwachsenen nahezubringen.

Online-Redaktion: An welche Werte denken Sie in erster Linie?

Hilgers: Der Mensch steht für uns im Mittelpunkt. Wir werben für Verantwortungsbewusstsein, Hilfsbereitschaft, Toleranz, Achtung und Respekt. Natürlich tragen wir auch den inklusiven Gedanken in unsere Arbeit. Wir möchten, dass Menschen unvoreingenommen auf andere zugehen, ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihres sozialen Umfeldes. Ich weiß, dass auch die Kollegien der von uns unterstützten rheinland-pfälzischen Ganztagsschulen diese Ziele im Unterricht und im Schulalltag bewusst fördern. Gemeinsam wollen wir noch erfolgreicher sein.

Online-Redaktion: Bislang sind die Malteser überwiegend in Grundschulen aktiv?

Hilgers: Wir bieten unsere Leistung für alle Schulen in Rheinland-Pfalz an, unabhängig von der Schulform, und stehen für Anfragen jeder Schule zur Verfügung. Unsere bisherigen Kooperationen haben sich über eine Vernetzung der Schulen untereinander ergeben. Dazu gehört auch die Christian-Erbach Realschule plus in Gau-Algesheim. Und wir sind offen für weitere Schulen.

Online-Redaktion: Welche Aufgaben übernehmen Sie konkret in den Ganztagsschulen?

Hilgers: Wir stellen in Abstimmung mit der jeweiligen Schule ein passendes Team zusammen. Malteser-Teams können beispielsweise in der Bibliothek, auf dem Schulhof und in der Mensa helfen oder Arbeitsgemeinschaften anbieten. Dabei dreht es sich nicht in erster Linie um Malteser geprägte Inhalte. Doch wenn es gewünscht wird, bilden wir auch Schulsanitäterinnen und Schulsanitäter aus. Das ist eine Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler immer gerne und mit einer Portion Stolz übernehmen. Doch insgesamt richten wir uns in unseren Angeboten in erster Linie nach den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler sowie der Schule.

Kompetenzen, die für die Gestaltung der AGs sehr wertvoll sind
Kompetenzen, die für die Gestaltung der AGs sehr wertvoll sind © Malteser Deutschland

Online-Redaktion: Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Mitarbeitenden aus?

Hilgers Wir führen ein intensives Gespräch mit der potenziellen Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter Aus unserer langjährigen Erfahrung wissen wir recht schnell, ob die interessierte Person zu uns passt und welche Interessen sie hat. Die Religionszugehörigkeit oder eine Mitgliedschaft bei den Maltesern spielen hier keine Rolle. In einem so sensiblen Bereich wie der Arbeit mit Kindern ist die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses für uns eine formale Vorgabe. Wichtig ist für uns schließlich: Gibt es etwas Besonderes, das die Person für den Ganztag anbieten kann? Ein Glücksgriff war für uns beispielsweise ein Geologe im Vorruhestand. Er kann den Kindern viel Spannendes über die Natur vermitteln oder mit ihnen einen Garten anlegen.

Die Bewerberinnen und Bewerber werden zunächst für einige Probestunden in der Ganztagsschule eingeladen. Da lernt man sich kennen, sieht, ob und wie sich derjenige einbringen kann, ob sie oder er ins Team passt. In den Probestunden sind die Verantwortlichen der Schule und unsere Mitarbeitenden anwesend. So entsteht ein Gesamteindruck. Das gilt im Übrigen auch für die Bewerber. Sie wissen häufig nicht, was sie erwartet, und können einen ersten kleinen Einblick in ihre künftige Arbeit gewinnen. Alle müssen diese Aufgabe mit ganzem Herzen wollen, nur so kann Ganztag im Sinne der Kinder gestaltet werden.

Online-Redaktion: Einen potenziellen Konflikt stellt häufig die Betreuung der Hausaufgaben und Lernzeiten dar, für die außerschulische Fachkräfte zumeist nicht ausgebildet sind…

Hilgers: In Rheinland-Pfalz übernimmt die Betreuung der Hausaufgaben und der Lernzeiten immer eine Lehrkraft, das ist so vorgeschrieben. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn eine Lehrkraft und eine Ganztagskraft die Schülerinnen und Schüler in dieser Zeit gemeinsam betreuen. Für uns ist das eine gute Lösung. Unseren Teams gehören auch hin und wieder pensionierte Lehrerinnen und Lehrer an. Doch die meisten bringen ihre Erfahrungen und ihr Wissen und Können aus ihrem Beruf oder einem Hobby ein, das vor allem für die Gestaltung der AGs sehr wertvoll ist. Es sind überwiegend jüngere Menschen, das Durchschnittsalter unserer Mitarbeitenden liegt bei etwa 35 Jahren. Dazu gehören auch einige Lehramtsstudentinnen und -studenten, die schon einmal in den Ganztag hineinschnuppern möchten, oder junge Leute, die in der Ganztagsschule ein Freiwilliges Soziales Jahr ableisten.

Online-Redaktion: Wie funktioniert das Miteinander der Malteser-Teams und Ganztagsschulen?

Ausbildung zum Schulsanitätsdienst
Ausbildung zum Schulsanitätsdienst © Malteser im Bistum Speyer

Hilgers: Die Zusammenarbeit mit den Schulen ist gut. Schulleitungen und Kollegien sind froh, dass wir sie unterstützen und wichtige Aufgaben bei der Betreuung und der Wissensvermittlung übernehmen. Ein sehr gutes Beispiel für die Kooperation ist die Initiative der Grundschule am Goldbach in Undenheim. Die Grundschule hat bereits zweimal einen Workshop für alle Lehrkräfte, unser Team und weitere externe Mitarbeitende der Schule organisiert. Dafür wurde ein Moderator engagiert. Es ging vor allem um die Form des Miteinanders, die Kommunikation, um Verständnis für die Herangehensweisen der unterschiedlichen Professionen. Einblicke in die gegenseitige Arbeit wurden ermöglicht und Wege ausgelotet, wie man sich wechselseitig wertschätzen und unterstützen kann. Es wurde sehr Konkretes und Wichtiges für den Alltag in der Ganztagsschule besprochen. Ein Thema des Austauschs war, welche Informationen jede Profession für eine erfolgreiche Arbeit im Interesse der Kinder benötigt. Intensiv wurden Regeln diskutiert: Auf welche können sich alle verständigen? Wie erreicht man, dass vormittags und nachmittags keine unterschiedlichen Maßstäbe angelegt werden?

Online-Redaktion: Wo sehen Sie im Zusammenspiel mit den Ganztagsschulen noch Optimierungsbedarf?

Hilgers: Am meisten wünschen wir uns, dass unsere Mitarbeitenden wie überhaupt außerschulische Fachkräfte noch mehr als Teil der Schulteams gesehen werden. Wenn Vor- und Nachmittag noch besser ineinandergreifen, können wir uns gegenseitig noch stärker in pädagogischen Aspekten unterstützen, die Kinder mit all ihren Bedürfnissen und aus unterschiedlichen Blickrichtungen wahrnehmen. Von dieser Vernetzung profitieren alle Beteiligten des Ganztags – am meisten die Schülerinnen und Schüler. Die personelle, räumliche und sächliche Ausstattung für Arbeitsgemeinschaften ist sicher ebenfalls noch ausbaufähig, auch was die verfügbaren Mittel betrifft.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!

Zur Person:

Bergund Hilgers, Jg. 1963, ist seit November 2021 als Koordinatorin für Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz beim Malteser Hilfsdienst im Bistum Mainz tätig. Nach dem Studium der Germanistik und Romanistik für das Lehramt an Gymnasien war sie zunächst über zehn Jahre in einer PR-Agentur für die Pressearbeit von Unternehmen aus der Informationstechnologie verantwortlich.

Der Malteser Hilfsdienst im Bistum Mainz ist Träger der Ganztagsbetreuung und weiterer Schulaktivitäten in Rheinland-Pfalz und Südhessen. Er ist seit 2013 in Ganztagsschulen aktiv. Am 1. Februar 2023 wurde die neue „Rahmenvereinbarung zwischen dem Malteser Hilfsdienst und dem Land Rheinland-Pfalz über die Kooperation mit Ganztagsschulen“ unterzeichnet.

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