ganztag@home mit der gfi : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Als Träger von Ganztagsangeboten ist die Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) tausenden Schülerinnen und Schülern in Bayern vertraut. Fachbereichsleiter Lars-Uwe Worbach im Interview.

Online-Redaktion: Herr Worbach, in Bayern kennen alle die gfi. Was verbirgt sich dahinter?

Lars-Uwe Worbach © gfi

Lars-Uwe Worbach: Die Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration. Uns gibt es seit 1998. Wir sind eine gemeinnützige GmbH, ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Die gfi ist eine sozial-integrative Tochtergesellschaft des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft. Wir sind aber bundesweit tätig, an 22 Standorten mit 170 Neben- und Außenstellen und 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, vorwiegend in Bayern, aber auch mit einzelnen Standorten in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Online-Redaktion: Wie würden Sie Ihre inhaltliche Arbeit charakterisieren?

Worbach: Kurz gesagt: Wir unterstützen Menschen bei der aktiven und selbstbestimmten Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben. Was uns dabei besonders am Herzen liegt, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – daher haben wir uns auch besonders den Themen Betreuung und Ganztagsschule gewidmet. Innerhalb der gfi ist das einer der größten Dienstleistungsbereiche, die Betreuung an Schulen macht inzwischen einen erheblichen Bestandteil unserer Arbeit aus. In der Kindertagesbetreuung engagieren wir uns ebenfalls, dazu kommen die Schulsozialarbeit, Schulbegleitungen und Hilfestellungen am Übergang von der Schule in den Beruf mit unseren Berufseinstiegsbegleitungen.

Online-Redaktion: Was bieten Sie in die Kooperation mit Ganztagsschulen an?

Worbach: Unsere Angebote umfassen unter anderem die Mittags- und Hausaufgabenbetreuung. Hinzu kommen pädagogisch angeleitete Freizeitaktivitäten mit sportlichen, musischen oder gestalterischen Elementen und schließlich die Organisation von Arbeitsgemeinschaften und weitere Förderangebote. In Bayern begleiten wir derzeit rund 22.000 Schülerinnen und Schüler in 420 Schulen, davon 270 Gruppen in der Mittagsbetreuung. 

Daily Challenge: "Bau dir eine Musikbox" © gfi

Im offenen Ganztag an den Grund- und Förderschulen sind es ungefähr 250 Gruppen, und im gebundenen Ganztag begleiten wir 150 Grundschulklassen. An zwei Standorten sind wir außerdem Träger des Ganztags in Grundschulen mit der "Kooperativen Ganztagsbildung". In den weiterführenden Schulen sind es in der offenen Ganztagsbetreuung rund 280 und im gebundenen Ganztag 230 Klassen. Auch in der Ferienbetreuung und in der Berufsorientierung sind wir aktiv. Alle diese Bereiche sind in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen.

Online-Redaktion: Wie würden Sie die qualitative Entwicklung kennzeichnen?

Worbach: Kennzeichnend für unsere Arbeit ist ein immer intensiverer Austausch mit Schulleitungen und Schulämtern. Das Zusammenspiel von Jugendhilfe und Schulen kommt ebenfalls zunehmend stärker in den Fokus und wird über das Modell der "Kooperativen Ganztagsbildung" sicherlich weiter an Bedeutung gewinnen. Unser Bildungs- und Betreuungsangebot richtet sich am Bedarf der Schulen aus, wir wollen Hand in Hand mit der Schule zusammenarbeiten und stimmen uns deshalb konzeptionell immer eng ab. Den Schulen sind die fachliche Kompetenz und die Zuverlässigkeit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig.

Online-Redaktion: Wie kommen Sie mit den Ganztagsschulen in Kontakt?

Kompetente und zuverlässige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter © gfi

Worbach: Als gfi sind wir stark im Sozialraum unterwegs. Zum Beispiel machen wir Angebote mit Jugendhilfeprojekten im Stadtteil. Darüber und über die Berufsorientierung kommen wir mit Schulen in Berührung und ins Gespräch, sodass sie erfahren, welche Möglichkeiten wir noch bieten. Die Schulleitungen tauschen sich auch ständig untereinander aus und machen sozusagen Werbung für uns. Drittens sprechen wir Schulen gezielt an, wenn wir glauben, dass wir uns dort als Träger oder Kooperationspartner gut einbringen können. Und auch auf Messen wie der ConSozial in Nürnberg sind wir präsent. Dort stellen wir unter anderem unsere Angebote der Akademie für philosophischen Bildung und des WerteDialogs oder unseres MINT-Bereichs mit Projekten wie zum Beispiel ExperiMINTs mit dem ExperiMINTparcours und dessen praktischen physikalischen Versuchen vor.

Online-Redaktion: Was muss man sich unter philosophischer Bildung und dem WerteDialog vorstellen?

Worbach: Unsere Akademie setzt sich für das Philosophieren als Bildungs- und Erziehungsprinzip ein, sei es in Kindertageseinrichtungen und Schulen oder in der Ausbildung von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften. Beim gemeinsamen Philosophieren erhalten Kinder und Jugendliche Freiraum für kreative Gedankenspiele, sie lernen lösungsorientiert denken, entwickeln ein Gefühl für Werte und Normen und üben eine Gesprächskultur.

Online-Redaktion: Wann funktioniert aus Ihrer Sicht die Kooperation mit einer Ganztagsschule besonders gut?

Worbach: Wenn sie auf Augenhöhe abläuft, es viele Absprachen gibt und man im engen Kontakt mit den Schulleitungen steht. Dafür setzen wir immer regionale Fachkoordinatorinnen und Fachkoordinatoren ein, die die Teams vor Ort anleiten und mit den Schulen in Kontakt stehen. Feste Ansprechpartner sind für die Schulen enorm wichtig, gerade wenn mal etwas schnell entschieden werden muss – was sich gerade im Frühjahr gezeigt hat.

Da ist auch ein gutes Vertrauensverhältnis erforderlich, und das lässt sich nur durch unsere Personalkontinuität erreichen, auf die wir Wert legen. Unser Team wird in der Schule jeweils gut bekannt gemacht. Für uns ist es umgekehrt genauso wichtig, dass die Schulen uns immer Lehrerinnen und Lehrer als feste Begleitungen des Ganztags benennen.

Online-Redaktion: Überall herrscht Fachkräftemangel – haben Sie genügend qualifiziertes Personal?

Kunstprojekt "Hundertwasser und WIR" © gfi

Worbach: In Bayern gibt es die Vorgabe, dass in der offenen Ganztagsschule sogenannte OGTS-Koordinatoren als zentrale Ansprechpartner eingesetzt werden. Sie müssen fachlich qualifiziert sein, wie zum Beispiel Erzieherinnen und Erzieher oder Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter über keine entsprechende berufliche Qualifikation verfügt, müssen wir nach einem Genehmigungsverfahren über die entsprechende Bezirksregierung selbst für die Qualifizierung sorgen.

Online-Redaktion: Während der Schulschließungen haben Sie durch ganztag@home auf sich aufmerksam gemacht...

Worbach: Ja, im Frühjahr haben wir ganztag@home entworfen. Wir wollten den Eltern eine Unterstützung bieten und den Kindern und Jugendlichen einen Anreiz, sich am Nachmittag sinnvoll und mit Spaß zu beschäftigen. In Absprache mit den Schulen und mit dem Bayerischen Kultusministerium haben wir als gfi eine gute und solide Begleitung der Schülerinnen und Schüler, die ja zu Hause waren, konzipiert. Jeden Tag gab es Aufgaben für die Kinder und Jugendlichen, die wir „Daily Challenge“ genannt haben. 

Unsere Kollegin Franziska Lang und unser Kollege Daniel Schiller haben dazu täglich ein kurzes Video mit Erläuterungen gedreht. Die Videos waren richtig nett gemacht. Da gab es das „Kinderzimmer-Sportabzeichen“, „Kinder-Yoga“, digitale Reisen nach Ägypten, Wurf- und Geschicklichkeitstraining mit Bastelanleitungen. Die Schülerinnen und Schüler konnten die Aufgaben und die Videos auf unserer Homepage nutzen.

Daneben haben wir eine „Challenge“-Hotline geschaltet. Die Schülerinnen und Schüler konnten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den jeweiligen Standorten anrufen, um Fragen zu klären oder sich unterstützen zu lassen. Am Anfang bestand das Problem, dass manche Familien ganztag@home nicht wahrnehmen konnten, weil sie gar keinen Computer zu Hause hatten. Einige Schulen wie in Würzburg haben daraufhin unsere „Daily Challenges“ auf Papier kopiert und ihren Aufgaben beigelegt, die von den Eltern abgeholt wurden.

Online-Redaktion: Wie ist die Resonanz ausgefallen?

Tolle Ideen in beanspruchenden Zeiten © gfi

Worbach: Wirklich positiv, muss ich sagen. Viele Schulleiterinnen und Schuleiter haben gesagt, dass das eine tolle Idee gewesen ist in Zeiten, die für die Familien teilweise sehr beanspruchend gewesen sind. Zum 1. Juli haben wir ganztag@home dann wieder eingestellt, aber in unserem Intranet ist alles hinterlegt, sodass unsere Standorte jederzeit schnell wieder die Angebote reaktivieren könnten.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!


Zur Person: 



Lars-Uwe Worbach, Jg. 1971, ist seit 2017 Fachbereichsleiter der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) für die Bereiche Eltern und Schule sowie Kinder und Jugend in Bamberg. Als ausgebildeter Diplom-Sozialpädagoge, Diplom-Pädagoge und Sozialwirt sammelte er Erfahrungen in der Projekt- und Seminarleitung in verschiedenen Bereichen der Jugend- und Erwachsenenbildung, der beruflichen Rehabilitation und der Kinder- und Jugendhilfe, seit 2007 in leitenden Tätigkeiten und seit 2011 als stellvertretender Einrichtungsleiter.

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