Caritas in der OGS: „Für das Wohl des Kindes“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Die Caritas ist in vielen Bundesländern ein Träger offener Ganztagsschulen. Dagmar Hardt-Zumdick vom Caritasverband für das Bistum Aachen erläutert im Interview das Engagement für Qualität im Ganztag.
Online-Redaktion: Frau Hardt-Zumdick, wie ist die Caritas in Nordrhein-Westfalen organisiert?
Dagmar Hardt-Zumdick: Wir haben fünf Diözesanverbände in NRW, in Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn.Die fünf Verbände arbeiten im engen Schulterschluss zusammen, um in der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege und gegenüber dem Land möglichst mit einer Stimme zu sprechen. Trotzdem ist jeder Verband unabhängig und setzt eigene Schwerpunkte. Für die Abstimmungsprozesse auf der operationalen Ebene haben wir Themenkonferenzen, die mit je einem Vertreter pro Verband besetzt sind. Als Spitzenverband leisten wir Fachberatung und sozialpolitische Interessensvertretung für die uns angeschlossenen Einrichtungen und Dienste wie IN VIA, den Sozialdienst Katholischer Frauen, pfarrliche Träger und regionale Caritasverbände. Wir sind allerdings nicht weisungsbefugt, unsere Träger sind autonom.
Online-Redaktion: Hat die Caritas Qualitätsstandards für Ganztagsschulen formuliert?
Hardt-Zumdick: Bis zur Einführung der OGS in 2003 wurden Schulkinder in NRW in Kindertagesstätten, den Horten betreut. Inzwischen sind es meist Träger der Jugendhilfe, die im Bereich des offenen Ganztags tätig sind. Auch die Ausgestaltung der Angebote von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Insgesamt sind wir in Nordrhein-Westfalen einer der größten Träger im OGS-Bereich.
Die Caritas NRW hat sich als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in NRW vor zwei Jahren an der Kampagne „Gute OGS darf keine Glückssache sein“ beteiligt. Wir fordern verbindliche Standards wie ein Fachkräftegebot und ausreichende Räume, eine gesetzliche Grundlage und eine ausreichende Finanzierung für die offenen Ganztagsschulen. Momentan ist das größte Problem, dass uns hinten und vorne Fachkräfte fehlen.
Online-Redaktion: Wie sieht vor Ort bei Ihnen im Diözesanverband Aachen die OGS-Trägerschaft aus?
Hardt-Zumdick: Wir sind ein relativ kleines Bistum. Es gibt 15 Träger, die an circa 100 Schulen mit über 5.000 Schülerinnen und Schülern tätig sind. In den meisten Regionen stehen die verschiedenen Träger des offenen Ganztags in einem regelmäßigen Austausch. Diesen Schulterschluss finde ich gut. Als Spitzenverband informieren wir unsere Träger über aktuelle politischen Entwicklungen. Auch haben wir eine Empfehlung erarbeitet, die die Träger bei der Verhandlung mit Kommunen nutzen können.
Online-Redaktion: Welche Chancen für Schülerinnen und Schüler sehen Sie durch den Ganztag gegeben?
Hardt-Zumdick: Es gibt in Nordrhein-Westfalen Bildungsgrundsätze für Kinder von null bis zehn Jahren, die im Kita-Bereich entwickelt worden sind. Hier sollte die OGS andocken. Eltern brauchen auch im Anschluss an den Kindergarten ein verlässliches und qualitativ gutes Angebot. Anders als in anderen Bundesländern ist in NRW die Zusammenarbeit von Schule und außerschulischen Partnern ein grundlegendes Prinzip in der Entwicklung von Ganztagsschulen. Die Kooperation von Jugendhilfe und Schule ist im Schulgesetz und im Kinder und Jugendfördergesetz gesetzlich verankert. So unterschiedlich diese beiden Systeme auch sind, bieten sich hier auch viele Möglichkeiten.
In der OGS geht es auch um die Vermittlung von nonformaler und informeller Bildung. Zugleich ging es bei der OGS seit ihrer Einführung vor 16 Jahren von Anfang an darum, Teilhabe für Kinder zu ermöglichen und Bildungschancen zu verbessern. Ich bin überzeugt, dass die OGS dazu beitragen kann, dass Kinder wirklich bessere Chancen bekommen. Es ist ein Angebot für alle, das andere Räume eröffnet und Schule anders gestaltet. Ganztagsschule ist mehr, als nur die Berufstätigkeit der Eltern zu ermöglichen.
Online-Redaktion: Welche Richtung würden Sie der Ganztagsschule wünschen?
Hardt-Zumdick: Als Nahziel braucht es erst einmal eine einheitliche Finanzierung, ein besseres Raumangebot und gleiche Standards in allen offenen Ganztagsschulen in NRW. Dann braucht es ein Konzept der Zukunft. Bisher ist in Nordrhein-Westfalen die OGS oft noch rein additiv organisiert: Morgens ist Schule und anschließend wird betreut. Wir stellen uns als Caritas eine stärkere Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe in einem über den ganzen Tag rhythmisierten Bildungsangebot für alle Schülerinnen und Schüler vor. Es gibt bereits Schulen, auch im katholischen Bereich, die etwas Neues ausprobieren. Dort sind Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen mit im Unterricht und es gibt einen Wechsel zwischen Unterricht und erlebnispädagogischen Anteilen.
Gleichzeitig wird es weitere Betreuungsformen geben müssen. Es wird immer Eltern geben, die nicht wollen, dass ihre Kinder verpflichtend für fünf Tage den ganzen Tag in der Schule sind. Sie wollen, dass ihr Kind die Möglichkeit hat, Geigenunterricht zu nehmen, in den Sportverein oder in die Jugendgruppe geht oder nachmittags zur Geburtstagsfeier der Oma. Das gilt es zu berücksichtigen. Wie das organisatorisch am besten geht, muss sich dann erweisen. Allerdings glaube ich auch, umso besser eine OGS ist, umso eher melden Eltern ihre Kinder im Ganztag an –auch, weil die Kinder das dann wollen.
Online-Redaktion: Was kann die Caritas zur Qualitätsentwicklung beitragen?
Hardt-Zumdick: Wir haben eine Arbeitshilfe erarbeitet, in der wir Qualitätsstandards beschreiben. Unsere Arbeitsgruppe ist auf NRW-Ebene gerade dabei, ein Konzept für eine gute Ganztagsbetreuung zu entwickeln. Wir wollen nicht immer nur Richtung Land kritisieren und Defizite aufzählen, sondern eigene Vorstellungen formulieren, wie ein guter Ganztag denn unserer Meinung nach sein sollte.
Das macht die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege auch, aber wir wollen aus dem spezifischen Blickwinkel katholischer Träger fragen: Was macht uns aus? Was ist bei uns vielleicht besonders im Vergleich zu anderen Trägern? Und wir wollen auf das Kind schauen. Es geht nicht nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es geht uns immer um das Wohl des Kindes. Da muss es Konzepte geben, die auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtet sind, die den Inklusionsgedanken berücksichtigen und ein neues Verständnis von Schule ermöglichen.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!
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