Hamburger Elterntag: "Schulqualität – was ist das?" : Datum: Autor: Autor/in: Claudia Pittelkow
Unterrichtsqualität, Medienpädagogik, Flüchtlingskinder: Beim 12. Hamburger Elterntag am 21.November 2015 ging es um aktuelle schulpolitische Themen.
„Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen...“ Mit diesem Song begrüßte der Schulchor des Gymnasiums Allermöheam vergangenen Samstag die Besucher des 12. Hamburger Elterntags im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Rund 70 Eltern waren gekommen, um sich einen Tag lang intensiv mit schulischen Themen zu befassen.
Dabei passte die Textzeile des Begrüßungsliedes gut zur Intention der Veranstaltung: gemeinsam daran zu arbeiten, dass Hamburgs Kinder und Jugendliche gute Schulen haben. „Das Schulgesetz bietet Eltern viele Möglichkeiten, sich einzubringen“, so Claudia Wackendorff, Vorsitzende der Elternkammer und Mit-Organisatorin der Veranstaltung. Und appellierte an die anwesenden Mütter und Väter: „Mischen Sie mit!“
Schulqualität hat viele Facetten
Der Elterntag will über aktuelle schulpolitische Inhalte informieren und greift in der Regel zentrale Themen auf, die häufig an den Schulen diskutiert werden. Dazu zählt in diesem Jahr auch die Zuwanderung von Flüchtlingen, die Schulen vor enorme Herausforderungen stellen. Zweiter Schwerpunkt ist das Thema Medienpädagogik, das in der Schul- und Berufswelt rasant an Bedeutung gewinnt.
Drittes „Dickschiff“ des 12. Elterntags ist ein Dauerbrenner – ein Thema, das im Laufe der Jahre immer wieder aufgegriffen wurde: die Unterrichtsqualität. „Schon auf unserem ersten Elterntag im Jahr 2006 war die Qualität des Unterrichts ein Schwerpunkt“, berichtet Andrea Kötter-Westphalen, im Landesinstitut für Elternfortbildung zuständig. Passend dazu wurde das Motto der diesjährigen Veranstaltung gewählt: „Schulqualität – was ist das? Auf jeden Fall facettenreich!“
Bildungssenator Ties Rabe, der auch in diesem Jahr den Elterntag besuchte, hob in seiner Ansprache die Bedeutung von gutem Unterricht hervor. „Seit vielen Jahren wird energisch darüber gestritten, was Schulqualität ausmacht, ob diese oder jene Schulform bessere Ergebnisse erzielt“, so Rabe. Dabei zeige die Forschung immer wieder, dass der Einfluss unterschiedlicher Schulstrukturen eher gering ist. Viel entscheidender für den Bildungserfolg eines Schülers oder einer Schülerin sei, ob es dem Lehrer beziehungsweise der Lehrerin gelinge, sie einzubinden und zur aktiven Mitarbeit zu bewegen. Rabe: „Jeder, der einmal zur Schule gegangen ist, kann aus eigener Erfahrung bestätigen: Entscheidend für den Lernerfolg ist die Art und Weise, wie Unterricht gestaltet wird.“
Die Workshops: Informationen und lebhafte Diskussionen
Nach der Begrüßung in der Aula strömten die Eltern in die Workshops, die in unterschiedlichen Räumen stattfanden. Bei allen drei Themengebieten stand zunächst ein kurzer Vortrag auf dem Programm, anschließend wurde diskutiert. Raum 202: Auf dem Zettel an der Tür steht „Medienpädagogik“. Knapp 20 Väter und Mütter lauschen Lehrer Dietmar Kück, der begeistert vom Pilotprojekt „Start in die nächste Generation“ berichtet, das zurzeit an sechs Hamburger Schulen getestet wird, auch an seiner Schule, der Stadtteilschule Oldenfelde.
Rund 750 Schüler werden an der offenen Ganztagsschule in den nächsten zwei Jahren digitale Lernangebote im Unterricht nutzen, und zwar auf ihren eigenen Notebooks, Tablets und Smartphones. „Wer kein eigenes Gerät besitzt, bekommt Unterstützung von der Schule“, erläutert Kück. Die Eltern sind interessiert, offenkundig auch gut informiert und stellen kritische Fragen. „Was ist mit der Strahlung des WLan-Netzes? Ist das nicht gesundheitsgefährdend?“, will etwa eine Mutter wissen.
Ein Vater erkundigt sich, ob der Datenschutz gewährleistet sei, fragt seine Sitznachbarin, ob Schülerinnen und Schüler, die kein eigenes Gerät benutzen, sondern das der Schule, sich nicht stigmatisiert fühlen. Eine Mutter aus Niendorf berichtet, dass es großen Unfrieden an der Schule ihres Kindes gegeben habe, weil 23 Eltern für die Teilnahme am Pilotprojekt waren, ein Elternpaar aber dagegen. „Das Projekt fand nicht statt“, erzählte sie. Lehrer Kück: „So sind nun mal die Bedingungen in der Pilotphase: 100 Prozent müssen einverstanden sein.“
Kritische Nachfragen ausdrücklich erlaubt
In Raum 203 wird schon eifrig diskutiert. Es geht um die Verbesserung des Unterrichts mit dem Fokus auf KERMIT („Kompetenzen ermitteln“), einem bundesweit durchgeführten Leistungstest, bei dem unter anderem Drittklässlerinnen und Drittklässler zeigen müssen, wie gut sie schreiben können. Eine Mitarbeiterin des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung versucht, den Eltern die komplizierte Materie zu erklären. „Dieser Test eignet sich nicht für ein Ranking“, warnt Wissenschaftlerin Franziska Thonke. Die Ergebnisse seien nur für den schulinternen Gebrauch, nicht für die Öffentlichkeit gedacht.
Hauptfunktion des Tests sei die Unterrichtsentwicklung: Die Testergebnisse sollen den Lehrkräften Rückmeldung über die Leistungen ihrer Schüler geben, sodass Defizite rechtzeitig erkannt und im Unterricht gezielt aufgearbeitet werden können. Ein Vater fragt kritisch: „Sind die Lehrer denn überhaupt in der Lage, diese Daten zu interpretieren?“ Ein anderer will wissen, ob er nicht das Recht habe, das Ergebnis seines Kindes zu erfahren. Eine junge Mutter fürchtet: „Führen diese Tests, wenn mein Kind schlecht abschneidet, nicht zu großem Frust?“
Herwig Sünnemann, didaktischer Leiter der Stadtteilschule Bergedorf – seit 2012/2013 teilgebundene Ganztagsschule –, berichtet von seinen konkreten Erfahrungen mit KERMIT, Wissenschaftlerin Thonke geht auf jede Frage im Detail ein, eine lebhafte Diskussion kommt in Gang.
Aktuelles Thema: Unterricht für Flüchtlinge
Im dritten Themen-Raum steht die Beschulung von Flüchtlingen im Mittelpunkt des Interesses. Eine Lehrerin einer Internationalen Vorbereitungsklasse (IVK) – so heißen in Hamburg die Lerngruppen, in denen Flüchtlingskinder auf den Unterricht in einer Regelschule vorbereitet werden – erzählt aus ihrem Alltag: Kinder und Jugendliche unterschiedlichster Herkunft, unterschiedlichsten Alters, viele mit traumatischen Fluchterlebnissen, die meisten ohne Deutschkenntnisse – kann Unterricht unter diesen Bedingungen funktionieren?
„Ja, er kann!“, betont Hülya Ösün, die seit 25 Jahren an der Ganztagsstadtteilschule Mümmelmannsberg unterrichtet. „Die meisten Kinder sind höchst lernmotiviert, sie wollen es unbedingt schaffen, sie sind so ehrgeizig, dass es unseren einheimischen Schülern schon fast fremd ist.“ Die Eltern hören aufmerksam zu, man merkt, dass viele besorgt sind angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation. Eine Mutter berichtet, dass an ihrer Schule bald eine IVK-Lehrerin anfängt. „Die ist so jung und hat bestimmt noch nie Flüchtlinge unterrichtet. Schafft die das überhaupt?“
Andreas Heintze, in der Hamburger Schulbehörde für Fragen rund um die „Flüchtlingsbeschulung“ zuständig, erläutert, was die Stadt bereits getan hat: „Wir haben die Lehrerfortbildung deutlich ausgeweitet, außerdem steht allen Lehrkräften die Beratungsstelle für interkulturelle Erziehung am Landesinstitut zur Verfügung. Auch hier wurde erheblich aufgestockt“, so Heintze.
Der Marktplatz: Miteinander ins Gespräch kommen
Während in den Workshops noch eifrig diskutiert wird, ist bereits der sogenannte „Marktplatz“ aufgebaut. Hier stellen sich unterschiedliche Initiativen vor, die die Mitwirkung von Eltern unterstützen und beratend tätig sind, darunter die Gemeinschaft der Elternräte an Hamburger Stadtteilschulen (GEST), die Vereinigung der Elternratsvorsitzenden Hamburger Gymnasien (VEHG), das Netzwerk der Paten- und Mentoringprojekte (mentor.ring), die Elternfortbildung des Landesinstituts und die Elternkammer.
„Wir möchten die Eltern nicht nur informieren, sondern ihnen auch die Möglichkeit bieten, miteinander ins Gespräch zu kommen“, betont Andrea Kötter-Westphalen vom Landesinstitut. „Außerdem sollen die Eltern Ideen und Werkzeuge an die Hand bekommen, um die Schule ihres Kindes mitzugestalten und weiterzuentwickeln“, ergänzt Elternkammer-Vorsitzende Claudia Wackendorff.
Dieser Plan scheint aufzugehen: Nach den Workshops kommen viele Eltern ins Gespräch, diskutieren weiter, tauschen Telefonnummern aus. Eine gelungene Veranstaltung also? „Auf jeden Fall“, sagt Andrea Kötter-Westphalen, die den Elterntag seit mittlerweile fünf Jahren begleitet. Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: „Ich erinnere mich an den Elterntag 2010, da hatten wir 150 Teilnehmer“, so Kötter-Westphalen. In diesem Jahr hat sich knapp die Hälfte angemeldet.
Am mangelnden Engagement liege das nicht, ist sich Claudia Wackendorff sicher. „Ich denke, es liegt eher am Format der Veranstaltung und an der zeitlichen Belastung. Immer mehr Eltern sind voll berufstätig und möchten den Samstag mit den Kindern verbringen.“ Professor Dr. Josef Keuffer, Direktor des Landesinstituts und Gastgeber der Veranstaltung, möchte reagieren. „Wir haben bereits im letzten Jahr geplant, etwas am Format des Elterntags zu verändern. Ich denke, jetzt ist es an der Zeit.“
Kategorien: Bundesländer - Thüringen
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