Grundschule Am Albertschacht: Aus Überzeugung an einem Strang ziehen : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg
Die gute Zusammenarbeit mit den Eltern und anderen Kooperationspartnern ist das Fundament, auf dem die Ganztagsschulangebote der Grundschule Am Albertschacht im sächsischen Freital-Wurgwitz ruhen.
Wenn eine Schule mit ihren zahlreichen Projekten und Aktionen überzeugt und unter anderem 2008 beim bundesweiten Wettbewerb "Zeigt her eure Schule" der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) einen Preis für ein gelungenes Partizipationsprojekt gewonnen hat, dann sollte man eigentlich annehmen, dass diese Schule als Schmuckstück der Kommune in ruhigem Fahrwasser schwimmt. Aber weit gefehlt: "Wir kämpfen um unser Dasein", erklärte Dr. Mischa Steinhardt, Vorsitzender des Fördervereins der Grundschule "Am Albertschacht" im sächsischen Freital-Wurgwitz auf der Tagung "Ehrenamtliches Engagement an sächsischen Schulen mit Ganztagsangeboten stärken - Freiwilligenarbeit koordinieren" am 19. Oktober 2010 in der Evangelischen Akademie Meißen. Hier stellteer zusammen mit Schulleiterin Kerstin Möller die Schule vor.
Wenn im Gemeindesrat aufgrund sinkender Schülerzahlen die Schließung einer Grundschulegesprochen wurde, musste die Grundschule "Am Albertschacht" stets fürchten, dass es sie treffen würde. So speist sich das große Engagement in der zweizügigen Schule mit ihren 135 Schülerinnen und Schülern aus zwei Quellen: Zuerst natürlich aus dem Bedürfnis, den Kindern die bestmögliche Schulzeit zu bieten, aber eben auch aus einem "Überlebenstrieb".
Weg vom "Ich und meine Klasse", hin zum "Wir und unsere Schule"
Die neun Lehrerinnen, ein Lehrer, eine Comenius-Fremdsprachenassistentin, die Eltern, die Pädagogischen Partner und eben auch die Ehrenamtlichen ziehen dafür alle Register. 2006 führte man die Ganztagsschule ein, denn "wir wollten Rhythmisierung, Öffnung der Schule, Hausaufgabenförderung und Kooperationen", erinnert sich Schulleiterin Möller. "Wir wollten weg vom ,Ich und meine Klasse' und hin zum ,Wir und meine Schule'."
Die vielfältigen Angebote, welche das Kollegium in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern unterbreitet, sind in drei Module eingeteilt. Das erste Modul listet die Aktivitäten der "Leistungsdifferenzierten Förderung und Forderung" auf: Verstärkte individuelle Förderung in Klasse 1, Talenteförderung zum Beispiel durch Wettbewerbe und Theatertage, Begabtenförderung wie dem "Känguru"-Mathematikwettbewerb, Leseförderung, Rhythmisierung des Unterrichts, differenzierte Hausaufgabenbetreuung, Zuhörförderung durch den Hörclub und einen Miniclub für neue Schulanfänger.
Die Angebote der Leseförderung richten sich nach der Jahrgangsstufe: In der Klasse 1 verfolgt die Leseförderung das Ziel, jede Schülerin und jeden Schüler im Verlauf des Schuljahres zum Sinn erfassenden Lesen zu befähigen. Hierbei kommt die Lesekiste zum Einsatz, die Lesebüchlein in drei Differenzierungsstufen enthält. Die Kinder, die sämtliche Lesebüchlein am Ende des ersten Schuljahres gelesen haben, erhalten den Titel "Lesemeister" und dürfen den Kindern aus der Kindertagesstätte vorlesen. "Die Kinder entwickeln einen so ungeheuren Ehrgeiz, Lesemeister zu werden, dass wir da manchmal schon bremsen müssen", hat Kerstin Möller beobachtet. "Wenn sie es geschafft haben, sind sie richtig stolz, im Kindergarten vorlesen zu dürfen."
"Projekte erweitern den Horizont der Kinder"
In der Klasse 2 legen sich die Schüler eigene Lesetagebücher an. Sie notieren, welche Bücher sie lesen, wovon die Bücher handeln und ob sie ihnen gefallen haben. Dazu bietet die Bibliothekarin eine Einführung in die Schulbibliothek an, die durch einen Leseausflug in die Bibliothek Freital-Zauckerode ergänzt wird. "Bibliothekszubehör und Bücher haben wir durch den Ganztagsschuletat angeschafft", berichtet Schulleiterin Möller. Schließlich lesen die Schülerinnen und Schüler den Eltern in der Schule vor. Zudem können die Kinder ab der Klasse 2 an der Schülerzeitung mitarbeiten, die mit Hilfe der Druckerei Lößnitz-Druck zweimal jährlich erscheint und Schulereignisse, die Arbeitsgemeinschaften und örtliche Firmen vorstellt.
Die Lesestunden finden ihre Fortsetzung in den 3. Klassen, die gemeinsam mit den Eltern eine Lesenacht organisieren. Der schuleigene Hörclub "Wurgwitzer Hörfrösche" produziert dafür eigens ein Hörspiel, das die Kinder in Zusammenarbeit mit Rundfunkjournalisten aufnehmen. "Unsere Schülerinnen und Schüler sind auch zu einem Treffen der Stiftung Lesen in Frankfurt am Main gefahren, bei dem auch der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler dabei war. Dort trafen sie auf eine Schule mit einem Migrationsanteil von 90 Prozent. Solche Projekte und Begegnungen erweitern den Horizont der Kinder", berichtet Kerstin Möller.
In Klasse 4 absolvieren die Schülerinnen und Schüler mehrere Projektwochen bei der "Sächsischen Zeitung" im Rahmen eines fächerübergreifenden Unterrichts. "Es ist faszinierend zu sehen, wie schnell die Kinder an das Lesen kommen", meint Mischa Steinhardt.
Erste Kneipp-Schule in Sachsen
"Unterrichtsergänzende Angebote und Projekte" bilden das zweite Modul. Hier kommen außerschulische Partner wie Landschaftsarchitekten, Rundfunkjournalisten, Theaterpädagogen, der Schulförderverein, Eltern und Großeltern ins Spiel kommen. Das mit Hilfe einer Floristin gepflegte Grüne Klassenzimmer, das Projekt "Schüler und Zeitung" sowie Kunst, Musik und Theater bilden hier die Pfeiler. Für die Anlage eines Schulteiches erhielten die Schülerinnen und Schüler 2008 den "Zeigt her eure Schule"-Preis mit 3.000 Euro Preisgeld.
Die Grundschule am Albertschacht engagiert sich auch als Kneipp-Projektschule und erhielt im September 2009 als erste sächsische Schule die Urkunde des Kneipp-Bundes als "Anerkannte Schule". Im Februar 2009 hatten sämtliche Kolleginnen und Kollegen eine Fortbildung während der Winterferien genutzt, um sich über Entspannungstechniken, Kräuter, gesunde Ernährung und Bewegung zu informieren. Mit dem Schuljahr 2009/2010 setzte man ein Kneipp-Konzept um. An Projekttagen bereiteten die Erstklässler zusammen mit Müttern ein gesundes Frühstück zu. Die größeren Kinder ernteten Kräuter und Salat im Schulgarten. Wasseranwendungen und Entspannungsübungen ergänzten den Tag.
In der Theater-AG erarbeiten die Schülerinnen und Schüler von November bis Januar ein Stück, das sie dann von März bis Mai proben und dann aufführen. Die Kinder nahmen bereits am Grundschultheatertag teil und spielten bei der 800-Jahre-Feier von Freital-Wurgwitz.
"Das ganze Dorf war da"
"Über die Eltern läuft in unserer Schule sehr viel. So eine dörfliche Lage hat auch Vorzüge - man kennt sich und kann schnell Kontakte knüpfen und vermitteln. So engagieren sich beispielsweise musizierende Eltern in unseren Arbeitsgemeinschaften und Projekten, und sie organisieren den Tag der offenen Tür und den Abschlusswandertag", berichtet der Fördervereinsvorsitzende. Kerstin Möller ergänzt: "Zu Beginn der Ganztagsschule haben wir nach Partnern für die AGs gesucht; inzwischen vermitteln uns die Eltern die Kräfte."
Die Eltern haben gemeinsam mit den Lehrkräften und den Erzieherinnen auch das Schulprogramm 2009 entwickelt. Die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten hat Spuren bei den Lehrerinnen und Lehrern hinterlassen: "Die Schulinspektion war bei ihrem Besuch an unserer Schule erstaunt über die Offenheit unserer Kolleginnen und Kollegen", erzählt die Schulleiterin. "Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind es nun mal gewohnt, mit Partnern zusammen zu arbeiten. Sie haben auch das Potential dieser Kooperationen erkannt."
Im Oktober 2008 sorgte der Projektzirkus für Aufsehen im ganzen Ort, als in Kooperation mit Zirkusleuten für mehrere Tage ein Zirkuszelt an der Schule aufgebaut wurde, wobei 40 Eltern beim Aufbau mithalfen. "Die Zirkusleute waren überrascht, wie schnell der Aufbau ging", erinnert sich Mischa Steinhardt. Bei diesem Projekt proben Zirkusleute mit den Schulkindern Kunststücke ein, die sie dann in öffentlichen Vorstellungen vorführen. Die drei Auftritte in Freital-Wurgwitz waren restlos ausverkauft. "Das ganze Dorf war da", meint Steinhardt, "und dieser Zirkus beeindruckte auch die Skeptiker in der Stadt. Solche Projekte denkt sich niemand am Schreibtisch aus, sondern sie entstehen aus den Ideen und Vorschlägen der Kinder."
Filmreife Schule
Das dritte Modul ist der Freizeitbereich, dass heißt die vielfältigen Arbeitsgemeinschaften, die von Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen, Eltern und Kooperationspartnern angeboten werden: Judo, Tischtennis, Tanzen, Unihockey, Chor, Kunst, Keramik, Basteln, Handarbeit, Kochen und Backen, Korbflechten, Knobeln, Englisch, Schach, Internet oder Schülerzeitung sind einige der Angebote am Nachmittag.
So viel Engagement blieb auch überregional nicht verborgen. Im Mai 2008 kam ein Drehteam in die Grundschule am Albertschacht, um diese Ganztagsschule in dem Film "Nutze den Tag" des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über sechs Ganztagsschulen in Sachsen vorzustellen. Im Dezember 2008 fand die Premiere des Films mit Gästen aus dem Kultusministerium in der Schule statt.
"Der Acker war eigentlich schon vor der Einführung der Ganztagsschule 2006 durch die gute Elternarbeit bestellt", erklärt Schulleiterin Möller, die für Mischa Steinhardt, die "treibende Kraft" hinter der Schulentwicklung ist. Sie verfüge über Begeisterungsfähigkeit und eine gute Menschenführung. "Man wird in dieser Schule als Elternvertreter gerne gesehen und gehört. Wenn ich ernst genommen werde, dann mache ich auch gerne mit", meint der Fördervereinsvorsitzende. "Und wenn alle an einem Strang ziehen, ist es erstaunlich, was Kinder leisten und welche Begeisterung sie entwickeln."
Kategorien: Ganztag und Grundschule - Qualitätsdialog zum Ganztag
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