Ganztag in Seevetal: Keine Pause in den Ferien : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke
Jetzt warten „Kunstwoche“ und „Verkehrswoche“. Im Sommer gab es die „Wasserwoche“, die „Bienenwoche“ und vieles mehr. Die Gemeinde Seevetal bietet fast ohne Pause eine Ferienbetreuung für Grundschulkinder an. Wie gelingt ihr das?
„Seevetal ist eine Gemeinde im Landkreis Harburg in Niedersachsen. Sie ist benannt nach dem Fluss Seeve. Seevetal ist die bevölkerungsreichste Gemeinde im Landkreis Harburg und auch die bevölkerungsreichste Gemeinde Deutschlands, die nicht den Titel Stadt trägt.“ So liest, wer auf Wikipedia nach Fakten zu der 19 Ortsteile mit rund 43.000 Einwohnerinnen und Einwohnern umfassenden Gemeinde sucht. Eltern und Grundschulkinder würden den Eintrag wohl um einen für sie wesentlichen Punkt ergänzen: „Seevetal ist die Gemeinde, die ein Vorbild für viele in Sachen Ferienbetreuung darstellt.“
Im „Haus der Ruhe“, welch wunderbarer Name, treffen wir Rosi Birke, die Leiterin der Ferienbetreuung, die für die Gemeinde hauptamtlich die Betreuung der Kids organisiert. Sie hat viel zu tun, soviel, dass die Gemeinde ernsthaft darüber nachdenkt, ihr Unterstützung an die Seite zu stellen. Das sagt Markus Heinrich, der Leiter der Abteilung Jugend der Gemeinde Seevetal. Gemeinsam mit Daniela Deichen, der Leiterin der Stabsstelle für Digitalisierung, Verwaltungsmodernisierung und Organisation der Gemeinde, hat er sich ebenfalls Zeit genommen, um uns Idee und Konzept der Ferienbetreuung vorzustellen. Es ist ein Beleg für die Bedeutung, die man ihr hier beimisst. Auch, wenn es „nur“ um einige Wochen im Jahr geht, die organisiert sein wollen.
Eine familienfreundliche Gemeinde
Rund 6.000 Euro lässt sich die Gemeinde den Ferienspaß für Grundschulkinder jährlich kosten. In diesen Ausgaben befinden sich erstmal nur Frühstück, Mittag, ein Snack, Getränke und benötigtes Material zum Basteln. Die Personalkosten und die Kosten für die Bewirtschaftung der Gebäude werden aus dem laufenden Haushalt übernommen. Zum Personal gehören bis zu 13 Personen pro Ferien: zwei Erzieherinnen, vier pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Honorarkräfte, die in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden, sei es in der Küche oder der Betreuung. Das ermöglicht der Gemeinde, für die Kinder ihrer sieben Grundschulen, von denen fünf als offene Ganztagsschulen arbeiten, neun von zwölf Ferienwochen im Jahr Betreuung anbieten zu können.
Seevetal tut das voller Überzeugung. „Wir haben uns den Leitsatz auf die Fahnen geschrieben, eine familienfreundliche Gemeinde zu sein“, erläutert Markus Heinrich. Also schaut die Gemeinde, was Eltern benötigen. Schnell haben die Verantwortlichen vor mehr als einem Jahrzehnt erkannt, dass es für berufstätige Eltern geradezu unmöglich ist, die Betreuung ihrer Kinder während der gesamten Ferien auf die Beine zu stellen. Dass die Eltern oder Sorgeberechtigten berufstätig sind, ist die einzige Bedingung, damit ihre Kinder sich an den Angeboten erfreuen können. „Allerdings“, schmunzelt Daniela Deichen, „müssen sie noch etwas sein: und zwar schnell.“
Denn die Nachfrage nach den Plätzen ist riesig. „Wer zuerst kommt, malt zuerst“, heißt es humorvoll in kleiner Abwandlung der bekannten Redewendung. Denn Malen gehört zu den beliebten Aktivitäten in allen Ferienprojekten. Mehr als 130 der insgesamt 1.581 Grundschülerinnen und Grundschüler konnten in den Sommerferien dieses Jahres täglich von 7.30 bis 16 Uhr betreut werden. „Dauerhaft kommen wir nicht darum herum, unser Angebot auszubauen“, weiß Markus Heinrich. Daniela Deichen ergänzt: „Denn viele Eltern, die nach Hamburg ziehen wollen, suchen inzwischen im Umland Wohnraum und damit natürlich auch Ganztagsschulen, Kitas und eben Betreuungsangebote in den Ferien. Seevetal wächst.“
Schöne Ferien erleben
Als Rosi Birke vor zehn Jahren gefragt wurde, ob sie sich vorstellen könnte, die Ferienbetreuung für die gesamte Gemeinde zu organisieren, ahnte sie nicht, dass dies der Startschuss für eine Erfolgsgeschichte sein würde. Sie überlegte durchaus, ob sie ja sagen solle. Denn Rosi Birke ist im positiven Sinne „kinderverrückt“. Das Beste ist für die Leiterin der Ferienbetreuung gerade gut genug. Wobei für sie „das Beste“ nicht für teuer steht. „Die Kinder müssen sich wohl und sicher fühlen. Das, was wir anbieten, muss ihnen Freude bereiten. Sie sollen schöne Ferien erleben“, sagt sie.
Sie rückt von diesem Ziel bei der Zusammenstellung der Angebote und bei der Auswahl des für die Ferien engagierten Personals keinen Deut ab. „Die Qualität hat sich herumgesprochen“, strahlt der Abteilungsleiter Jugend, wissend, dass sich die Politik über diese Form des Standortmarketings und den damit verbundenen Standortvorteil durchaus bewusst ist. Allein schon aus personellen Gründen entschied man sich, die größte aller Ganztagsgrundschulen, die Grundschule Meckelfeld, als zentralen Veranstaltungsort der Ferienangebote zu nutzen. Die Eltern der Kinder, die eine andere Schule besuchen, nehmen die tägliche Fahrzeit gerne in Kauf, bilden mitunter Fahrgemeinschaften.
Ihr Nachwuchs kommt zumeist strahlend nach Hause und sprudelt: „Heute haben wir…“ Im heißen Sommer dieses Jahres faszinierte viele Kinder besonders die Woche 2, „Die lustige Wasserwoche“: Fünf Tage lang stand der Spaß mit Wasser im Mittelpunkt. Torben Piper, in der Gemeinde ansonsten zuständig für die offene Jugendarbeit und die Hausaufgabenbetreuung im Jugendzentrum AKI Aktiv-Spiel-Platz, einer Einrichtung der Jugendpflege der Gemeinde Seevetal, die mit der Ganztagsschule Meckelfeld kooperiert, ist ein Technik-Freak. Also ließ er sich nicht zweimal bitten und baute eine „Waschanlage“, durch die die Kinder mit Roller und Gokart fahren konnten.
Die schuleigene Rutsche wurde zur Wasserrutsche mit einer durch eine Folie verlängerten „Ausrutschstrecke“ umfunktioniert, ein altes Boot zum Pool, und mit der Wasserspritze ließen sich wunderbare Spiele organisieren. Diese fanden auf dem Mini-Fußballfeld hinterm „Haus der Ruhe“ statt. Und mit der Ruhe war es erst einmal vorbei. „Doch gibt es etwas Schöneres als fröhliche Kinder?“, fragt Rosi Birke und erwartet nicht ernsthaft eine Antwort. Ruhe fanden die Kinder, wenn es ihnen zu wild wurde, im Snoozle-Raum, wo sie bei wechselndem Licht wunderbar entspannen konnten.
Bienenwoche und Schneckenkunde
„Frau Rosi“, wie die agile Leiterin von den Kindern gerne gerufen wird, weiß: „Wenn die Kinder spielen, lernen sie auch.“ Beispielsweise, wenn gemeinsam gekniffelt wird. Die Jüngeren lernen zählen, unterstützt von den Älteren. Und wenn „Bienenmama“ Andrea Kallweit in der ersten Ferienwoche mit ihren Bienen kommt und gemeinsam mit den Ferienkindern Honig schleudert, ist das Naturkunde pur. Folgerichtig steht in jedem Jahr ein Tierthema auf dem Ferienprogramm. So auch, als sich die Kleinen die Nase an den Gläsern mit von Rosi Birke gesammelten Schnecken plattdrückten und gespannt beobachteten, was die Türe so verputzen. Natürlich wurden die Langsamkriecher später wieder in die Freiheit entlassen.
Und sicher ist es auch Bildung, wenn in der dritten Ferienwoche alte Spiele wiederentdeckt wurden: Murmeln, Wikingerschach oder Sockenweitwurf gehörten dazu. In den Genuss von Seidenmalerei kamen künftige Erstklässlerinnen und Erstklässler. Auch für sie werden Angebote entwickelt. „Wohin sollen sie in den gesamten Ferien? Sie sind keine Kita-Kinder mehr, aber auch noch keine Grundschulkinder“, meint Birke, die weiß, dass sich für diese Übergangszeit oft niemand zuständig fühlt. Auch sie kommen daher in den Genuss eines wechselnden Programms, das ein Teilstück des Kreislaufs der Themen darstellt.
„Wir können und wollen nicht immer alles neu kaufen. Also nutzen wir Dinge im Turnus wieder“, sagt die Leiterin der Ferienbetreuung und zeigt uns den prall gefüllten Lagerraum. Aktuell kostet die Teilnahme an der Ferienbetreuung pro Kind 80,25 Euro pro Woche. Rund 30 Euro fließen in die Verpflegung, die täglich mit einem gemeinsamen Frühstück startet. „Damit werden wir angesichts der steigenden Preise künftig nicht mehr hinkommen“, wissen die Markus Heinrich, Daniela Deichen und Rosi Birke. Wer Anspruch auf staatliche Unterstützung hat, kann davon ausgehen, dass zumindest die Betreuungskosten durch das Bildungs- und Teilhabepaket übernommen werden.
Herbstferien in Sicht
Die Sommerferien sind gerade vorüber und den Kindern bestens in Erinnerung. Eines treffen wir vor der Schule. Es erinnert sich sehr gerne: „Es war cool, besonders das Spielen und Matschen mit Wasser“, erzählt es uns und entschuldigt sich dafür, nicht mehr zu erzählen: „Muss in die Klasse.“
Derzeit freuen sich die Seevetaler schon auf die Herbstferien. Denn dann steht wieder die „Kunstwoche“ mit dem Herstellen von Gipsschalen, in denen Fundstücke von einem gemeinsamen Ausflug nach Harburg gesammelt werden, bevor. In der zweiten Woche kommt die Polizei – in Person von Stefanie Jahnert: Sie ist zuständig für die Verkehrserziehung, inklusive Begutachtung der Fahrräder, ihrer gegebenenfalls erforderlichen Reparatur und begleitendem Fahren zur Steigerung der Sicherheit im Straßenverkehr. So schön und lehrreich können Ferien sein – auch vor Ort.
Kategorien: Ganztag vor Ort - Berufsorientierung
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