G 8 zwischen "Klein-Chicago" und ICE-Trasse : Datum: Autor: Autor/in: Peer Zickgraf

Ausgerechnet ein privater Elternverein wagte in Düsseldorf die Gründung einer Gesamtschule, die allen Beteiligten in einem sozial bunten Stadtviertel, in dem es nicht immer einfach ist, echtes Können abverlangt.

Wie macht man ein Gymnasium - gar eine G8-Schule - in einem bunten und sozial sehr gemischten Stadtteil? Im Düsseldorfer Süden ist das Freie Christliche Gymnasium dabei zu beweisen, dass gute Schule auch dort gelingen kann. Rund 500 Meter Luftlinie von der Gesamtschule entfernt liegt das Gymnasium, eingebettet zwischen einem Wohngebiet und einem Gewerbegebiet und der ICE-Zugtrasse.

Durch seine voll verglaste und hellgrau glänzende Außenfassade weckt das Gebäude auf den ersten Blick den Eindruck eines Dotcom-Unternehmens im Silicon Valley, dessen täglich Brot die Globalisierung ist, also die Meisterung des technologischen und wirtschaftlichen Wandels im Computerzeitalter.

Sein nagelneues Schulgebäude, das erst im März 2008 bezogen wurde, bietet Platz für rund 800 Schülerinnen und Schüler, doch man hat den Eindruck, dass es viel mehr sind. Die Schülerschaft ist dementsprechend multikulturell. Ob die Schülerinnen und Schüler nun jüdischen, muslimischen oder christlichen Glaubens sind - auf dem Gymnasium pflegen sie einen respektvollen Umgang miteinander. Somit ist die Schule auch ein Spiegel des Global Village.

Jenseits von Kreide und Tafel

"Schule ist im 21. Jahrhundert auch ein Unternehmen", so das pädagogische Credo auf der Homepage des Freien Christlichen Gymnasiums. Schulleiter Uli Marienfeld fügt hinzu: "Wir trainieren die Kinder und Jugendlichen für das Leben: Sie sollen das Bewusstsein erarbeiten und besitzen, später einen eigenständigen, ,immer lernenden' Weg im Leben gehen zu können."

"Schule kann ganz anders aussehen, als wir sie kennen", so der engagierte Schulleiter. "Wichtig ist, dass die Leute Mut dazu haben." Kreide und Tafel sind dementsprechend aus der Schule verbannt worden. Die schlanken und lang gezogenen Säulen im Außen- und Innenbereich der Schule, auf denen das Hauptgebäude quasi zu ruhen scheint, vermitteln neben Modernität auch den Eindruck von zeitloser Klassik und Exklusivität.

"Wir wollten einen Bau mit angenehmen hellen Farben und zeitloser Architektur", bestätigt Wolfgang Frommann, Vorsitzender des Rheinisch-Bergischen Vereins Freie Christliche Schulen e.V., des Schulträgers. Das Freie Christliche Gymnasium verfügt seit Aufnahme des Schulbetriebs im Jahr 2003 über die neueste Technologie. Jedes Klassenzimmer hat eine elektronische Tafel sowie einen drahtlosen Zugang zum Internet.

"Bloß weil sich Kreide und Tafel seit 200 Jahren bewährt haben, heißt das nicht, dass sie up to date sind", meint Marienfeld. "Wir leben in einer anderen Zeit, was nicht bedeutet, dass wir jeden Hype mitmachen und immer die Schnellsten sein müssen". Damit ist die Vision einer Schule im digitalen Zeitalter, in dem Schüler wie Lehrer sich ausschließlich elektronischer Medien bedienen, hier schon beinahe Wirklichkeit geworden.

IZBB fördert Grundschulen und Hauptschulen in NRW

Dass die Schule die ersehnten Bundesmittel aus dem Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) nicht bekommen hat, liegt übrigens daran, dass jedes Land seit dem Start des IZBB die Möglichkeit hat, eigene Schwerpunkte beim Ausbau der Ganztagsschulen zu setzen. Der Löwenanteil der Förderung entfiel in Nordrhein-Westfalen auf den Ausbau der Ganztagsgrundschulen, gefolgt von den Hauptschulen.

Erst jüngst hat die nordrhein-westfälische Landesregierung ein eigenes Ganztagsschulprogramm aufgelegt, das in den Jahren 2009 und 2010 zusätzlich 175 Millionen Euro zur Verfügung stellt, die auch dem Ausbau der Gymnasien zugute kommen. In jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt werden zum 1. August 2009 und zum 1. August 2010 beginnend mit den 5. Klassen eine gebundene Ganztagsrealschule und ein gebundenes Ganztagsgymnasium eingerichtet.

Ein privater Schulträger - mehrere Schulformen

So war das Freie Christliche Gymnasium Düsseldorf ausschließlich auf die private Initiative der Eltern angewiesen. Der Verein mit Sitz in Hilden ist übrigens aus einer Elterninitiative hervorgegangen, in der sich bekennende und engagierte Christen Mitte der 1980er Jahre für eine private Ersatzschule stark gemacht haben. Nachdem der Trägerverein 1990 erst eine Grundschule gründete (heute eine erfolgreiche zweizügige Grundschule mit 180 Kindern), erwarb er im Jahr 1994 von der Stadt Düsseldorf für den symbolischen Preis von einer Mark das asbestverseuchte und sanierungsbedürftige Gebäude einer alten Hauptschule.

Uli Marienfeld
Der Direktor des Gymnasiums, Uli Marienfeld © Freies Christliches Gymnasium Düsseldorf

Aus dem sanierten Gebäude ging dann eine vierzügige Gesamtschule im Düsseldorfer Süden hervor. Schon seinerzeit stand die Gründung eines Gymnasiums für den privaten Schulträger auf der Agenda, 2003 nahm man die Gelegenheit wahr, ein heute vierzügiges Gymnasium zu gründen.

In 12 oder 13 Jahren zum Abitur

Die Oberstufe der Freien Christlichen Schule Düsseldorf (Gesamtschule) wurde vor drei Jahren dem Gymnasium zugeordnet. Neben ehemaligen Gesamtschülern nehmen vor allem Absolventen benachbarter Realschulen in der 11. Klasse zusammen mit den Gymnasiasten den Besuch der gymnasialen Oberstufe auf.

Erstmals wurde im Schuljahr 2001/2002 in der Gesamtschule die Abiturprüfung abgelegt. Als im Jahr 2003 schließlich die Gründung des Gymnasiums gefeiert werden konnte, teilten sich vorerst die Gesamtschule und das Gymnasium die Räume in der Fürstenberger Straße. Bis März 2008 koexistierten mehrere Klassen unter einem Dach in den Räumen der Gesamtschule und angemieteten Räumen der Evangelischen Kirchengemeinde Düsseldorf.

Künftig können die Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule das Abitur nach dreizehn Jahren ablegen. Am Gymnasium (aktuelle Jahrgangsstufe 8 und jünger) wird das Abitur unter G8-Bedingungen in 12 Jahren erreicht.

Aus Sicht des Lehrerkollegiums wiederum ist die Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf das Zentralabitur so etwas wie ein Lackmustest, an dem die Eltern die Qualität einer Schule messen. Immerhin haben die beiden Jahrgänge mit über 50 Schülerinnen und Schülern das erste Zentralabitur sehr erfolgreich bestanden.

Schule darf auch Spaß machen

Für Uli Marienfeld und sein Kollegium kommt es darauf an, dass die Kinder in einer Schule lernen, die Spaß macht. Marienfeld, der auch in den USA studiert hat, bedauert es, dass man sich in Deutschland stets dafür entschuldigen müsse, dass Schule auch Spaß machen dürfe. Gute Schulen, die zugleich leistungsfähiger sind, betonen aber die positiven, lebendigen Seiten der jungen Menschen: "Die amerikanischen Lehrkräfte sagen, was die Kinder können, die deutschen sagen, was sie nicht können."

Eine solche Schule müsse nicht immer schön sein: "Ich lebe nicht auf Wolke sieben", so der Schulleiter. Sein jüngster Sohn besuche aber die Schule nicht zuletzt deswegen, weil er sich dort "menschlich angenommen" fühle.

Doch diese, dem Menschen mehr zugewandte Schule, hat das gewisse Etwas. Erstens ist das Gymnasium nicht zufällig eine Ganztagsschule, die mehr Zeit und bessere Raumangebote mitbringt, und zweitens zeichnet sie sich durch eine entsprechende Organisation aus. Darin spielt die Rhythmisierung laut Marienfeld eine zentrale Rolle. Den dafür notwendigen Spielraum räumt der Schulträger ein.

Spielraum für den rhythmisierten Ganztag

Raum und Zeit spielen dabei Hand in Hand. So lernt in jedem Flur des jüngst bezogenen Schulgebäudes ein kompletter Jahrgang. In räumlicher Nähe angeschlossen ist jeweils ein Raum für die Lehrerinnen und Lehrer, die so genannten "Lehrerarbeitsstationen". Ein Team von rund sieben bis acht Lehrkräften trägt jeweils die Verantwortung für rund 100 Schülerinnen und Schüler.

Das bedeutet auch, dass die Fachlehrer nicht mehr für einzelne Klassen verantwortlich sind, sondern für einen ganzen Jahrgang. "Wenn sie sich über einzelne Schülerinnen und Schüler austauschen, dann nicht mehr nur mit Blick auf mögliche Mathe-Probleme des Kindes, sondern auch mit Blick auf die Stärken eines Schülers in Sport oder anderen Fächern", erläutert Uli Marienfeld. Die jungen Lehrkräfte, die im Schnitt vier bis fünf Jahre Berufspraxis haben, lernen so von Anfang an den ganzheitlichen Blick auf die Schülerinnen und Schüler. Selbstverständlich sind die Lehrerinnen und Lehrer nicht nur in der Unterrichtszeit in der Schule, sondern sind darüber hinaus zu Gesprächen und Begegnungen anwesend.

"Wir haben überwiegend Doppelstunden à 90 Minuten", so Marienfeld. Lediglich in den Klassen fünf bis sieben gibt es täglich drei Kurzstunden à 35 Minuten in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik sowie Englisch und der 2. Fremdsprache. Durch die Doppelstunden ist es möglich, dass die Klassen auch außerschulische Lernorte aufsuchen: "Ziel der Schule ist es, dass die Kinder und Jugendlichen lernen, vernünftige Fragen zu stellen", erläutert der Schulleiter.

Der Tagesrhythmus des Gymnasiums

Block 1
8.00 - 10.00 Uhr für Klassen 5 - 7  8.00-8.40 Uhr
(8.45-9.20 Uhr   9.25-10.00 Uhr - Kurzstunden)
(8.30 - 10.00 Uhr für Klassen 8 - 13 - 20 Minuten Frühstückspause)
                                                        
Block II
10.20 - 11.50 Uhr

40 Minuten Mittagspause

Block III
12.30 - 14.00 Uhr

15 Minuten Kaffeepause

Block IV
14.15 - 15.45 Uhr

15 Minuten Tea-Time

Block V
16.00 - 17.30 Uhr

Die Unterricht findet vor allem in der Zeit von 8.00 bis 14.00 Uhr statt. Die Schülerinnen und Schüler der Klassen fünf bis zehn haben montags im Block IV Unterricht. Arbeitsgemeinschaften und Hausaufgabenbetreuung finden dienstags, mittwochs und donnerstags in Block IV (14.15 - 15.45 Uhr) statt. Lediglich die Schülerinnen und Schüler der Klassen 12 und 13 haben auch im Block V Unterricht.

Eine außergewöhnliche Herausforderung für den Unterricht besteht natürlich darin, dass sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Lehrkräfte den Umgang mit dem voll digitalisierten und elektronischen Unterricht trainieren. In dieser Hinsicht sind alle Beteiligten aber Lernende, die sich Fehler leisten dürfen. Fragen tut nicht weh, und da alle Lehrkräfte um ihr Defizit wissen, unterstützen sie sich gegenseitig, ohne das Gefühl zu haben, sich eine Blöße zu geben. Aber vor allem sehen sie das soziale Leben in der Schule als Voraussetzung für individuelle Lernerfolge. Dazu der Schulleiter: "Hauptsache, die Beziehungen gelingen, da kann eine Stunde auch mal in die Hose gehen."

Augenmerk auf Elternarbeit und soziales Leben

Schon die Eltern legen großen Wert darauf, dass ihre Kinder nicht nur das Abitur schaffen, sondern damit auch Schlüsselkompetenzen erwerben, die im späteren Leben von Bedeutung sind. Deshalb bietet die Schule bereits ab dem fünften Schuljahr die Möglichkeit, Berufe und Firmen kennen zu lernen. Auch das Methodentraining gehört zum Inventar der frühen Förderung ab Klasse fünf.

Ein Bestandteil eines erfolgreichen Gymnasiums sind, so Lehrerin Heike Sievers, "intensive Elterngespräche" sowie die Integration der Eltern in das Schulleben durch Arbeitsgemeinschaften bzw. die Elternvertretung. Dabei würden die Eltern seitens der Schule nicht daran gemessen, ob sie Christen seien oder eine "heile Familie" darstellten.

Mit beiden Beinen auf dem Boden

Die Eltern bezahlen im Freien Christlichen Gymnasium einen nach Einkommen gestaffelten Elternbeitrag - ab 80 Euro pro Monat geht es los. Für das Geld bekommen die Eltern und Kinder einiges geboten. So verfügt die Schule über eine den höchsten Ansprüchen genügende Küche mit Mensa, die fast rund um die Uhr geöffnet ist. Darüber hinaus gibt es eine riesige Sporthalle, die Platz für mehrere Tausend Zuschauer bietet und für große Spektakel in Düsseldorf, zu denen auch Weltstars des Sports und des Gesangs auftreten bzw. spielen.

"Wir stehen mit beiden Beinen auf dem Boden und unseren Blick haben wir in den Himmel gerichtet", gibt Schulleiter das Credo seines Kollegiums wieder. "Wissen, Können, Frieden setzen Selbständigkeit und Charakter voraus", so Frommann. Daran täglich zu arbeiten, ist das zentrale Credo des Gymnasiums.

Kategorien: Bundesländer - Bremen

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