Ehrenamtliche in der Ganztagsschule : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Es gibt viele Bezeichnungen für ehrenamtliche Tätigkeiten und viele Möglichkeiten, Ehrenamtliche in der Ganztagsschule zu beschäftigen. Ehrenamtliche Arbeit sollte für Ganztagsschulen aber nicht attraktiv sein, weil sie Kosten spart, sondern weil bürgerschaftliches Engagement die Verbindung der Schule zur Lebenswelt herstellt und Ehrenamtliche, zum Beispiel Seniorinnen und Senioren, ihre beruflichen und Lebenserfahrungen an Kinder und Jugendliche weitergeben können. Wie man Bewerber findet, richtige Bewerbungsgespräche führt und Fragen um den Versicherungsschutz klärt, war Thema des Seminars "Ehrenamtliches Engagement an sächsischen Schulen mit Ganztagsangeboten stärken - Freiwilligenarbeit koordinieren" am 19. und 20. Oktober 2010 in Meißen.

Deutschland ist ein Land der Ehrenamtlichen. Innerhalb der EU liegt Deutschland in der Zahl der ehrenamtlich Tätigen an zweiter Stelle hinter Großbritannien.  Die seit 2006 vorliegenden Ergebnisse der zweiten Befragungswelle des Freiwilligen-Surveys im Auftrag der Bundesregierung belegen, dass 36 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger ab 14 Jahren sich freiwillig in Verbänden, Initiativen oder Projekten engagieren. Weitere 34 Prozent sind öffentlich in einem Verein oder einer Gruppe tätig, ohne dabei längerfristig freiwillige Aufgaben zu übernehmen.

Seit einigen Jahren rückt mit den Ganztagsschulen verstärkt ein neues Betätigungsfeld für Ehrenamtliche ins Blickfeld. "Um gute Ganztagsschulen gelingen zu lassen, braucht es neben dem Engagement der Lehrkräfte, der außerschulischen Pädagogen und der Kooperationspartner auch das von Ehrenamtlichen", zeigt sich Florian Mindermann von der Serviceagentur "Ganztägig lernen" Sachsen überzeugt.

Ein Beispiel dafür sind etwa die baden-württembergischen Ganztagsschulen, die bereits so konzipiert sind, dass qualifizierte ehrenamtliche Jugendbegleiterinnen und Jugendbegleiter hier ein Wirkungsfeld finden. Ziel ist es, die Ganztagsschulen für außerschulische Institutionen und für engagierte Bürgerinnen und Bürger weiter zu öffnen, als es bisher der Fall ist. Das qualifizierte Ehrenamt von Vereinen, Verbänden, Kirchen und Eltern soll in die Ganztagsbetreuung integriert werden.

Thema für alle Schulformen relevant

Welche Chancen und Risiken die Kooperation mit Ehrenamtlichen bietet, ist ein Thema für viele Ganztagsschulen. Das zeigte die Nachfrage nach dem Seminar "Ehrenamtliches Engagement an sächsischen Schulen mit Ganztagsangeboten stärken - Freiwilligenarbeit koordinieren", welches die Serviceagentur "Ganztägig lernen" Sachsen am 19. und 20. Oktober 2010 in der Evangelischen Akademie Meißen veranstaltete. Laut Florian Mindermann hätte man die Veranstaltung gut mit der zwei- bis dreifachen Teilnehmerzahl bestreiten können.

Dass das Thema zudem für alle Schulformen eine Rolle spielt, erwies sich in Meißen ebenfalls: Acht Grundschulen, drei Gymnasien, drei Förderschulen und zwei Mittelschulen waren durch die rund 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vertreten.

In der deutschen Sprache gibt es verschiedene Bezeichnungen, die das Gleiche meinen: Ehrenamt, freiwilliges Engagement, Freiwilligenarbeit oder bürgerschaftliches Engagement. "Die Begriffsvielfalt spiegelt die Vielfalt der Aufgaben", erklärte Sarah Hoffmann von der Akademie für Ehrenamtlichkeit. Eine Enquete-Kommission des Bundestages formulierte 2002 die Merkmale des Ehrenamts: Die Arbeit ist freiwillig, nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtet, gemeinwohlorientiert und öffentlich. Auf keinen Fall soll bezahlte Arbeit durch unentgeltliche verdrängt werden. Auch sind Qualifikationen erforderlich, um in Ganztagsschulen tätig zu sein. Wird dies berücksichtigt, bietet ehrenamtliches Engagement eine Gestaltungschance.

"Eine Schule sollte sich vorher genau überlegen, welche Aufgaben Ehrenamtliche übernehmen sollen und ein verbindliches Aufgabenprofil entwickeln", riet Sarah Hoffmann. Die Tätigkeit, die dafür erforderliche Zeit und die Schnittstellen beziehungsweise die Abgrenzung zum Hauptamt sind klar zu definieren. Darüber hinaus müssten Ansprechpartner für die Externen benannt werden.

Werbung für die Schule durch Vernetzung mit der Lebenswelt

Warum aber soll man mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten? Inwiefern bereichert diese Kooperation eine Schule, ist möglicherweise für eine gut arbeitende Ganztagsschule sogar essentiell, wie Florian Mindermann meint?

Für Schulen bietet sich die Möglichkeit zusätzlicher Angebote, die man den Schülerinnen und Schülern sonst möglicherweise nicht unterbreiten könnte. So kann ein Vater, der Kfz-Mechaniker ist, eine Arbeitsgemeinschaft anbieten, in der die Jugendlichen am Mofa schrauben. Oder ein Hobby-Imker weiht die Schülerinnen und Schüler in die Geheimnisse der Honiggewinnung ein. Diese sozialen Kontakte verflechten die Schule mit ihrem Lebensumfeld, haben so eine Wirkung nach außen und werben auch für die Schule.

Es kann auch etwas in der Schule anstoßen, wie Kerstin Möller, Leiterin der Grundschule Freital-Wurgwitz, berichtete: "Je mehr Externe bei uns in der Schule arbeiteten, desto mehr öffneten sich die Kolleginnen und Kollegen. Zugleich wuchs der Respekt der Externen vor der Arbeit, die wir Lehrerinnen und Lehrer leisteten."

Anderer Blickwinkel und lebendiges Lernen

Die Schülerinnen und Schüler schätzen die Ehrenamtlichen als Experten ihrer Arbeitsfelder und offenbaren manchmal Stärken, die den Lehrerinnen und Lehrern im Unterricht verborgen bleiben. Sie erfahren von diesen externen Kräften auch eine Wertschätzung für Fähigkeiten, die über ihre sonstigen schulischen Leistungen hinausgehen. Sie lernen durch die Angebote der Ehrenamtlichen oft andere Lernorte kennen. Für manche Schülerinnen und Schüler bringt eine AG mit Ehrenamtlichen mitunter gar erstmals Kontakt zu einer männlichen Person während ihrer Schulzeit.

Eltern begrüßen die Erweiterung des Angebots und sehen Vorteile darin, dass ihre Kinder neue Anregungen erhalten und neue Gesichter kennen lernen. "Die Kinder werden offener", berichtete eine Lehrerin von der Rückmeldung einer Mutter.

Viele Ehrenamtliche haben Freude daran, anderen ihre Erfahrungen und ihr Wissen weiterzugeben, andere Blickwinkel und "lebendiges Lernen" einzubringen und die Schule zu unterstützen. In vielen Schulen übernehmen zum Beispiel Mütter die Bibliotheksbetreuung. "Ohne diese Unterstützung könnte ich die Bücherei überhaupt nicht öffnen", erzählte eine Schulleiterin.

Hausaufgabenbetreuung, Lesenachmittage, Pausenversorgung, Fächerpaten, Hilfe in der bewegten Pause, die Konzeptentwicklung für die Corporate Identity der Schule, Hilfe im Schulgarten und im Schulclub oder Handarbeiten waren weitere Felder, von der die Teilnehmerinnen und Teilnehmern berichteten.

Ausschreibung mit präzisen Informationen

Beim Gewinnen von Ehrenamtlichen bildet Sarah Hoffmann zufolge eine attraktiv formulierte "Stellenausschreibung" am Schwarzen Brett oder in der lokalen Presse die Grundlage. So wurde etwa ein "mitteilungsfreudiger Literaturliebhaber für Lesenachmittage/-abende" oder ein "Bücherwurm mit Interesse an Kinder- und Jugendliteratur" für die Schulbibliothek gesucht oder ein "Grüner Daumen" für die Unterstützung der Arbeit im Schulgarten.

"Wichtig ist, dass Sie in der Anzeige knapp und präzise die Aufgabenstellung und die Arbeitszeiten auflisten und einen Ansprechpartner benennen", erklärte Sarah Hoffmann. In einem Erstgespräch mit den Interessenten, für das sich die Schulvertreter Zeit nehmen sollten, kann man sich ein Bild von dem oder der potentiellen Ehrenamtlichen machen. "Dazu sollten Sie sich mit einer Checkliste vorbereiten, in der Sie wesentliche Fragen für das Gespräch festhalten, zum Beispiel nach den Beweggründen der Person, nach den Vorstellungen von der künftigen Tätigkeit und ihren Erfahrungen auf dem gefragten Gebiet und natürlich im Umgang mit Kindern und Jugendlichen allgemein", erläuterte die Diplom-Soziologin.

Man könne vor Beginn der Beschäftigung eine Bedenkzeit vereinbaren, vielleicht auch eine Probezeit von sechs Wochen. Werde man sich einig, sollten dem Ehrenamtlichen die Räumlichkeiten der Schule gezeigt werden. Er müsse genau wissen, was ihn erwartet. Fragen zu einer möglichen Aufwandsentschädigung und zum Versicherungsschutz sollten schriftlich fixiert werden, "um sich später Diskussionen und Zeit zu sparen".

Gemeinschaft vermitteln

Fragen des Versicherungsschutzes und die Beschäftigungsmodalitäten - zum Beispiel über den Schulförderverein - standen für viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Vordergrund. Florian Mindermann verwies auf das Internet-Portal der Serviceagentur, wo sich gute Materialien zum Thema Versicherungsschutz finden. "Aber jeder Einzelfall liegt anders, daher empfiehlt es sich, im Zweifelsfall die Versicherungen direkt zu kontaktieren."

Die Verantwortung trägt die Schulleitung, die gerade auch für Ehrenamtliche die wichtigste Bezugsperson ist. Die meisten Bewerber schätzten es, wenn die Schulleitung die Bewerbungsgespräche führe, "dies ist für sie ein Zeichen des Respekts, der Würdigung und Anerkennung", berichtete Sarah Hoffmann. Überhaupt sei es geboten, dass Schulen für ihre externen Kräfte eine Anerkennungskultur entwickelten. Zum Beispiel könnten regelmäßige Gespräche, gemeinsame Ausflüge oder die Einladung zu Schulveranstaltungen die Wertschätzung für die ehrenamtliche Arbeit zum Ausdruck bringen. "Die Schulen sollten den Ehrenamtlichen ein Gefühl der Gemeinschaft vermitteln", unterstützte ein Lehrer diese Betrachtungsweise.

Sarah Hoffmann riet, die Arbeit der Ehrenamtlichen im Leitbild und Organigramm der Schule zu verankern, kontinuierlich zu evaluieren und gegebenenfalls zu optimieren. "Ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ein wichtiger Image-Träger der Schule", betonte die Moderatorin noch einmal.

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