Windmühlen für den Ganztag in Merchweiler : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Mit der Einführung der gebundenen Ganztagsschule vor vier Jahren hat die Max von der Grün-Schule in Merchweiler "eine prächtige Entwicklung genommen", wie Bürgermeister Patrick Weydmann findet.

Schulleitung der Gemeinschaftsschule Merchweiler
Das Schulleitungsteam: (v.r.n.l.) Frank Prianon, Valentina Trützschler, Tobias Jungfleisch © Gemeinschaftsschule Merchweiler

Anfang Juni war es so weit: Die Erfolgsgeschichte, die die Max-von-der-Grün-Schule Merchweiler im saarländischen Landkreis Neukirchen mit dem gebundenen Ganztag seit vier Jahren schreibt, fand ihren sichtbaren Ausdruck bei der feierlichen Eröffnung des Erweiterungsbaus. Anwesend waren Bürgermeister, Landrat und Bildungsminister Ulrich Commerçon. Landrat Sören Meng zitierte bei der Feier das chinesische Sprichwort: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.“ Und fügte hinzu: „Die Schule hat auf Windmühlen gesetzt. Sie hat allen Grund, stolz zu sein.“

Der Wind hatte Schulleiter Frank Prianon und seinem Kollegium auch schon ins Gesicht geweht. „Der Schritt zur gebundenen Ganztagsschule wurde wahnsinnig kritisiert. Aber er hat sich als richtig erwiesen“, erinnerte sich Bürgermeister Patrick Weydmann. Die „gebundene Ganztagsschule“ war auch schon einmal als „gezwungene Ganztagsschule“ bezeichnet worden. Die Schule habe „die Ruhe bewahrt und eine prächtige Entwicklung genommen“. Schulleiter Prianon freut sich: „Der neue Bürgermeister unterstützt uns.“ Weydmann bezeichnete die Schule, die 2013/2014 von der offenen zur gebundenen Form überging, als „Riesenstandortvorteil für die Gemeinde“.

„Hier wäre ich auch gerne zur Schule gegangen“

Stolz sind Frank Prianon und Valentina Trützschler, die Didaktische Leiterin der Schule, auch beim Rundgang durch das neue Gebäude. Die naturwissenschaftlichen Säle beeindrucken mit ihrer modernen Ausstattung, die Klassenräume verfügen über jeweils einen separates Lernbüro. Es gibt eine große Mensa, ein Atelier und einen Musikraum, vor dessen Fenster gerade ein Amphitheater entsteht.

Gemeinsames Durschneiden des Bands bei der Eröffnungsfeier
Eröffnung des Neubaus mit Bürgermeister Patrick Weydmann, Landrat Sören Meng und Bildungsminister Ulrich Commerçon © Gemeinschaftsschule Merchweiler

Und dann gibt es die „Oase“, wohin sich die Schülerinnen und Schüler zurückziehen und auf Sitzsäcken ausruhen können. Der mit einem Wandbild gestaltete Ruheraum wird auch zu Gesprächen mit dem Sozialarbeiter und der Seelsorgerin genutzt. „So mancher Besucher hat schon gesagt, hier wäre ich auch gerne zur Schule gegangen“, erzählt Valentina Trützschler.

Ab 2004 hatte die Max-von-der-Grün-Schule als Freiwillige Ganztagsschule (FGTS) im offenen Modell gearbeitet. Aber so recht glücklich war das Kollegium damit nicht. „Der Schulschluss um 15 Uhr ließ zu wenig Zeit für die Hausaufgabenbetreuung, die Verzahnung mit dem außerschulischen Personal fehlte, und außerdem bröckelte die Teilnahme ab der 7. Klasse deutlich“, erzählt Frank Prianon. 2007 führte die Schule eine gebundene Ganztagsklasse ein, aber „zwei Systeme unter einem Dach – das war organisatorisch schwierig“.

„...keine abrupte Entscheidung“

Schülerinnen malen Unterwassermotive
Kunst-AG: „Unterwasserwelten“ © Gemeinschaftsschule Merchweiler

Als das Saarländische Bildungsministerium dann ermöglichte, mit elf Lehrerwochenstunden den gebundenen Ganztag einzuführen, entschieden sich die Lehrerinnen und Lehrer 2012 dafür. Die Schulkonferenz stimmte mit 100 Prozent, die Gesamtkonferenz mit 70 Prozent zu. „Es war gut, dass das keine abrupte Entscheidung gewesen ist, sondern die Entwicklung über die Jahre darauf zugesteuert ist“, findet der Schulleiter. In den ersten beiden Jahren waren die Anmeldezahlen mit 30 Schülerinnen und Schülern noch mager. Aber letztes Jahr schnellten sie schon auf 75 Kinder hoch.

Mittlerweile arbeitet die Schule dreizügig. Eine Umfrage bei den Eltern hat eine Zufriedenheit von 80 Prozent mit der Ganztagsschule ergeben. Die schönen Räume sind dabei eine Sache. Doch das Ganztagsangebot mit den Schwerpunkten Sport, Musik und Kunst, dem Unterrichtsrhythmus, den integrierten Hausaufgaben und der individuellen Förderung überzeugt auch inhaltlich.

Argument der leichten Schultasche

Der Schultag ist montags bis freitags identisch rhythmisiert. Das reduziert die Zahl der Fächer auf drei täglich. „Früher waren es sechs Fächer am Tag, und manche Kinder nahmen noch die Schulsachen für eventuellen Vertretungsunterricht durch andere Lehrer mit“, erinnert sich Frank Prianon. „Wir haben mal einen Schultornister gewogen, der zehn Kilo schwer war.“ Das gibt es heute nicht mehr, auch wegen der Schränke und Fächer für die Schulsachen in den Klassenräumen. Und das Argument der „leichten Schultasche“ wiegt bei den Eltern schwerer, als man denken mag, wie der Schulleiter festgestellt hat.

Vormittags finden zwei Blöcke à zwei Stunden Fachunterricht statt, gefolgt von der Lernzeit und dem Lernbüro. Zwei Stunden gibt es für das Mittagessen, das optional ist, und Freizeit, in der sich die Schülerinnen und Schüler – täglich neu – für Arbeitsgemeinschaften wie Tanzen, Schach, Mountainbike, Waldspaziergang oder Medien-Scout und vieles Anderes entscheiden können. Montags bis donnerstags folgt anschließend bis 15.45 Uhr ein weiterer zweistündiger Unterrichtsblock. In der Lernzeit werden Schulaufgaben erledigt, die die klassischen Hausaufgaben ersetzt haben. Für zu Hause bleibt nur wenig, zum Beispiel Vokabellernen oder Lektüre.

Die Lernzeiten finden im Klassenverband statt, manchmal von zwei Lehrkräften betreut. Über ein sogenanntes Lernbegleitheft, das neben den Schulregeln und Lehrereintragungen auch Lerninhalte enthält, werden die Eltern informiert. Wenn Fachlehrerinnen und -lehrer oder die Schülerin und der Schüler meinen, dass ein Thema noch nachbearbeitet werden muss, besuchen die Jugendlichen parallel zur Lernzeit das Lernbüro, das Fachlehrkräfte betreuen. „Das sind täglich so etwa zehn Schüler“, hat Tobias Jungfleisch, der stellvertretende Schulleiter, beobachtet. „Hier kann dann gezielt an Schwächen gearbeitet werden.“

Sport, Kunst und Musik als Schwerpunkte

Sport-AGs am Nachmittag wie zum Beispiel Fußball und Laufen, das jährliche Sport- sowie das Schwimmfest, die Teilnahme an Volksläufen und Sportangebote in den Pausen sorgen für viel Bewegung. Sämtliche Angebote werden in Kooperation mit den örtlichen Sportvereinen organisiert.

Im Bereich Kunst bieten Kunsterzieher und Künstler AGs „Zeichnen und Malen“ an, in denen mit verschiedenen Materialien und Techniken gearbeitet wird: von der Ölmalerei bis zu Druckgrafik, Collage und Keramik. Die Schulflure und öffentliche Ausstellungen im Rathaus, im Landratsamt oder im Einkaufzentrum von Neunkirchen zeugen von der Kreativität der Jugendlichen. In diesem Jahr fanden die Arbeiten sogar den Weg ins Bildungsministerium, zu einer gemeinsamen Kunstausstellung mit der Ganztagsgemeinschaftsschule Neunkirchen. Den Schulleiter freut diese Öffentlichkeitswirkung besonders: „Die Jugendlichen erfahren so, dass ihr Tun anerkannt wird.“

Die Max-von-der-Grün-Schule arbeitet außerdem mit dem Musikverein Merchweiler zusammen, der vier Musiklehrer stellt. Während der Schulzeit haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, in Kleingruppen ein Musikinstrument zu erlernen – ein Blasinstrument in der Bläserklasse oder Gitarre in der Gitarren-AG. Aktuell hat die Schule vier Blasmusikgruppen und zwei Schulbands.

Früher Schülermangel, heute Warteliste

Die Ungewissheit über die Zukunft des Schulstandorts wegen sinkender Anmeldezahlen gehört lange der Vergangenheit an. Mit dem gebundenen Ganztag hat das Team die Windmühlen offensichtlich genau richtig in den Wind gedreht.

Die Erfahrungen mit dem gebundenen Ganztag erleben Frank Prianon und sein Kollegium auch als positiv. „Man hat ganz andere Möglichkeiten der Verzahnung und erlebt die Schülerinnen und Schüler von einer anderen Seite.“ Inzwischen musste die Schule schon eine Warteliste einführen: „Immer mehr Eltern, auch die von Kindern mit Gymnasialempfehlung, wählen uns gezielt an. Und in unserer Bläserklasse haben statt üblicherweise 30 bis 40 Prozent nun 15 von 17 Schülerinnen und Schülern, die mit einer Hauptschulempfehlung gekommen sind, die Realschulempfehlung erhalten.“

 

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