Teamschule mit Lernzeit im rhythmisierten Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die IGS Solms versteht sich als „Teamschule“. Im Profil 2 des hessischen Ganztagsprogramms startet sie täglich mit der Lernzeit in den rhythmisierten Tag. Hier werden alle Schülerinnen und Schüler gefördert.

Solms Kollegium
Teamschule mit transparenten Lernprozessen © IGS Solms

Der Tag an der Integrierten Gesamtschule Solms im Lahn-Dill-Kreis beginnt für alle Schülerinnen und Schüler mit der „Lernzeit“. Dass von 8 Uhr bis 8.55 Uhr eine Lernzeit beim Klassenlehrer den Schultag eröffnet, ist ungewöhnlich – und ein Ausweis der Gesamtschule als Teamschule. Für die „neue Rhythmisierung“ und insgesamt die Weiterentwicklung der Ganztagsschule im Profil 2 des Hessischen Ganztagsprogramm – an allen fünf Schultagen freiwillige Ganztagsangebote von 7:30 Uhr bis 16:00 oder 17:00 Uhr –  ist eine Steuergruppe aus Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern verantwortlich. „Wir diskutieren regelmäßig über pädagogische Fragen‟, berichtet Schulleiterin Anke Wegerle. „Uns zeichnet aus, dass wir nicht schnell zufrieden sind.‟

Mit dieser Maßnahme schon. „Die Lernzeit hat sich zum Zugpferd entwickelt, sie ist ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Schulen‟, freut sich die Schulleiterin. „Die Schülerinnen und Schüler sind morgens noch sehr konzentriert. Sie arbeiten mit einem Schulplaner, in dem sie täglich ihre geplanten Vorhaben und die erreichten Ergebnisse eintragen. Die Aufträge werden von den Fachlehrern gestellt, sie vertiefen die Unterrichtsinhalte. Wer vorzeitig mit seinen Aufträgen fertig ist, kann zusätzliche Aufgaben erhalten.‟

Rhythmisierungskonzept: Lernprozesse stärken

Die Lernzeit wird von Lehrkräften, meist der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer, begleitet. Sie baut von Jahrgang zu Jahrgang aufeinander auf. In den unteren Jahrgängen stehen das Lernen selbst und die Methodenkompetenz im Vordergrund. Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. „Wir wollen, dass sie ein Bewusstsein für ihren Lernprozess gewinnen‟, erläutert Anke Wegerle. „Sie sollen ihr Lernen reflektieren, Motivation und Eigeninitiative entwickeln.‟

Stefan Klotz, der stellvertretende Schulleiter, ergänzt: „Ich finde es schön, wenn wir Lehrer und Eltern den Jugendlichen zeigen, dass sie sich Ziele setzen müssen. Dass sie mehr erreichen, wenn sie mehrere Möglichkeiten haben, zur Lösung zu kommen, wenn sie Verbindungen herstellen und einen Alltagsbezug des Lernstoffes erkennen können. Die Schülerinnen und Schüler, die sich was vornehmen, die eigeninitiativ sind, erreichen viel mehr.‟

So ist es nur folgerichtig, dass Schulleitung und Kollegium überlegen, in den Lernzeiten der höheren Jahrgänge künftig eventuell auch fachübergreifende Projektarbeit oder eigene Vorhaben der Jugendlichen zu ermöglichen. Um die Lernzeit zu ermöglichen, wurden die Unterrichtszeiten verändert. Die über den Tag verteilten Unterrichtsblöcke dauern jeweils 75 statt 90 Minuten. In Klasse 5 und 6 sind es drei Unterrichtsblöcke, in den höheren Jahrgängen vier bis 15.20 Uhr. Am Donnerstag ist bereits um 11.55 Uhr Unterrichtsschluss, bevor die Arbeitsgemeinschaften beginnen. Dieses Rhythmisierungskonzept, einschließlich Mittagspause mit Bewegungsangebot, hat die Steuergruppe ebenfalls beraten und dann allen Gremien zur Abstimmung vorgelegt.

Teamschule: „Aufgaben auf verschiedene Schultern verteilen“

Grundschüler
Grundschüler zu Besuch an der IGS © IGS Solms

In manch einer ländlich gelegenen Schule ist der Ganztag von den Abfahrtszeiten der Busse bestimmt. Nicht so in Solms. „Unser Schulträger, der Lahn-Dill-Kreis, hat mit den Verkehrsvertrieben verhandelt, und die Busfahrzeiten wurden super angepasst‟, erzählt Anke Wegerle. Der Schulträger habe „richtig gute Arbeit geleistet‟. Von den rund 750 Schülerinnen und Schülern nutzen rund 300 die Ganztagsangebote. Ab 7.30 Uhr und nachmittags bis 17 Uhr ist zusätzlich eine Betreuung möglich.

Das Lob für den Schulträger bezieht sich auch auf die Modernisierung des Schulgebäudes, die bis zu den Osterferien abgeschlossen sein soll. „Wir konnten in den Planungsprozess unsere Ideen einbringen, unter anderem sind Teamräume für die Kolleginnen und Kollegen und offene Lernbereiche entstanden.‟ Das Konzept der Teamschule ist eine weitere Säule der IGS Solms. Jeweils zwei Klassenlehrkräfte führen eine Klasse gemeinsam. Auch die Fachlehrkräfte sind primär in ihrer Klasse und im eigenen Jahrgang eingesetzt.

Die Lehrerinnen und Lehrer bauen so eine intensive Beziehung zu allen Schülerinnen und Schülern auf, was die individuelle Lernbegleitung erleichtert. Das Teamlehrerzimmer liegt in unmittelbarer Nähe der Klassenräume, von denen nahezu alle mit Smartboards ausgestattet sind. In den Jahrgangsfluren befinden sich außerdem Begegnungsräume für Einzel- und Gruppenarbeit. Stefan Klotz möchte sich ein anderes Arbeiten als in Jahrgangsteams nicht mehr vorstellen:

„Unbestritten hat sich das bewährt. Sich als Team zusammenzusetzen, die Aufgaben auf verschiedenen Schultern zu verteilen, möchte man nicht mehr missen, wie auch eine Umfrage unter den 73 Kolleginnen und Kollegen gezeigt hat. Ich sehe als Klassenlehrer die Schülerinnen und Schüler viel regelmäßiger als früher. Natürlich ist das für den Stundenplaner eine Herausforderung, und es sind viele Absprachen nötig. Aber von der Zusammenarbeit profitieren die Lehrkräfte. Der Lehr- und Lernprozess ist auch viel transparenter geworden.‟

Berufsorientierung mit KomPo7

Die Schülerinnen und Schüler können an der IGS Solms den Hauptschulabschluss, den Realschulabschluss und den Übergang zur gymnasialen Oberstufe erreichen. Berufsorientierung wird großgeschrieben. Jedes Jahrgangsteam hat einen „Experten“ der Berufs- und Studienorientierung (BSO). Dieser „BSO-Experte“ ist neben den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern ein wichtiger Ansprechpartner für die Schülerinnen und Schüler. Die „Arbeitsgruppe BSO‟ koordiniert Kooperationen mit Berufsschulen, Betrieben und weiteren außerschulischen Partnern.

Abschlussklassen
Abschlussklassen 2019: zweimal Traumnote 1,0 © IGS Solms

In Klassenstufe 7 fließen 15 Wochenstunden in das „Kompetenzfeststellungsverfahren“. Das KomPo7, wie es kurz heißt, wurde 2009 als Teil der hessenweiten Strategie zur Verbesserung des Übergangs Schule–Beruf eingeführt, auch mit Unterstützung der Agentur für Arbeit und des Bildungswerks der Hessischen Wirtschaft. Die Jugendlichen erhalten den Berufswahlpass, einen Portfolio-Ordner, der Angebote zur Berufsorientierung vorstellt.

In den Jahrgängen 8 und 9 finden zweiwöchige Praktika und Betriebserkundungen statt. Es werden Seminare und Projekte zu den Themen Bewerbung und Vorstellungsgespräch durchgeführt. Die Gesamtschule ist mit den Städten Solms und Leun und der regionalen Wirtschaft gut vernetzt. Auch mit allen weiterführenden Schulen des Umfelds besteht eine intensive Zusammenarbeit. Ganz neu ist eine Ausbildungskooperation mit der Deutschen Bahn.

Talente im Ganztag entdecken und fördern

Das Wahlpflichtfach Arbeitslehre gibt den Schülerinnen und Schülern viele Möglichkeiten, ihre Fähigkeiten und Stärken zu entwickeln und berufsbezogene Kompetenzen auszubauen. Der praktisch orientierte Unterricht in den Fachräumen der Schule vermittelt erste Grundkenntnisse, die in Kooperationsbetrieben und den kooperierenden Berufsschulen vertieft werden können.

In der Schule selbst sind die Schülerfirma Druckfrei, die Druckerzeugnisse für externe Auftraggeber herstellt, und die Fahrradwerkstatt-AG aktiv. Beide vermitteln kaufmännische Grundkenntnisse. Hinzu kommen die Küche, die Textilwerkstatt und die Holz- & Metallwerkstatt, in denen sich die Jugendlichen ebenfalls auf die Arbeits- und Wirtschaftswelt vorbereiten können. Nicht zuletzt haben Schülerinnen und Schüler mit Lernrückständen in Klasse 9 die Möglichkeit eine „PuSch-Klasse“ (PuSch = Praxis und Schule) zu besuchen und sich intensiv auf eine Berufsausbildung vorzubereiten. Dazu findet an drei Tagen der Woche Unterricht in der Schule statt. An einem weiteren Tag besuchen die Schülerinnen und Schüler berufliche Schulen. Von besonderer Bedeutung ist das Tagespraktikum in kooperierenden Betrieben.

Schließlich gibt es mit Blick auf das „Fördern und Fordern“ auch die „Forderkurse“, die Förderung von Begabungen und Talenten: Schülerinnen und Schüler können schon in Klasse 5 und 6 Ganztagsangebote wie Instrumentalunterricht, Big Band, die Theater-AG, die für ihre Veranstaltungen andere AGs wie die Event-AG, die Schulband-AG und die Catering-AG einbindet, oder naturwissenschaftliche und technische Angebote nutzen. Zu den knapp 40 Arbeitsgemeinschaften gehören ebenso Sport-AGs wie zum Beispiel die Kletter-AG oder die Kanu-AG. Viele AGs werden von Lehrkräften angeboten, doch es gibt auch einen festen Stamm an außerschulischen AG-Partnern.

Kletter AG
Hoch hinaus in der Kletter-AG © IGS Solms

Zwei Mitarbeiterinnen des Caritas-Verbandes begleiten die Hausaufgabenbetreuung. Schulleiterin Anke Wegerle ist voll des Lobes: „Die beiden erfahrenen Damen sind erzieherische Perlen. Sie regeln die Dinge durch Klarheit und Stringenz, sind sehr strukturiert und streng.‟ Eine Sozialpädagogin und ein Sozialpädagoge leiten das Sozialtraining, unterstützen in der Berufsberatung und bieten Zeiten für Entspannung und Austausch im Pausentreff oder beim Sport auf der Multisportanlage an. Ermöglicht wird das durch ein Kooperationsprojekt des Lahn-Dill-Kreises als Jugendhilfeträger, der Gemeinde Solms und des Caritasverbandes Wetzlar/ Lahn-Dill-Eder e.V.

Lernzentrum mit „Belletristik-Abteilung“

Die Pausenspiele-Ausleihe hat in der Mittagspause geöffnet. Wer sich lieber zurückziehen möchte, dem steht der „Raum der Stille“ zur Verfügung. Oder das Lernzentrum. 2005 mit Unterstützung des Lahn-Dill-Kreises eingerichtet und als lichtdurchfluteten Raum mit komplett neuer Möblierung umgebaut, ist das Lernzentrum mit PC-Station, Sitzecken und „Belletristik-Abteilung“ für Leseratten heute das Herzstück der Schule. Es öffnet täglich um 7.30 Uhr.

Die Eltern sind Schulleiterin Anke Wegerle zufolge mit diesem Ganztagskonzept zufrieden. Mehr als das Profil 2 im Hessischen Ganztagsprogramm sei derzeit nicht vorstellbar. „Wir sind hier auf dem Land, die gebundene Ganztagsschule wäre zu viel.‟ Die Schulleiterin resümiert: „Der Ganztag trägt viel zum sozialen Lernen bei. Die Streitschlichter unterstützen die jüngeren Schülerinnen und Schüler beim konstruktiven Umgang mit Konflikten. Die Aufführungen der Theater-AG schaffen Identität. Die Schulsanitäter könnten wir uns ohne den Ganztag so gar nicht leisten, ebenso wenig die Angebote in der Mittagspause, die Keyboard-AG, die Gitarren-AG und die Englisch- und Spanischkurse.“

Anke Wegerle nennt auch die Erweiterung der Lerngelegenheiten in der Geschichts-AG: Im „Projekt Stolpersteine“ haben Schülerinnen und Schüler „Jüdisches Leben in Solms“ erforscht und dazu eine Ausstellung in der Schule entwickelt, die sich mit der dunklen Vergangenheit auseinandersetzt.

 

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