„Tag der offenen Ganztagstüre“ in Neumarkt : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

In Neumarkt in der Oberpfalz lud die Theo-Betz-Grundschule zum „Tag der offenen Ganztagstüre“ ein. Schulleiter Dr. Thomas Mayr sieht Rhythmisierung und Differenzierung als entscheidende Vorzüge der Ganztagsschule.

Schulgebäude
Die Theo-Betz-Grundschule lädt zur Hospitation. © Online-Redaktion

Diesen Schulleiter musste man nicht überreden, seine Schule für eine Hospitation zu öffnen: „Live und in Farbe zu sehen, wie eine Schule arbeitet, ist etwas anderes, als ein Referat zu hören. Der direkte Austausch ist wertvoll.“ Dr. Thomas Mayr ist seit 2017 Schulleiter der Theo-Betz-Grundschule, an der schon einmal Lehrer war. Er ist in der Stadt für sein Engagement bekannt.

„Seit eineinhalb Jahren treffen sich die Neumarkter Ganztagsschulen immer an einer anderen Schule. Und ich bin noch nie von einem dieser Besuche zurückgekommen, ohne nicht eine Kleinigkeit mitgenommen zu haben.“ So ist es nur folgerichtig, dass der Schulleiter am 19. März einmal selbst zum Gastgeber wurde.

„Tag der offenen Ganztagstüre“ heißt das Format, das Sabine Kunz, die Ganztagskoordinatorin der Regierung der Oberpfalz, entwickelt hat und das zu einer Reihe wachsen soll. Künftig werden sich gebundene Ganztagsgrundschulen aus der Oberpfalz gegenseitig besuchen. „Wir haben die gebundenen Ganztagsschulen gewählt, weil wir an den Punkt gekommen sind, nach der Quantität noch stärker auf die Qualität schauen zu können“, sagt Sabine Kunz.

„Nur eine Richtung – nach oben!“

29 Grundschulen in der Oberpfalz verfügen bereits über einen gebundenen Ganztag, genauer: über gebundene Ganztagsklassen. Insgesamt sind das 100 Klassen mit 450 Lehrerinnen und Lehrern sowie 1.500 außerschulischen Fachkräften. 65 Grundschulen bieten die offene Ganztagsschule an. „Die Angebotspalette ist breit“, erläutert Sabine Kunz. „Neben der offenen und gebundenen Ganztagsschule gibt es auch noch die Mittagsbetreuung und Horte. Mit den 65 offenen Ganztagsschulen sind die Zahlen in den verschiedenen Ganztagsbetreuungsangeboten nicht zurückgegangen. Es geht nur in eine Richtung – nach oben.“

Das gilt ähnlich für die Theo-Betz-Grundschule. „Der Hort lief am Anfang Sturm gegen die Einführung der Ganztagsschule“, erinnert sich Thomas Mayr. „Heute leben alle in friedlicher Koexistenz.“ Die Schülerzahlen sind in allen Angeboten gewachsen. Neben den jeweils zwei Ganztagsklassen in den Jahrgangsstufe 1, 2, 3 und 4 gibt es die schulische Mittagsbetreuung. Deren Träger ist die Stadt Neumarkt. Es gibt drei Gruppen, in denen die Kinder bis 14.00 Uhr oder bis 15.30 Uhr betreut werden. Hinzu kommen zwei Horte in Neumarkt: der Katholische Kinderhort „Pfarrer Ludwig Heigl“ und der Kinderhort Residenzplatz der Pfarrei „Zu Unserer Lieben Frau“. Beide sind täglich bis 17 Uhr geöffnet, Ersterer an zwei Wochentagen sogar bis 18.15 Uhr.

Programmieren lernen in der Calliope-AG

„Von unseren 350 Schülerinnen und Schülern gehen nur 70 mittags nach Hause. 140 Schülerinnen und Schülern besuchen die gebundenen Ganztagsklassen“, berichtet der Schulleiter. Für die Ganztagsklassen endet der Schultag um 15.30 Uhr, freitags um 13.00 Uhr. Unterricht findet im gebundenen Ganztag auch am Nachmittag statt. Mayr erwartet von seinen Kolleginnen und Kollegen, dass jeder „auch an einen Nachmittag für zwei Stunden arbeitet, und das klappt auch“. Zum Kollegium gehören nicht nur Lehrerinnen und Lehrer. „Wir haben viele Professionen unter einem Dach, die alle ein gemeinsames Ziel verfolgen: die umfassende Förderung der Schülerinnen und Schüler“, erklärt der Schulleiter.

Schach
1. Platz bei den Oberpfälzischen Schulschachmeisterschaften © Theo-Betz-Schule

Für jeweils ein Trimester können sich die Schülerinnen und Schüler für Arbeitsgemeinschaften entscheiden: sportliche, kreative, technische und musische Angebote. In der Schach-AG spielen inzwischen rund 100 Schülerinnen und Schüler. Mit einigem Erfolg: 2018 erreichte die Theo-Betz-Grundschule bei den Oberpfälzischen Schulschachmeisterschaften den 1. Platz. In der Calliope-AG lernen Dritt- und Viertklässler mit Hilfe des gleichnamigen Minicomputers – gefördert von der Bürgerstiftung Neumarkt – das Programmieren. Die Theo-Betz-Grundschule wurde auch als MINT-freundliche Schule ausgezeichnet.

Die AGs leiten Lehrerinnen und Lehrer, aber auch junge Erwachsene im Freiwilligen Sozialen Jahr, kurz: FSJler. Thomas Mayr ist von deren Arbeit überzeugt: „Wir arbeiten seit zehn Jahren mit FSJlern zusammen. Im September ist Anlernphase, und dann läuft es.“ Nicht wenige FSJler haben bereits eine Nähe zu pädagogischen Berufen. „Von den sechs FSJlern im vergangenen Schuljahr wollen drei Grundschullehrer werden, einer ging in eine Kita.“ Der einzige Nachteil: „Wenn einer erkrankt, habe ich keinen Ersatz.“

... und bei jedem Wetter an die frische Luft

Im sogenannten Mittagsband, das heißt in der Mensa und in der Spielezeit vor und nach dem Mittagessen, arbeitet die Schule mit dem Personal der Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (gfi) zusammen. Der Träger ist „stolz darauf, von Anfang an“ die Einführung offener Ganztagsangebote in Bayern begleitet zu haben und für gebundene Ganztagszüge an rund 120 Schulen aller Schulformen ihr Knowhow einzubringen.

Der gebundene Ganztag hat für Thomas Mayr besonders zwei Vorzüge: die Rhythmisierung des Schultags und die erweiterten Möglichkeiten zum Üben, Vertiefen und Differenzieren. Zur Entspannung gehört die Bewegung. „Bei uns geht es bei jedem Wetter raus, die Schülerinnen und Schüler sind jeden Tag an der frischen Luft. Wenn sich Kinder bewegen, lernen sie auch besser“, betont der Schulleiter. Der neu gebaute Verbindungsgang, der zwei Gebäudeteile des weitläufigen Schulgebäudes verbindet, ermöglicht inzwischen, dass die Kinder sich bei Regen schnell unterstellen können.

„Die Kinder müssen auch mal für sich selbst sein dürfen, sich bewegen, ausruhen und spielen. Die Schule soll auch ein Wohlfühlort für sie sein, ein Lebensraum, in dem sie sich gerne aufhalten.“ Dafür sorgen auch Lesenischen und die Bücherei mit Spielothek, ebenso die im ganzen Haus verteilten Teeküchen. Thomas Mayr ist begeistert von der Bildungsinitiative „Spielen macht Schule“, in der die Schule bereits viele Spiele gewonnen hat: „Hier lohnt es sich wirklich, sich hinzusetzen und ein Konzept zu schreiben.“ Im Januar erhielt die Theo-Betz-Schule zum zweiten Mal ein „Spielzimmer“ mit einem Berg von Gesellschaftsspielen. Die Jury hatte die „Verankerung des Spielens im gebundenen Ganztag“ gelobt.

Zukunftshelden für eine gerechte Welt

Basketball
„Wenn sich Kinder bewegen, lernen sie auch besser.“ © Theo-Betz-Schule

Auch im Schulgebäude regen Schulleitung und Lehrkräfte einfallsreich zur Bewegung ein. So hängen nicht weniger als 15 „Voll in Form“-Poster, die zu Bewegungsübungen auffordern, in den Schulfluren. „So können die Kolleginnen und Kollegen ganz ohne Aufwand die Schülerinnen und Schüler in Bewegung bringen. Die Kinder machen das teilweise auch spontan ohne Anleitung, wenn ihnen danach ist“, freut sich Thomas Mayr. Sitzbälle und Kipphocker nutzen die Schülerinnen und Schüler sogar während des Unterrichts. Auch der tägliche Frühsport ab 7 Uhr für alle Kinder, die Zeit und Lust haben, unterstreichen diesen Ansatz.

Für gesunde Ernährung sensibilisierte kürzlich der Aktionstag „Neumarkter Zukunftshelden“, zu dem 75 Schülerinnen und Schüler aus den sieben Neumarkter Grundschulen an die Theo-Betz-Grundschule kamen. Die Theo-Betz-Grundschule hat die Idee für den Aktionstag entwickelt. Die „Zukunftshelden“ setzen sich auch, unterstützt von. Ruth Dorner vom Eine-Welt-Laden, für eine gerechtere Welt ein. Ein Spiel „Weltbevölkerung“ thematisierte ungleich verteilten Reichtum und die Ernährungslage auf den Kontinenten, Workshops die Themen Ökologischer Fußabdruck, Plastik, Handy, Fußball, Kaffee, Banane, Jeans und Kinderarbeit.

Bei der Abschlusspräsentation des Gelernten trugen sie den Eltern und dem Neumarkter Oberbürgermeister Thomas Thumann ihre Ideen vor: alte Handys sammeln, eine Kleidertauschbörse an der Schule und einen Schulweltladen organisieren, nur noch Bananen und Schokolade mit Fairtrade-Siegel und nur noch Fußbälle, die ohne Kinderarbeit hergestellt wurden, kaufen, zu Fuß zur Schule gehen und vieles mehr. Dafür wurden die Schülerinnen und Schüler offiziell als „Neumarkter Zukunftshelden“ gekürt, die ihr Wissen weiter in ihre Schulen tragen werden. Eine Wiederholung des Aktionstages ist in Planung, und aus anderen Schulen in Bayern liegen bereits Anfragen nach dem Konzept vor.

Neben derartigen punktuellen Aktionen ist die gesunde Ernährung fest im Konzept der Theo-Betz-Grundschule verankert. Die Teilnahme am Schulobst- und -milchprogramm, wöchentliche Obstkörbe in vielen Klassen, Bioessen des Caterers und weitere Aktionen sind seit vielen Jahren etabliert.

In einem besonderen Umfeld lernen

Der Schultag der Ganztagsklassen ist überwiegend in 90-Minuten-Blöcken strukturiert. „Das gibt mehr Zeit und Ruhe, ohne Unterbrechung zu lernen. In ÜVW-Stunden – ÜVW heißt „Üben, Vertiefen, Wiederholen“ – lernen die Schülerinnen und Schüler mit dem Wochenplan, individuell und selbstständig oder in Gruppenarbeit. Jede Ganztagsklasse besitzt neben dem Klassenraum einen zusätzlichen Raum, in dem die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen ungestört arbeiten können. Schriftliche Hausaufgaben werden an der Theo-Betz-Grundschule nur über das Wochenende für die kommende Woche aufgegeben.

Kinder beim Lernen
Stationenlernen im Mathematik-Unterricht © Theo-Betz-Schule

„Gerade bei sprachlichen Schwierigkeiten hat es sich als sehr wertvoll erwiesen, wenn in der Kleingruppe oder im Tandem Inhalte wiederholt und Begriffe geübt werden können.“ Der Schulleiter weiß, wovon er spricht. Schon als Lehrer, später als Konrektor hat er sich mit individueller Förderung einen Namen in der Region gemacht. Zur besseren Unterstützung aller Schülerinnen und Schüler sind auch feste Differenzierungszeiten in den Klassen eingeplant, die von Lehrertandems begleitet werden.

Ab dem kommenden Schuljahr 2019/2020 wird das Schulleben an der Theo-Betz-Grundschule sich erneut verändern. In Kooperation mit der Lebenshilfe Neumarkt startet das schulische Angebot „Inklusion weitergedacht“. Kinder mit und ohne Behinderung können „in einem besonderen Umfeld nach einem außergewöhnlichen Konzept lernen“ – nach dem bayerischen Lehrplan für Grundschulen, der auf den Übertritt an eine Mittelschule, eine Realschule oder ein Gymnasium vorbereitet. Alle Kinder sollen von dem neuen Konzept – und frisch sanierten Räumen – profitieren, mit Unterstützung des gemeinsamen pädagogischen Personals. 

 

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Eine übersichtliche Kurzinformation über die aktuellen Artikel, Meldungen und Termine finden Sie zweimal monatlich in unserem Newsletter. Hier können Sie sich anmelden.

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion erlaubt. Wir bitten um folgende Zitierweise: Autor/in: Artikelüberschrift. Datum. In: https://www.ganztagsschulen.org/xxx. Datum des Zugriffs: 00.00.0000