St.-Norbert-Ganztagsschule: Fördern durch Vertrauen und Verständnis : Datum: Autor: Autor/in: Marcel Ludwig

Der Leitgedanke der St.-Norbert-Schule Vreden lautet: "Gemeinsam leben – Gemeinsam lernen – Gemeinsam leisten". Daher hat die Schule die Schulsozialarbeit fest verankert.

An der St.-Norbert-Schule in Vreden lernen Schülerinnen und Schüler mit Wurzeln in fast 20 verschiedenen Nationen. Das Selbstverständnis dieser Offenen Ganztagsschule (OGS) im nordrhein-westfälischen Kreis Borken spiegelt sich in dem Leitgedanken "GEMEINSAM LEBEN – GEMEINSAM LERNEN – GEMEINSAM LEISTEN" wider. Alle Kinder erhalten hier die Möglichkeit, in ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten gefördert und gefordert zu werden. In diesem Zusammenhang nimmt das Training der emotionalen und sozialen Kompetenzen eine Schlüsselposition ein.

Die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begleiten die Kinder nach dem Unterrichtsende beim Mittagessen, bei den Hausaufgaben sowie in der "Freizeit" mit täglich wechselnden Angeboten an Kreativ-, Musik-, Bewegungs-, Lern- und Spieleinheiten. In dieser engen Beziehung vermitteln die außerschulischen Pädagoginnen und Pädagogen den Kindern Sicherheit und Verlässlichkeit, wobei die individuelle Förderung im Vordergrund steht. Für Schülerinnen und Schüler, die besonderen Förderbedarf haben, wird nach Absprache mit den Klassenlehrern ein Förderplan erstellt. An mehreren Nachmittagen ergänzen auch Lehrkräfte das Hausaufgaben-Team.

Durch das Übernehmen von Regeln und die weitere Nutzung der Lernmaterialien aus dem Unterricht können Schwierigkeiten mit den Hausaufgaben direkt am Tagesende mit den Eltern oder am folgenden Tag mit den betreffenden Klassenlehrern besprochen werden. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit werden mit den Kindern die Grundlagen für eine erfolgreiche Bewältigung der Hausaufgaben geschaffen.

Eigenverantwortung und Erfolgserlebnisse stehen im Vordergrund. So wird ganzheitliches Lernen ermöglicht, bei dem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl vermittelt werden. Zwischen den pädagogischen Mitarbeitern und den Lehrkräften besteht eine enge Zusammenarbeit. Informationen werden eingeholt und ausgetauscht.

„Jedem Nachteil kann ein Schatz innewohnen“

Jede Schülerin und jeder Schüler verfügt über individuelle Stärken und Schwächen, welche die Lehrkräfte und das pädagogische Personal annehmen und in unterschiedliche Richtungen fördern und fordern. Jedes Kind kann mal schlechte Tage haben, Sorgen oder Stress mit sich herumtragen oder in Streitigkeiten hineingeraten. Auch Leistungsdruck, Versagens- und Schulangst können das kindliche Befinden beeinflussen. Manchmal zeigt sich sogar eine Aus- oder Abgrenzung auf Grund wahrgenommener Defizite. In solchen Fällen ist – unabhängig von Stand und Herkunft – dringliches Handeln gefragt.

Fehlende Sprachkenntnisse, ein langsamerer Erwerb der Kernkompetenzen oder Kulturtechniken auf der einen Seite, übermäßiger Ehrgeiz, Kontaktscheu und Hilflosigkeit auf der anderen Seite – dies sind Szenarien, mit denen Kinder und ihre Familien nicht selten zu kämpfen haben. Und die Folge sind oftmals Traurigkeit, Frustration und Wut.

An dieser Stelle kommt ein aktuelles Projekt der St.-Norbert-Schule Vreden zum Tragen: Die "Mitmach-Bude" – ein konzeptionell, materiell und räumlich vielschichtiger Baustein schulischer Sozialarbeit. In kleinen wie großen Krisenlagen benötigen Kinder mitunter eine Auszeit, weil ansonsten Aufmerksamkeit und Konzentration fehlen und die persönlichen Umstände nicht vor der gesamten Klasse zur Schau gestellt werden sollen.

Die "Mitmach-Bude"

"Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen." Dieses Motto ziert eine Wand der neu geschaffenen "Mitmach-Bude" an der Norbert-Schule. Ein Spruch, der viel Wirklichkeit und wichtige Aufgaben beinhaltet. Das Umfeld der zentralen Anlaufstelle entspricht einer maritimen Landschaft. Der Gedanke, dass Kinder nur zur Aufnahme von Wissen in die Schule kommen, ist nicht mehr zeitgemäß. Schließlich bringt jeder junge Mensch eine eigene Biografie, individuelle Stärken und Schwächen, eine persönliche Perspektive voller Wünsche und Erwartungen mit in den „Lebensraum Schule“. Die Lehrkräfte und das pädagogische Personal begleiten die Kinder – mehr denn je – auf einem Stück ihres Lebensweges, sodass in unterschiedlichsten Lagen der gemeinsame Griff zum "Tauwerk der Segel" erforderlich wird. Auch die Eltern sind Teil der "Mannschaft".

Der Titel "Mitmach-Bude" entspricht dem Ziel, den vielfältigen Aufgaben keinen negativen Stempel aufzudrücken. Denn die "Mitmach-Bude" kann so manches leisten, nur eines darf sie nicht: Strafe sein. Die Angst, weil Mama gerade krank ist, das Bauchweh vor einer Klassenarbeit; die innere Unruhe, die die Aufmerksamkeit blockiert, der ungeklärte Pausenstreit, die Wut im Bauch, der fehlende Mut, einfach ein offenes Ohr suchen – all das können Gründe sein, warum ein Kind eine kurze Auszeit benötigt. Und eine solche kleine Pause kann Wunder wirken, denn danach sieht vieles anders aus. Oftmals sind natürlich auch Regelmäßigkeit und Kontinuität wichtig, sodass ein festes Programm aufgestellt wird.

Die "Mitmach-Bude" ist multifunktional und raumübergreifend gestaltet. Einnehmendes Element ist ein großer Weichbodenbereich, der dem natürlichen Spiel- und Entspannungsbedürfnis gerecht wird. Hierauf kann man zum Beispiel toben und Dampf ablassen. Eine darüber angebrachte Hängematte vermittelt Ruhe und das Gefühl, auf einer Insel zu sein. Schaukelbojen geben Halt und fordern die Körperbeherrschung. Auch die Boxbirne kann die Wut nehmen und einen Ausgleich schaffen.

"Das bin ICH, und ICH bin toll, so wie ICH bin"

An den Wänden sind Torapplikationen sowie ein Tastpfad zur Förderung der Sinne angebracht. Ein großer Spiegel soll den Kindern eine andere Form der Selbstwahrnehmung ermöglichen: "Das bin ICH, und ICH bin toll, so wie ICH bin." Daneben gibt es einen großen Schrank voller Überraschungen. Er ist gefüllt mit unterschiedlichsten Spielen und Materialien zum Fördern und Fordern verschiedenster Kompetenzen. Zum räumlichen Konzept zählen ebenfalls des Fußball-Kleinspielfeld, die Sporthalle, der schuleigene Rasenplatz und externe Orte wie der Erlebniswald, der Stadtpark oder der Berkelsee.

An allen Unterrichtstagen steht das Angebot der "Mitmach-Bude" als Baustein des schulischen Sozialtrainings ab 9.00 Uhr zur Verfügung. Die Klassenlehrkräfte haben damit die Möglichkeit, flexibel und individuell auf besondere Situationen zu reagieren. Zum Konzept gehören Vertrauen und Verlässlichkeit. So wird auch erreicht, dass eine Auszeit nicht zum Luxus wird, den man sich mal eben aus Lust und Laune gönnt. In der Zusammenarbeit zwischen den Kindern, Pädagogen und Eltern werden klare Regeln und Erwartungen abgestimmt.

Die bisherige Erfahrung zeigt, dass den Kindern das Erreichen der Ziele wichtig ist und sie mit Stolz erfüllt. Neben der offenen Handhabung gibt es auch feste, regelmäßige Einheiten für einzelne Schülerinnen und Schüler, Kleingruppen oder Klassenverbände. Diese gehören dann zu einer verbindlichen Förder- und Forderplanung im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule.

Sicherheit und Verständnis statt Wut im Bauch spüren

Das Vorhaben der Norbert-Schule hat viele Unterstützer: In der Kooperation mit der Stadt Vreden als Schulträger traf die Schule sofort auf eine offene Bereitschaft, indem Räumlichkeiten zur Nutzung überlassen wurden. Auch Sponsoren, die den Aufbau der "Mitmach-Bude" unterstützt haben, waren schnell überzeugt: Die Volksbank Gronau-Ahaus, die Saueressig GmbH & Co. KG und die PlanET Biogastechnik GmbH stellten Mittel bereit, um eine große Fülle an Materialien anzuschaffen. Das dritte Aufgabenpaket lag auf Seiten des Teams der Schule, das sich engagiert in die konzeptionelle und praktische Gestaltung der "Mitmach-Bude" eingebracht hat.

Dem Kernmotiv der Norbert-Schule "GEMEINSAM LEBEN – GEMEINSAM LERNEN – GEMEINSAM LEISTEN" entsprechend ist die "Soziale Arbeit" in den letzten Jahren mehr und mehr zu einer selbstverständlichen Schlüsselanforderung geworden. Auf diese Weise sollen alle Kinder die Schule als schönen und positiven Lern- und Lebensort empfinden. Sie sollen verstärkt Sicherheit und Verständnis spüren, mehr fröhlich statt traurig sein, weniger Wut im Bauch mit sich herumtragen und gleichberechtigte Behandlung erfahren.

Auf einer solchen Basis gelingt das Lernen und Leisten spürbar besser und nachhaltiger. In unserer Gesellschaft müssen die Kinder schon oft genug wie kleine Erwachsene funktionieren. Gerade deshalb brauchen sie einen verlässlichen Partner, der ihnen Vertrauen und Halt gibt und die Freude am Tun und die Erfolgserlebnisse wieder in den Mittelpunkt rückt.

Marcel Ludwig ist seit 2006 Lehrer an der St.-Norbert-Schule Vreden, an der er 2012 zum Schulleiter berufen wurde. Die St. Norbert-Schule ist eine katholische Grundschule mit Offener Ganztagsschule (OGS), die von rund mit 460 Schülerinnen und Schülern besucht wird.
2014 wurde die „Mitmach-Bude“ der St.-Norbert-Schule im Rahmen des „WDR-Kinderrechtepreises“, der die UN-Konvention über die Rechte des Kindes unterstützt, als „Projekt zum Nachahmen“ für das Recht auf Bildung und Förderung gewürdigt.

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