„Soziales Lernen steht für uns weit oben“ : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

220 Kinder besuchen die katholische Johann-Peter-Melchior-Schule in Ratingen. Aktuell arbeiten Lehrkräfte, Eltern und Schüler an der Weiterentwicklung des Leitbildes der Offenen Ganztagsschule.

Außenansicht der Johann-Peter-Melchior-Schule
© Johann-Peter-Melchior-Schule

Das Lachen ist weithin zu hören. Es schallt herüber vom weitläufigen Schulgelände, auf dem Kinder fröhlich in der Pause toben. Doch es hallt auch aus dem Sekretariat, wo sich Schulleiterin Marlene Stuckart und Sekretärin Petra Laurich gerade lachend unterhalten. Heiterkeit und eine hohe Zufriedenheit im Kollegium, unter den Eltern, besonders aber unter den rund 220 Schülerinnen und Schülern prägen den Alltag der Johann-Peter-Melchior-Grundschule in Ratingen. Oder wie es Lehrerin Miriam Habermann, die zufällig durch die offene Tür ihrer Schulleiterin blickt, formuliert: „Hier herrscht das weltweit beste Schulklima. Teamarbeit steht nicht nur auf dem Papier. Sie wird gelebt. Dazu gehört auch, dass wir Probleme und Herausforderungen nicht ignorieren, sondern ansprechen.“

Toleranz und soziales Lernen

Die Johann-Peter-Melchior-Schule in Ratingen-Lintorf, eine katholische Grundschule, steht zu christlichen Werten und pflegt diese. Das wird den Eltern schon beim Aufnahmegespräch deutlich gemacht. Alle Kinder nehmen hier am katholischen Religionsunterricht teil. Der Besuch des Gottesdienstes oder die Pflege christlicher Feiertage sind selbstverständlich. Doch nimmt die Schule nicht nur katholische Kinder auf. Es gibt auch muslimische Schülerinnen und Schüler. Vielfalt bereichere die Schule, sagt Marlene Stuckart. „Das schafft Toleranz.“

Toleranz ist somit ein fester Bestandteil des Schulvertrages, der mit den Eltern geschlossen wird. Er umreißt, was die Schule leistet und was sie von den Kindern und ihren Eltern erwartet. Melanie Klein ist Klassenlehrerin bei den i-Dötzchen, wie die Schulanfänger im Rheinland heißen. Sie sagt: „Das soziale Lernen steht für uns weit oben auf unserer Prioritätenliste. Darum achten auch alle Kolleginnen und Kollegen auf die Einhaltung der Klassenregeln.“ Dass es dennoch nicht ohne Auseinandersetzungen und Reibereien zwischen den Schülerinnen und Schülern abgeht, betrachtet das Kollegium als „normal“. Gibt es Konflikte, steht Schulsozialarbeiterin Sigrid  Azurduy zur Verfügung. „Leider nur einmal pro Woche“, bedauert Marlene Stuckart. Kleine Konflikte lösen die im 3. Schuljahr ausgebildeten Streitschlichter. Für ihre „Arbeit“ wurde im Schulgebäude eigens eine Sitzecke eingerichtet.

Frühzeitige Diagnostik

Welches Kind welche Förderung benötigt, versucht das Kollegium der Johann-Peter-Melchior-Schule schon im ersten Schuljahr herauszufinden. Wenn möglich, gehen dann zwei Lehrkräfte in die Klasse und analysieren gemeinsam die Ausgangsvoraussetzungen der Kinder, insbesondere in Rechnen und Deutsch. Mit Blick auf die Schreib- und Lesekompetenzen der Kinder meint Klassenlehrerin Melanie Klein: „Wir schaffen ein Bewusstsein für die richtige Schreibweise. Achten zum Beispiel von Anfang an darauf, dass der erste Buchstabe des ersten Wortes eines Satzes großgeschrieben wird und am Ende des Satzes ein Punkt steht. Wir sprechen deutlich, korrigieren konsequent. „Wir wan“ statt „Wir waren“ oder „Fänsta“ statt „Fenster“ haben wenig Chance. Bei allem nutzt die im Ort eng verwurzelte Grundschule digitale Medien. Doch Marlene Stuckart und ihr Team sagen auch: „Pädagogik geht vor Technik. Ein schlechter Unterricht wird durch Technik kein guter.“

Poster mit den Lernzielen, wie z. B. soziales und individuelles Lernen, Medienkompetenz, christliche Werte
© Johann-Peter-Melchior-Schule

Die Hausaufgabenbetreuung übernehmen weitgehend die Lehrkräfte. Auch das zeichnet das Miteinander aus. Katharina Hildebrandt weiß es zu schätzen: „Wir sprechen täglich über die Kinder, über ihre soziale Entwicklung, über Lernfortschritte und Dinge, die noch optimiert werden können.“ Wichtige Informationen werden in einem gemeinsam geführten Heft festgehalten. „So kommen wir unserem Ziel, die Schülerinnen und Schüler gemeinsam optimal zu fördern und zu fordern, nahe“, ist Marlene Stuckart überzeugt.

Lebendiger Ganztag mit Bewegung

Katharina Hildebrandt leitet die OGATA, die offene Ganztagsschule. Wer mit ihr spricht, spürt ihre Freude an der Arbeit, die Freude über „ihre“ Kinder. Sie strahlt, wenn sie von den Arbeitsgemeinschaften berichtet, von Jazz-Dance, Kids in Action (Sport in der Turnhalle) oder dem Auftritt des Künstlers Michalis Antoniades, der sich im Übrigen auch als Handballnationalspieler Zyperns einen Namen gemacht hat.

Die Liste der Aktivitäten in und außerhalb der Schule, mal platziert im Unterricht, mal am Nachmittag, würde den Rahmen des Aufzählbaren sprengen. Es gibt vielfältige Arbeitsgemeinschaften und Projekte in den Bereichen Umwelt, Kunst, Musik, Sport, Technik für alle Klassen, darüber hinaus Theaterbesuche, Dichterlesungen, Museumsbesuche oder Besuche von Betrieben vor Ort. Ein Höhepunkt ist jedes Jahr die Teilnahme der Schule an den Karnevalszügen in Ratingen mit dem von Kindern unter der Anleitung von Kunstlehrerin Andrea Lenzing gestalteten Motivwagen.

Besonders wichtig sind der Schule die zahlreichen Sport- und Bewegungsmöglichkeiten. Sie reichen vom Tischtennis über Klettergerüste, Basketballkörbe, ein Rasenfußballfeld mit Toren, Hüpfpfosten oder Eislaufen im Sportunterricht bis zum großen Piratenschiff  „Lilli von Lintorf“, einem Erlebniskletterparcours. Die Schülerinnen und Schüler beteiligen sich außerdem regelmäßig an Fußballturnieren und am Leichtathletikwettkampf der Ratinger Grundschulen.

Das grüne Klassenzimmer wird saniert

Bewegung ist im wahrsten Sinne des Wortes ein prägendes Element der Offenen Ganztagsschule. Lässt es das Wetter zu, findet die Unterrichtsstunde gerne einmal im grünen Klassenzimmer statt. Besser müsste es derzeit wohl heißen: fand statt. Denn ein Orkan hat das Gelände verwüstet. Doch es gibt Hoffnung. Das Gartenhaus baute ein örtliches Unternehmen wieder auf. Das Umwelt- und Bildungszentrum Heiligenhaus hat seine Unterstützung zugesagt, das Klassenzimmer wiederherzurichten.

Im neuen Schuljahr soll es soweit sein. Doch auch ohne grünes Klassenzimmer dient das große Außengelände als perfekte Alternative zum Schulgebäude. Im Freien wird musiziert und das nicht nur am Vormittag, sondern auch am Nachmittag. 90 Kinder sind von ihren Eltern in der OGATA angemeldet. Träger ist der Verein zur Förderung der Über-Mittag-Betreuung in Ratingen e. V., dem sich die Johann-Peter-Melchior-Grundschule im vergangenen Jahr angeschlossen hat. „Und wir sind total begeistert“, strahlt Marlene Stuckart.

„Eltern sind so wichtig“

Eine Schülerin malt Bilder auf einer Leinwand
© Johann-Peter-Melchior-Schule

Das Miteinander, die intensive Kommunikation und Partizipation aller Beteiligten spiegelt sich im Leitbild der Schule. Aktuell wird es weiterentwickelt. In den Klassen werden Ideen gesammelt und aufgegriffen. Die Eltern arbeiten zunächst an ihren Vorstellungen und bringen sie zu Papier. Im Büro von Marlene Stuckart, die vor rund einem halben Jahr die Nachfolge des 20 Jahre als Schulleiter tätigen Heinz-Peter Schreven, angetreten hat, hängt, auf ein Flipchart gezeichnet, der erste Aufschlag des Kollegiums: Medienkompetenz, Lernfreude, Wir-Gefühl, soziales und individuelles Lernen, christliche Werte, Kooperation lauten erste Stichworte.

Für weitere ist Raum. Warum ist eine Überarbeitung erforderlich? „Weil wir uns einfach immer wieder fragen wollen, ob das Alte noch passt. Und wir haben festgestellt, dass das bisherige Leitbild nur erweitert werden muss“, berichtet die Schulleiterin, „beispielsweise zum Umgang mit neuen Medien“. Mit welchen Anregungen die Eltern kommen werden, weiß sie noch nicht. Aber sie weiß: „Eltern sind so wichtig. Sie sind kreativ, haben Beziehungen. Es wäre eine Schande, sie nicht einzubeziehen. Und darum müssen sie stets informiert werden über das, was unsere Schule gerade bewegt.“

 

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