Sonneberg: Ganztags nachhaltig in Gemeinschaft : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

„Zukunftslabor“ für die vielfältigen Potenziale der Schülerinnen und Schüler und „Schlau wie der Fuchs“: Die Gemeinschaftsschule Sonneberg, Thüringer Nachhaltigkeitsschule, weiß: „Jeder kann etwas, was nicht jeder kann!“

Verleihung
Umweltschule: Vom Grünen Schulhof bis zum Grünen Klassenzimmer © Gemeinschaftsschule Sonneberg

Dass eine Schule sich auf den Bürgerrechtler und 1989 zum tschechoslowakischen Staatspräsidenten gewählten Václav Havel beruft, kommt sicherlich nicht oft vor: „Hoffnung ist nicht der Glaube daran, dass etwas gut ausgeht. Sondern es ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat. Egal wie es ausgeht.“ Die Sybille-Abel-Schule Sonneberg zeigt solches Geschichtsbewusstsein und hat das Zitat als eine der Thüringer Nachhaltigkeitsschulen zu ihrem Motto erkoren. Zugleich versteht sich die Gemeinschaftsschule als „Zukunftslabor“ – für die vielfältigen Potenziale der Schülerinnen und Schüler. Das beginnt beim Grünen Schulhof und reicht über das Grüne Klassenzimmer bis zur „gesündesten Regelschulklasse“ im Landkreis.

Das Grüne Klassenzimmer ist das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung. Schon seit 1997 beteiligt sich die Schule am Projekt „Umweltschule in Europa – Internationale Agenda 21-Schule“ zur Förderung der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Um die begehrte Auszeichnung zu erhalten, müssen Schulen ein Konzept entwickeln und erfolgreich umsetzen. In der Gemeinschaftsschule Sonneberg hat die Arbeitsgruppe „Umweltschule“ über Jahre die Themen Energie, Wasser, Upcycling, Stadtökologie, Ernährung, Eine Welt oder Verkehr bearbeitet. Eltern und außerschulischen Partner wie Wirtschaft, Kommune, Vereine und Nachbarschaft wirken dabei aktiv mit.

Früchte des Erfolgs

 Die Oberlinder Schöne. Der Rheinische Winterrambur. Die Rote Sternrenette. Wer diesen begegnen möchte, muss sich in den Schulgarten der Gemeinschaftsschule Sonneberg begeben. Im Oktober 2019 tummelten sich dort Schülerinnen und Schüler in Gummistiefeln mit Spaten und Schaufeln, um zusammen mit einer Landschaftsbaufirma neun Obstbäume in die Erde zu setzen und anzubinden. Mit dabei waren Sponsorinnen und Sponsoren aus der heimischen Wirtschaft, die die Patenschaft für die Apfel-, Pflaumen- und Quittenbäume übernommen haben, um die sich jeweils eine Klasse kümmert. Die Geburt der Blüh- und Streuobstwiese.

Jetzt führt Schulleiterin Ute Salzer über die Wiese hinter dem neuen Schulgebäude, das im Februar 2019 bezogen worden war. Im letzten Jahr sind Hochbeete dazugekommen, um die sich die Schulgarten-AG kümmert. Die Schülerinnen und Schüler säen nachhaltig und produzieren die Samen auch selbst. Ein Kräuterbeet gibt es, und im kleinen Schulwald neben der Streuobstwiese stehen zwei ausrangierte Bauwagen, welche die Kreisstraßenmeisterei der Schulgemeinschaft überlassen hat. Die Schulgarten-AG will die Bauwagen umbauen und für die Arbeit im Schulgarten ausstatten. „Die Schülerinnen und Schüler planen ein Jugendforscherhaus und ein Naturbistro“, erzählt Ute Salzer.

„Für unsere Differenzierungsräume haben wir hart gekämpft!“ © Gemeinschaftsschule Sonneberg

Neben dem Schulwald befindet sich die Soda-Fläche. Soda für „So da stehen lassen“, schmunzelt Biologielehrer Markus an der Heiden. Hier wuchert inzwischen eine Wildblumenwiese mit rund 50 verschiedenen Pflanzenarten. Hautnah können die Schülerinnen und Schüler im Biologieunterricht Insekten, Spinnen und Vögel beobachten oder im Chemieunterricht Bodenmessungen durchführen. „Die Kinder haben ein Insektenhotel gebaut, und wir stellen demnächst eine Wetterstation auf.“

Der Aufbau der Hochbeete und Projekte wie der Umbau der Bauwagen profitierten zuletzt ganz konkret von der erfolgreichen Teilnahme der Gemeinschaftsschule am Wettbewerb „Zehn grüne Schulhöfe für Thüringen“. Im März 2020 konnten sich die Sonneberger über den mit 30.000 Euro dotierten Preis des Thüringer Umweltministeriums und der Deutschen Umwelthilfe freuen. Geplant und erträumt sind ein Reblehrpfad, eine Vogeltränke, ein Hühnerstall und eine Imkerei, unterstützt von professionellen Planerinnen und Planern.

„Jeder von uns kann etwas, was nicht jeder kann!“

Das Modell der Thüringer Gemeinschaftsschule umfasst die Klassen 1 bis 10. Bis Klasse 8 lernen die Schülerinnen und Schüler gemeinsam und erst anschließend in abschlussbezogenen Lerngruppen. Bis dahin wird binnendifferenziert unterrichtet. „Wir haben dreierlei Übungsniveaus mit einem großen Pool an Arbeitsmaterialien und Übungszeiten“, erläutert Susanne Bäz, die Leiterin der Schulentwicklungsgruppe. „Einzelne Jugendliche werden darüber hinaus in Deutsch, Mathematik und Englisch gefördert. Für unsere Differenzierungsräume haben wir hart gekämpft!“

„Wir waren erst auf dem reformpädagogischen Trip, aber das passte für unseren Standort nicht“, bilanziert Susanne Bäz die Entscheidung des Kollegiums für die Gemeinschaftsschule. „Inspiration haben wir uns dann bei Ralph Leipold, dem damaligen Schulleiter des Gymnasiums Neuhaus am Rennweg, wo mit dem Dalton-Plan gearbeitet wurde, geholt.“

Musikunterricht
© Gemeinschaftsschule Sonneberg

„Miteinander. Füreinander. Gemeinsam anders lernen“, lautet die Vision der Schule. Der Unterricht ist hauptsächlich in Doppelstunden organisiert. „Es ist ruhiger im Schulhaus geworden, wir haben den Tag entschleunigt“, bilanziert Schulleiterin Ute Salzer. „Früher im 45-Minuten-Takt sind wir oft nicht fertig geworden. Lernen braucht einfach Zeit. Für die Kolleginnen und Kollegen hieß das aber auch, dass sie gezwungen waren, den Unterricht anders zu gestalten.“

Die Arbeitsgemeinschaften werden wiederum von Externen und Ehemaligen durchgeführt – von Schach, Technik und Fotografie über Improtheater, Tanz oder Lesezirkel bis hin zum Angebot des Musikstudios Fröhlich von Markus Häßler, einem gebürtigen Sonneberger und Kreis-Chorleiter, der Melodika- und Akkordeonkurse anbietet. Das Motto für die Vielfalt der Förderung ist hier: „Jeder von uns kann etwas, was nicht jeder kann!“

Schulentwicklung: „Hart gearbeitet“

Seit 2019 kann sich die offene Ganztagsschule mit ihren 400 Schülerinnen und Schülern, 31 Lehrkräften, einer Sonderpädagogin und einer Schulsozialarbeiterin über ihr neues Schulgebäude im Stadtteil Steinbach freuen. Am früheren Standort in Köppelsdorf hätten sich all die Pläne nicht verwirklichen lassen. „Wir hatten dort zwar auch ein schönes Außengelände, aber das Haus selbst wirkte wie ein Schulmuseum“, berichtet Ute Salzer. Vor allem war es zu klein geworden. „Vor sieben Jahren war die Schule dem Untergang geweiht, wir waren teilweise nur noch einzügig. Dann haben wir sehr hart gearbeitet.“

Mit dem Ergebnis, dass für die drei- bis vierzügige Gemeinschaftsschule der Raum in dem Neubau, den die Schule aktiv mitplanen konnte, nun schon wieder knapp wird. Das sind die ungeplanten Früchte des Erfolgs, die sich letztlich der Schulentwicklung „seit Jahr und Tag“ verdankt, wie Schulleiterin Salzer betont. Schon immer habe das Kollegium über den Tellerrand geschaut, sich manches „an anderen Schulen abgeguckt“ und dann mit den eigenen Ideen verbunden. Ein Beispiel ist das „Hausaufgabenheft“, in dem die Schülerinnen und Schüler ihre Wochenziele definieren, die sie in den Klassenleiterstunden besprechen.

Beim Rundgang über das Schulgelände wird klar, dass die Schülerinnen und Schüler je nach Stundenplan täglich mehrere Hundert Meter zurücklegen, um zur Turnhalle, zur Mensa, zu Klassenräumen oder den gut ausgestatteten Werkräumen zu gelangen. Die „Bewegungsfreundliche Schule“, die die Gemeinschaftsschule Sonneberg auch ist, beginnt hier.

Sportlich in Bewegung

Apropos Bewegungsfreundliche Schule: Traditionell findet zu Beginn des Schuljahres die „Woche der Bewegung“ statt, in der die Schülerinnen und Schüler auf unterschiedliche Art und Weise aktiv sein können. Es gibt Zweifelderball-, Basketball- und Volleyballturniere, ein Bowling-Turnier der Klassenstufen und einen Trimm-Dich-Parcours, der sowohl Schnelligkeit, Geschicklichkeit als auch Kraft verlangt.

Der gemeinsame Schulwandertag gehört schon immer zum Programm wie auch seit 2013 das Projekt „Streetsurfing“. Die Trendsportarten mit dem Waveboard gehört ebenso zum Bewegungskonzept wie die klassische Leichtathletik. Schulmannschaften der Gemeinschaftsschule nehmen regelmäßig an Wettkämpfen teil, ob am Crosslauf „gegen die starke Konkurrenz der Regelschulen und Gymnasien des Landkreises“, am Thüringer-Wald-Firmenlauf in der Rennsteig-Arena in Oberhof oder an Volleyball-Kreisausscheiden.

Sportvereine gehören zu den engsten Kooperationspartnern der Schule. © Gemeinschaftsschule Sonneberg

Die Teilnahme von Schulstaffeln am „Staffellauf im Stadtpark“ versteht sich von selbst. Leichtathletik Sonneberg e. V., die SG 1990 Köppelsdorf und der 1. Sonneberger Volleyballclub 2004 e.V. gehören schließlich zu den engsten Kooperationspartnern der Schule. Wenig verwunderlich, dass auch die „gesündeste Regelschulklasse“ des Landkreises im gleichnamigen Wettbewerb der Sportjugend schon aus der Gemeinschaftsschule Sonneberg kam. In dem Wettbewerb müssen die Klassen allerdings nicht nur sportliche Fähigkeiten, sondern auch Wissen zum Thematik Gesundheit unter Beweis stellen.

„Time for You“ mit der Schulsozialarbeit der Diakonie

Schulsozialarbeiterin Christine Kalies arbeitet seit 2015 an der Gemeinschaftsschule, seit April 2020 mit 36 Wochenstunden und im eigenen Büro. Ihr Arbeitgeber ist das Diakoniewerk Sonneberg und Hildburghausen. Sie bietet für die 5. Klassen das Projekt „Lernen lernen“ und alle zwei Wochen das Sozialkompetenztraining „Time for You“ an. Dazu kommen Entspannungs- und Bewegungsangebote. „Anderes ergibt sich spontan, zum Beispiel durch Konfliktsituationen oder Beratungsbedarf. Schülerinnen und Schüler kommen zu mir, Eltern auch. Schön ist es, wenn meine Angebote nicht als Unterrichtsausfall, sondern als Bereicherung für den Unterricht gesehen werden“, berichtet die Schulsozialarbeiterin.

Im Projekt „Jung trifft Alt“ besuchen Siebtklässler regelmäßig das Diakonie-Altenpflegeheim Annastift, begleitet von Christine Kalies. Die Schülerinnen und Schüler lesen vor, singen und turnen mit den alten Damen und Herren – und reden und hören einander zu. „Was in diesen Angeboten an gefühlsmäßigen Momenten geschieht, kann man kaum mit Worten beschreiben“, sagt die Schulsozialarbeiterin. „Die Bewohnerinnen und Bewohner des Annastifts haben manchmal Tränen in den Augen und zugleich ein Lächeln auf den Lippen, sie sind dankbar für die Begegnungen.“

„Schlau wie der Fuchs“

Woche der Berufe © Gemeinschaftsschule Sonneberg

Ein besonders Projekt war zuletzt „Logo macht Schule“, ins Leben gerufen von Schulleiterin Ute Salzer und Diplom-Kunsterzieher Jan Donnerberg. Schülerinnen und Schüler konnten sich bewerben, um das Schullogo und ein Maskottchen zu entwickeln. Im Januar 2020 gaben sie dazu eine professionelle Pressekonferenz und stellten Stadtrat, Partnerunternehmen und Medienvertreter das Ergebnis „Schlau wie der Fuchs“ vor.

Die Gemeinschaftsschule Sonneberg ist eine „Berufswahlfreundliche Schule“. Das Qualitätssiegel erhalten Thüringer Schulen für ihre Berufs- und Studienvorbereitung und die verbindliche Qualität der Berufswahlvorbereitung. Nach drei Jahren muss es durch den Nachweis von Entwicklungsfortschritten verteidigt werden. 

„Jeder Schüler und jede Schülerin ist bei uns während der Schulzeit sieben Wochen außer Haus. Und in der Berufsorientierungswoche im Januar ist sogar die ganze Schule unterwegs“, berichtet Monika Speerschneider, die stellvertretende Schulleiterin. Zur Berufswahlvorbereitung gehören bereits ab Klasse 5 zahlreiche Unterrichtsprojekte und das Sozialpraktikum in der 7. und 8. Klasse. Die sogenannte Ämterrallye ermöglicht Schülerinnen und Schülern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes, des Rechts- und Ordnungsamtes, des Gesundheitsamtes oder des Kreissportbundes zu ihrer Arbeit zu befragen.

Betriebe geben sich die Klinke in die Hand

Als Nachhaltigkeitsschule kooperiert die Gemeinschaftsschule schon seit 2011 mit der ortsansässigen Licht- und Kraftwerke Sonneberg GmbH und den Wasserwerken im Landkreis. Die Schülerfirma „1200°“ widmet sich der Herstellung und Vertrieb von Kunsthandwerk, die Schülerfirma „KÖBÄCK“ wiederum der von Backwaren. Ab der 8. Klasse kommen 30 Betriebe in die Schule. „Wir haben ein riesengroßes Netzwerk an Firmen, die sich bei uns die Türklinke in die Hand geben und uns Berufserkundungen und Betriebspraktika ermöglichen“, berichtet Monika Speerschneider.

„Die Betriebe geben sich die Klinke in die Hand.“ © Gemeinschaftsschule Sonneberg

Auch Berufsberaterin Manuela Heinze von der Agentur für Arbeit ist regelmäßig im Haus. Sie organisiert Projekte in den Klassen 7 bis 9. Monika Speerschneider weiß: „Für die Schülerinnen und Schüler ist es wichtig, dass Experten von außen kommen. Wir Lehrer können viel erzählen.“ Die Berufsorientierung trägt Früchte. Schulleiterin Ute Salzer resümiert: „Wir bringen unsere Schülerinnen und Schüler ohne Abbruch in Ausbildung. Und von den Betrieben hören wir, dass die Sozialkompetenz unserer Schülerinnen und Schüler hoch ist.“ Das Kompliment gibt Schülersprecherin Lara aus der 7. Klasse gleich zurück: „Wir haben ein gutes Miteinander, die Lehrer sind lieb, die Schule gefällt mir sehr gut!“ Die Thüringer Gemeinschaftsschule ist offen gestaltet: Schülerinnen und Schüler können nach der 4. Klasse oder nach der 10. Klasse an das Gymnasium wechseln. Schulleiterin Ute Salzer beobachtet in den letzten Jahren nun, dass „sich etwas verändert: Eltern wollen ihre Kinder nicht mehr mit aller Macht ans Gymnasium bringen“.

 

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