SNOW im Ruhrgebiet: Gesamtschule Waltrop : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Waltrop im Ruhrgebiet – ein Magnet für Skifreunde? Ja! Das verdankt sich dem Projekt SNOW der Gesamtschule Waltrop mit ihrer umfassenden Berufsorientierung, die ein engagiertes Team im gebundenen Ganztag ermöglicht.

Gruppenfoto der Ski-AG auf der Piste
Seit 1997 leitet das Skilehrerteam die Ski-AG „Skidevils“. © Gesamtschule Waltrop

Waltrop im Kreis Recklinghausen im nördlichen Ruhrgebiet steht nicht im Verdacht, ein Eldorado für Skifahrer zu sein. Die rund 30.000 Einwohner zählenden Stadt liegt gerade mal 67 Meter über dem Meeresspiegel, die höchste Erhebung der Region ist der Stimberg mit 157 Metern . Und doch wird die Gesamtschule Waltrop am 13. Dezember 2019 wieder zu einem Mekka für Skifreunde aus der Umgebung, wenn sie zum 26. Waltroper Skibasar einlädt.

Der Skibasar hat, wie die Zahl zeigt, Tradition. Schulleiterin Ulrike Waterkamp rechnet „wieder mit Hunderten von Leuten, die sich alles für ihre Skiferien ausleihen und ihre Skier schleifen und wachsen lassen wollen“. Der Skikeller der Ganztagsschule öffnet seine Türen und bietet 250 Allround-Carver, 100 Race- und Slalom-Carver, 90 Snowblades, 300 Skischuhe, 300 Skistöcke, 250 Skihelme und 100 Protektoren. Alle sind mit einem Scan-Code versehen, sodass die Ausleihen digital verzeichnet werden können.

Berufsorientierung mit den „Skidevils“

Der „Waltroper Skikeller“ wird vom 15. Januar bis zum 22. April 2020 mittwochs von 11 bis 15 Uhr seinen Service anbieten: Skier und Ausrüstung verleihen, „Kanten schleifen für 2,50 Euro“ oder „Bindungseinstellung für 10 Euro“, vom „Kleinen Ski-Service“ für 5 Euro bis zum „Premium-Service“ für 25 Euro. Die rund 20 Schülerinnen und Schüler der Ski-AG „Skidevils“ aus den Klassen 7 bis 11 führen zusammen mit ihrem Lehrer Rainer Fischer dann den kompletten Ski-Service durch. Sie arbeiten an vier Wachsmaschinen, einer Entwachsmaschine, zwei Bindungseinstellungsgeräten, einem Belagaufschmelzgerät, einer Schleifmaschine und einer Poliermaschine. Sie beraten Privatpersonen ebenso wie Schulklassen, bedienen die Inventar- und Ausleihprogramme und die Kasse. Kein Wunder, dass der „Skikeller“ Pistenfahrer aus der gesamten Region anlockt.

Initiator des „Berufsorientierenden Projektunterrichts (BoPU)“ SNOW ist Rainer Fischer. Der Lehrer, der seit 1997 zusammen mit Kolleginnen und Kollegen für rund 80 Schülerinnen und Schülern einwöchige Skifahrten ermöglicht und die Ski-AG ins Leben rief, hat über viele Jahre den Skikeller mit dem beeindruckenden Materialbestand aufgebaut. „Er hat schon angekündigt, dass er im Ruhestand weitermachen wird“, freut sich Schulleiterin Ulrike Waterkamp über das außergewöhnliche Engagement.

Eingang zum Skikeller der Gesamtschule Waltrop
Im Skikeller © Gesamtschule Waltrop

SNOW ist ein Teil der Berufsorientierung der Gesamtschule Waltrop, die bereits in der 5. und 6. Jahrgangsstufe mit Lernwerkstätten in Deutsch – zum Beispiel im digitalen Schreiben und Gestalten, Mathematik („Auf Einsteins Spuren“) – und Englisch beginnt und bis Klasse 10 mit viel projektorientiertem Lernen in Deutsch, Englisch und Mathematik fortgesetzt wird. Das sogenannte „Lernstudio“ orientiert sich am individuellen Lernstand, Lerntempo und Lernschwerpunkten des einzelnen Jugendlichen und ist in vier Quartale mit unterschiedlichen Schwerpunkten aufgeteilt, an deren Ende jeweils die Reflexion der Schülerinnen und Schüler über ihren Lernprozess steht.

„Starke Schule“ mit Berufswahlsiegel

Neben den Lernstudios gibt es für die Neunt- und Zehntklässler acht „Projektstudios“ des berufsorientierenden Unterrichts mit vier Wochenstunden – zu denen auch SNOW gehört – in den Bereichen Handwerk, Dienstleistungen, MINT, Soziales und Vorbereitung Sek II. Nach einem ausführlichen Beratungsprozess und einer Potenzialanalyse am Ende der Klasse 8 wählen die Schülerinnen und Schüler eines der Projektstudios: In der „Bauhütte“ lernen sie alles rund um die Holzverarbeitung, in „INOX“ geht es um die Metallverarbeitung. „Handwerk und Gestalten“ reicht von der Schulhausgestaltung und künstlerischen Arbeiten bis zu Renovierungsarbeiten.

Die Schülerfirma übernimmt Catering-Aufgaben in und außerhalb der Schule. In „Gesundheit und Soziales“ engagieren sich die Jugendlichen ehrenamtlich und übernehmen Patenschaften und Streitschlichteraufgaben. „ALMA – Allgemeinbildung, Leistungsbereitschaft, Methodenkompetenz und Arbeitshaltung“ dient schließlich der Vertiefung von Lern- und Arbeitsformen in der gymnasialen Oberstufe.

Tafel mit dem beruflichen Netzwerk der Schule
Die Kooperationspartner der Schule © Redaktion

All das wird begleitet durch Eignungstests, Kommunikations- und Bewerbungstraining, Praktikumsvorbereitung und vor allem durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Lehrkräften und den Eltern. In der gymnasialen Oberstufe folgen außerdem Fachpraktika, Hochschultage und weitere Fremdsprachen wie Spanisch und Wirtschaftsenglisch samt Auslandsaufenthalten.

Das Berufsorientierungskonzept der Gesamtschule Waltrop, an dem das Kollegium über vier Jahre gearbeitet hat, findet landes- und bundesweit Anerkennung: Seit 2009 trägt die Schule das Berufswahlsiegel NRW. 2015 war sie Berufswahlsiegel-Botschafterschule des Landes. 2017 wurde sie Landessieger im Wettbewerb „Starke Schule“ und erreichte bundesweit den 3. Platz.

Um die Kooperation mit den örtlichen Betrieben, die sich laut Ulrike Waterkamp „konkrete Ansprechpartner an der Schule wünschen“, zu verstetigen, hat die Gesamtschule 2007 die „Waltrop Akademie für Bildung und Beruf“ gegründet. Die Schule stimmt seither ihre Bildungs- und Berufsorientierungsangebote mit der Kommune und der Wirtschaft ab und bleibt in einem ständigen Austausch.

Gebundener Ganztag als Chance

2016 wurde die Gesamtschule Waltrop zudem erstmals als MINT-freundliche Schule ausgezeichnet. Zwei MINT-Lernwerkstätten – „Technik mit LEGO-Mindstorms“ und „Naturwissenschaften“ – unterstreichen das ebenso wie die Werkstatt „LISA – Lernen in selbständiger Arbeit“ mit besonderer Schwerpunktsetzung in den MINT-Fächern. Geplant sind jahrgangsübergreifende Lernwerkstätten mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Die Gesamtschule Waltrop ist eine gebundene Ganztagsschule. Darauf führt Schulleiterin Ulrike Waterkamp auch das umfassende Angebot zurück: „Die Stärke unseres gebundenen Ganztags ist die Verknüpfung aller Angebote mit dem Unterricht. Das Verhältnis der Schülerinnen und Schüler zu den Lehrern ist eng und gut, und das kommt nicht von ungefähr, sondern durch die integrative Ganztagsschule. Auch das soziale Lernen, das wir unter anderem durch eine Wochenausgangsstunde am Freitag stärken, in der Rückschau gehalten und geplant wird, aber auch Konflikte besprochen werden, wäre ohne den Ganztag so nicht möglich. Und das Schulklima ist entscheidend für den Lernerfolg.“

Schülerinnen und Schüler mit Trommeln
„Das Schulklima ist entscheidend für den Lernerfolg“ © Gesamtschule Waltrop

Rund 1.100 Schülerinnen und Schüler lernen an der Gesamtschule, und 100 Lehrkräfte arbeiten hier. Jeweils zwei Jahrgänge teilen sich ein sogenanntes Jahrgangshaus – mit eigenen Fachräumen, eigener Mensa und eigenem Schulhof. Verantwortlich ist jeweils eine Abteilungsleiterin oder ein Abteilungsleiter. „Einmal in der Woche treffen wir uns zur Schulleitungssitzung“, erläutert Ulrike Waterkamp. „Für so eine große Schule sind klare Ziele und Strukturen wichtig.“ Für die Berufsorientierung gibt es eine Steuergruppe, eine weitere für die Entwicklung der Qualität des Unterrichts und eine dritte, die die pädagogischen und erzieherischen Aufgaben vertikal verzahnt.

Ein weiterer entscheidender Baustein ist für die Schulleiterin die „Teamschule“. Es gibt Jahrgangsteams, die sich absprechen und gemeinsam fortbilden, beispielsweise zum kooperativen Lernen. „Wir wollen noch stärker die Lernprozesse im Unterricht in den Blick nehmen und die einzelnen Schülerinnen und Schüler fördern, ihnen mehr zutrauen. Die Aktivität im Unterricht soll nicht so stark an der Lehrkraft kleben.“

„Mut. Chancen. Erfolg.“

Dass Lernen mehr sein kann als Unterricht, zeigen zwei besondere Projekte. „Erinnern – nicht vergessen“ heißt das Projekt in der Jahrgangsstufe 12 für Schülerinnen und Schüler der Leistungskurse Geschichte und Erziehungswissenschaften. Im Rahmen des Fachpraktikums schreiben sie ihre Facharbeit an einem „authentischen Lernort“, der Gedenkstätte des Konzentrations- und Vernichtungslagers Majdanek. Die Vorbereitung leisten die Jugendlichen gemeinsam mit dem Geschichtslehrer, so Ulrike Waterkamp. „Die Themen der Facharbeit übermitteln wir vorab an die Gedenkstätte. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen dann unsere Schülerinnen und Schüler bei ihren Recherchen.“ Die Jugendlichen forschen im Archiv der Gedenkstätte und kommen mit Zeitzeugen ins Gespräch.

Ein anderes jährliches Projekt sind die „Waltroper Stadtmaler“. Einmal im Jahr kommen Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt mit Schülerinnen und Schülern zusammen, um gemeinsam ein Kunstprojekt zu realisieren. Im November 2019 zeigte das Kulturforum Kapelle das Projekt „In Noahs Arche“: zwölf große Collagen, die die „Stadtmaler“ Beth-Adams Ray und Florian Söll aus Bildern von 300 Schülerinnen und Schülern gestaltet haben.

Schwarz-Weiß-Bild mit Arche-Noah-Motiv
... entstand die Collage aus 300 Schülerarbeiten. © Gesamtschule Waltrop

„Mut. Chancen. Erfolg.“ ist das Motto der Gesamtschule Waltrop. „Wir wollen Schülerinnen und Schüler in Verantwortung bringen und auf die Anforderungen im Beruf vorbereiten. Die Berufswelt bietet immer mehr Möglichkeiten, doch die Anforderungen sind auch umfassender geworden“, weiß Ulrike Waterkamp. Sie kann sich freuen: „Die Jugendlichen nehmen die Angebote positiv auf und sind motiviert.“ Wichtig ist für die Schulleiterin daher die Unterstützung durch Land und Schulträger, etwa durch Stundenzuschläge für den Ganztag: „Mein Kollege Rainer Fischer ist eben kein Externer, der nur mal für ein paar Stunden reingeschneit kommt.“

 

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