Scultetus-Oberschule: Ganztag als Aushängeschild : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

2016 hatte Schulleiter Frank Dörfer in Dresden von seinem „traumhaften Kollegium“ berichtet. Wie sieht es heute in der Scultetus-Oberschule Görlitz aus? Was machen Sculticlub, Scultiradio und Sculti-Snack?

Scultetus-Oberschule Görlitz
Architektin Renate Heim entwarf mit Schülerinnen und Schülern die Fassade. © Scultetus-Oberschule Görlitz

Vor einem Jahr begeisterten die Schülerinnen und Schüler der Theater-AG, der Showtanz-AG und der Chor-AG in Görlitz mit dem Theaterstück „Die Bescherung“. Eine jährliche Theateraufführung in der Adventszeit ist Tradition an der Scultetus-Oberschule, für die normalerweise ab dem Schuljahresbeginn geprobt wird. Es ist nicht die einzige schöne Adventstradition. Ein Höhepunkt zum Jahresende ist auch die Weihnachtspäckchenaktion: Schülerinnen und Schüler verpacken rund 60 Päckchen für den Freundeskreis Rumänien der Evangelischen Stadtjugendarbeit e.V. Einige Monate später treffen dann Fotos von der Übergabe der Geschenke in Görlitz ein.

Aus dem Schulclub „Sculticlub“ schwärmten vor den Weihnachtsferien auch zwei Weihnachtswichtel aus, um Briefe und kleine Geschenke an Mitschülerinnen, Mitschüler und Lehrkräfte zu übergeben. Das Kollegium wiederum reiste 2019 ins „Reich der Sterne“. In Herrnhut besichtigten sie die Schauwerkstatt, in der viele fleißige Hände die kleinen und großen Zacken – „nur echt mit 25 Zacken“ – der Herrnhuter Sterne falzten und klebten. Die Lehrkräfte bastelten unter fachkundiger Anleitung ihr eigenes Prachtexemplar, das nun zur Adventszeit im Foyer der Schule leuchtet.

In diesem Jahr ist vieles anders – aber der Geist der Scultetus-Oberschule bleibt natürlich. Von diesem Geist hatten 2016 in Dresden, als auf einer Tagung eine Bilanz von zwölf Jahren Ganztagsangeboten in Sachsen gezogen wurde, Schulleiter Frank Dörfer und Ganztagskoordinatorin Andrea Lieder erzählt. Damals berichteten sie auf dem Podium ausführlich über die Ganztagsschulentwicklung in ihrer Scultetus-Oberschule.

Ganztag als Aushängeschild der Schule

Für den Schulleiter ist das „Ganztagsangebot das Aushängeschild unserer Schule“. Es sei besonders das vielfältige AG-Angebot, das die Scultetus-Oberschule für Kinder und Eltern attraktiv macht. Momentan gibt es 36 Angebote von Montag bis Freitag. Diese reichen von Lego Robotics und Automatisierungstechnik über Keyboard- und Keramik-AGs bis zu Fitness und Inlineskating. Eine Muttersprachlerin bietet auch „Polnisch für Anfänger“ und „Polnisch für Fortgeschrittene“ an, schließlich haben Görlitz (westlich der Neiße) und Zgorzelec (östlich der Neiße) eine gemeinsame Geschichte.

Keyboard
„Vielfältiges AG-Angebot“. © Scultetus-Oberschule Görlitz

Auch der im Erdgeschoss gelegene Sculticlub gehört schon seit 2002 zum Ganztagsangebot der Oberschule. Ramona Daniel, Mitarbeiterin der Evangelischen Stadtjugendarbeit Görlitz (esta e.V.), empfängt die Schülerinnen und Schüler von 7 bis 16 Uhr in den Club-Räumen. Hier können sie die Mittagspause oder die Zeit nach dem Unterricht verbringen, spielen, sich ausruhen oder einfach reden.

„Der Sculticlub ist mit der Schulsozialarbeit vernetzt. Gerade da findet soziales Lernen statt“, erklärt Frank Dörfer. Ein PC mit Internetanschluss kann für Hausaufgaben, Recherchen und Spiele genutzt werden. Bei schönem Wetter geht es auf das Außengelände, vorzugsweise auf den Fußballplatz, und bei schlechtem Wetter in den Fitnessraum, wo Balanceboards, Dart-Scheibe, Kicker, Klettergerüst, Matten und Tischtennisplatte zur Bewegung einladen. In der Sculticlub-Küche belegt die Schülerfirma „Sculti-Snack“ Sandwiches, mixt Smoothies und bäckt Waffeln.

Team mit klaren Zuständigkeiten

Um das breite Angebot an der Oberschule mit ihren rund 400 Schülerinnen und Schülern und 31 Lehrkräften zu planen und zu koordinieren, braucht es laut Frank Dörfer „jemanden mit Herzblut“: Andrea Lieder arbeitet als Ganztagskoordinatorin und ist Mitglied der Schulleitung. Über die Jahre hat sie viele Kontakte in der Stadt aufgebaut, beispielsweise zu Verbänden und Vereinen. So kann sie immer wieder ein beeindruckendes Angebot auf die Beine stellen.

„Man muss Netzwerke nutzen und immer wieder neu suchen“, beschreibt sie ihre Tätigkeit. „Wenn ich von Hospitationen und Fortbildungen komme, bringe ich stets neue Ideen mit. Zu unserem Schulsanitätsdienst hat mich zum Beispiel eine Fortbildung in Hamburg inspiriert. Jetzt gibt es ihn in Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz an unserer Schule. Da erfahren die Schülerinnen und Schüler auch etwas über den Beruf des Rettungssanitäters und Pflegeberufe. Das ist auch Berufsorientierung.“

Die Scultetus-Oberschule verweist stolz auf ihr qualifiziertes Fachpersonal mit langjähriger Erfahrung, das einen qualitativ hochwertigen Unterricht ermöglicht. Sie wirbt für sich mit einem freundlichen Schulklima, Binnendifferenzierung und einem rhythmisierten Schulablauf mit Blockunterricht. Und natürlich mit den Ganztagsangeboten. Das Credo lautet: „Lernen macht Freude!“ Und das gilt auch für das Kollegium.

Didacta
... und auf dem Weg zum Online-Unterricht. © Scultetus-Oberschule Görlitz

„Wir wollen, dass alle Lehrerinnen und Lehrer auch Online-Unterricht erteilen können“, berichtet Frank Dörfer. „Dazu müssen alle an einem Strang ziehen – was bei uns der Fall ist. Bei den pädagogischen Fortbildungen sind alle Lehrkräfte an Bord. Wir haben vor einigen Jahren auch die Didacta in Köln besucht. Es gab strahlende Augen nach dem, was wir da alles an Möglichkeiten gesehen haben. 'Stell uns das hin, und dann machen wir!', haben die Kolleginnen und Kollegen gesagt.“ Das Schulgebäude ist dank des Engagements der Stadt bereits seit 2017 komplett mit WLAN ausgestattet.

Frank Dörfer betont: „Wir arbeiten alle im Team, anders wäre das nicht zu schaffen. An unseren wöchentlichen Besprechungen nehmen neben meinem Stellvertreter Detlef Lieder auch unser Inklusionsassistent Kilian Melzer, Praxisberater Torsten Pätzold, die Schulclubleiterin, die Schulsozialarbeiter und eben Andrea Lieder teil. Nach jeder Besprechung weiß jeder genau, was sie oder er zu tun hat. Bei uns gibt es klare, delegierte Zuständigkeiten.“

Inklusion und Berufsorientierung

An der Scultetus-Oberschule lernen derzeit 30 Integrationsschülerinnen und -schüler, die von fünf Schulbegleitern unterstützt werden, welche wiederum Kilian Melzer koordiniert. Der Heilerziehungspfleger ist bei Aktiva Sozialraum Lausitz e.V. angestellt und fungiert als Schnittstelle zwischen Schule, Eltern, Sozialamt und weiteren Institutionen. Das Programm „Inklusionsassistent“ des Landes Sachsen fördert landesweit sind 174 solcher Inklusionsassistenten und -assistentinnen, wissenschaftlich begleitet von der TU Chemnitz. „Das ist ein sehr sinnvolles und wertvolles Programm“, findet Frank Dörfer. „Was Kilian Melzer an Beratungs- und Unterstützungsleistung für Schüler und Eltern bietet, könnten wie Lehrkräfte gar nicht leisten.“

Das gilt ähnlich für die Arbeit des Praxisberaters Torsten Pätzold, der die Berufsorientierung in den 7. und 8. Klassen unterstützt. Er führt Einzel- und Kleingruppengespräche durch, im Unterricht ebenso wie außerhalb des Unterrichts. Der Mitarbeiter des ostsächsischen Bildungsträgers bao (Bildung, Arbeit und Orientierung) ist exklusiv an der Scultetus-Oberschule tätig. Der Praxisberater ist auch mit der heimischen Wirtschaft vernetzt. 

Sanitätsdienst
Schulsanitätsdienst: „Das ist auch Berufsorientierung.“ © Scultetus-Oberschule Görlitz

Dazu gehören beispielsweise die Stadtwerke Görlitz und vor allem der Görlitzer Waggonbau, der seit 1849 kontinuierlich in der Stadt für den nationalen und internationalen Markt produziert und jetzt zur „Bombardier-Transportation“ gehört. Seit 2008 verbindet das Görlitzer Werk und die Scultetus-Oberschule ein Patenschaftsvertrag. 2019 gratulierte die Schule dem Patenbetrieb gerade zum 170. Firmenjubiläum. Viele ehemalige Schüler der Schule sind inzwischen „stolze Bombardianer“.

Auch das Bildungszentrum des Städtischen Klinikums ist ein Kooperationspartner. Pätzold ermöglicht dort Betriebserkundungen und Praktika. „Sein Einsatz steigert die Qualität der Berufsvorbereitung unwahrscheinlich“, freut sich der Schulleiter. Ab der 9. Jahrgangsstufe übernimmt dann eine Mitarbeiterin der Arbeitsagentur, die einmal im Monat eine Sprechstunde in der Schule anbietet. In einer Projektwoche „Berufsvorbereitung kompakt“ üben die Schülerinnen und Schüler unter anderem Bewerbungsgespräche und -anschreiben.

„Schlau wie ein Fuchs“

„Wegen der Integration und der Inklusion wollten wir Ende der 1990er Jahre etwas an unserer Schule verändern“, erinnert sich Andrea Lieder. „Wir haben viel Methodentraining eingebaut, das Klassenraumprinzip eingeführt und 90-Minuten-Unterichtsblöcke geschaffen. So können die Kolleginnen und Kollegen Lern-, Erholungs- und Bewegungsphasen eigenständig verteilen. Der Unterricht ist dadurch wesentlich ruhiger geworden.“

Alle zwei Jahre führt die Schule eine Schülerbefragung durch, die dem Kollegium und der Schulleitung neue Impulse für die Schulentwicklung bietet. Wenn es um das Schulleben geht, wie beispielsweise die Außengestaltung der Gebäudefassaden oder das Schullogo, sind die Schülerinnen und Schüler ohnehin einbezogen. Letzteres ist ein Fuchs, denn – so die Begründung – „Wir sind schlau wie ein Fuchs.“

Jeden Tag geht in der Scultetus-Oberschule das „Scultiradio“, der hauseigene Radiosender auf Sendung. Mit einem Aushang fing es 1998 an. Schülerinnen und Schüler mit Interesse für Musik und Moderation fanden sich schnell, und eine Zuwendung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung ebenso wie das Görlitzer Musikhaus von Thomas Barth unterstützten das Projekt. Keiner schaute bei der Arbeit auf die Uhr, und so sind 11- bis 15-jährige Mitglieder der Schulradio-AG seit 1999 „on Air“.

Ein Traum von einem Weihnachtsmarkt

Keramik AG
© Scultetus-Oberschule Görlitz

Für 2021 wünschen sich Andrea Lieder und Frank Dörfer, dass „wir das Erreichte auf hohem Niveau bewahren“. Und dass es nächstes Jahr wieder möglich sein wird, den Weihnachtsmarkt in der Schule zu organisieren, der in diesem Jahr wie so vieles ausfallen musste. Denn auch der Weihnachtsmarkt wird von den Ganztags-AGs organisiert: Die AGs Theater, Technik, Chor, Keramik und „Kochen wie die Profis“ sind daran beteiligt. 

Dann stehen auf dem Schulhof verschiedene Buden mit selbstgebackenen Keksen und selbstgemachter Marmelade, im Schulhaus warten Stände mit Adventsgestecken, Keramik und Holzspielzeug. In der Bastelstube werden Weihnachtsgeschenke gebastelt. Eine Gelegenheit für die Schülerinnen und Schüler, ihr ganzes Können zu zeigen!

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