Schule Finowfurt: „Ohne Ganztag wären wir ärmer“ : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Mit viel Engagement hat sich die Schule Finowfurt behauptet. Die Entscheidung für den Ganztag sei eine der wichtigsten der letzten Jahre gewesen.

Frau Kosanke
Schulleiterin Iris Kosanke © Schule Finowfurt

„An ihr kommt keiner vorbei“, heißt es auf der Homepage augenzwinkernd über Marion Stein, die Schulsekretärin der Schule Finowfurt. Doch an diesem Morgen ist nicht mal eine Anmeldung notwendig. Schulleiterin Iris Kosanke hat ihre Tür bereits weit geöffnet und empfängt zusammen mit der stellvertretenden Schulleiterin Kornelia Kupfer zum Gespräch über ihre Schule. Eine Schule, die es mutmaßlich ohne das Engagement dieser beiden „alten Häsinnen“ gar nicht mehr geben würde.

„Schwierigkeiten sind da, um sie zu meistern“, lautet ein Motto von Iris Kosanke, die seit 1996 Schulleiterin ist. Kornelia Kupfer arbeitet seit 1982 als Lehrerin hier und ist seit 2012 stellvertretende Schulleiterin. Zusammen haben sie, so Iris Kosanke, viele Jahre gekämpft, als es „unsicher war, ob wir überhaupt erhalten bleiben“. Die Oberschule mit Grundschulteil ist neben der Grundschule Lichterfelde und der Grundschule Groß Schönebeck eine der drei Schulen in der Gemeinde Schorfheide. An ihr lernen - ununterbrochen seit 1963 - Schülerinnen und Schüler von Klasse 1 bis 10. Das ist der guten Kooperation mit der Gemeinde, die zugleich der Schulträger ist, zu verdanken, aber auch der engagierten Schulentwicklung.

2010 wurde die gebundene Ganztagsschule für die Jahrgänge 1 bis 7 eingeführt. Zunächst organisierte die Schule drei lange Tage mit Doppelstunden, doch die „Doppelstunden waren uns zu lang“, wie sich Kornelia Kupfer erinnert. Nach einem „ordentlichen Diskussionsprozess“ entschloss sich die Schule, zum Schuljahr 2012/2013 die 60-Minuten-Stunde an fünf langen Tagen einzuführen. Nun haben die Schülerinnen und Schüler maximal fünf Unterrichtsstunden am Tag.

Mehr Ruhe und mehr Raum

Iris Kosanke und Kornelia Kupfer sind sich einig, dass diese Entscheidung eine der wichtigsten der letzten Jahre gewesen ist: „Wir sind alle sehr zufrieden. Es ist mehr Zeit im Unterricht, und auch die Pausen sind ruhiger geworden. Es ist alles wesentlich weniger stressig. Als im Mai die Schulvisitation hier stattfand, haben sie angemerkt, wie erstaunlich ruhig es hier zugehe“, berichtet die Schulleiterin. Auch die Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich offensichtlich wohl. Die Fluktuation im Kollegium ist in den vergangenen vier Jahren nur durch den Generationenwechsel entstanden. Die Referendarinnen und Referendare bleiben an der Ganztagsschule. „Wir fühlen uns als Ausbildungsschule“, meint Kornelia Kupfer.

Rund 500 Schülerinnen und Schüler lernen an der Oberschule mit Grundschule, die in den letzten Jahren viele bauliche Erweiterungen erfahren hat, sehr zur Freude von Iris Kosanke: „Früher haben wir teilweise in Räumen unterrichten müssen, die heute als Besenkammern dienen. Jetzt haben wir richtig Platz im Haus, was besonders unseren Angeboten im Mittagsband zugutekommt.“

Ein Ergänzungsbau mit Aula, Bibliothek, Cafeteria und zwölf neuen Klassenräumen ist entstanden. Alle Unterrichtsräume sind mit interaktiven Tafeln ausgestattet. Für das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik gibt es nun ein ganzes Haus mit Lehrküche, Holz- und Metallwerkstatt, Computerkabinetten. Mit zwei Turnhallen, einem Sportplatz, dem separaten Hortgebäude und dem benachbarten Jugendclub ist ausreichend Raum für Bewegung und außerschulische Angebote vorhanden.

Die Musterstundenpläne der Schule Finowfurt geben einen genauen Einblick in den Ablauf des Schultages, je nach Altersgruppe. Für Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 2 beginnt der Schultag mit dem Offenen Beginn um 7.30 Uhr. Nach dem Unterricht gibt es das Mittagsband, die individuelle Lernzeit (ILZ) und schließlich die BIG, die „Betreuung im Ganztag“ mit Hausaufgabenzeit, AG- und Freizeitangeboten. In Klasse 3 und 4 gibt es nach dem Mittagsband noch einmal Unterricht oder Individuelle Lernzeit.

Schulhof
Schulhof © Schule Finowfurt

Für die Klassen 5 bis 10 ist der Schultag länger und noch stärker rhythmisiert. Im Mittagsband gibt es jetzt auch zahlreiche Angebote wie Spielen, Chillen, den Computerraum nutzen, Hausaufgaben erledigen, die Cafeteria besuchen oder Kreativangebote. Auch in den Stundenplan der Klassen 7 bis 10 sind ein bis zwei Stunden Individuelle Lernzeit integriert. Hier bearbeiten die Jugendlichen selbstständig Aufgaben in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik.

Gemeinsam in den Lernzeiten

Bis Klasse 6 – das ist in Brandenburg die letzte Klasse der Grundschule – ist die AG-Teilnahme freiwillig, in Klasse 7 und 8 ist sie verpflichtend. Nach einer Schnupperzeit muss sich jeder für eine AG entschieden haben. Mit Ausnahme der privaten Musikschulen sind alle AG-Angebote kostenfrei. Ab Klasse 9 können die Schülerinnen und Schüler sich wieder freiwillig für AGs entscheiden. Die AG-Angebote reichen von Aerobic über Junge Sanitäter bis zum Schülerradio.

„Ohne die Ganztagsschule wären wir wesentlich ärmer“, sagt Iris Kosanke. Erzieherinnen und Erzieher arbeiten in den Lernzeiten mit. „Was dort konkret gelernt wird, liegt im Ermessen des Lehrers oder der Lehrerin und wird auf Jahrgangsbasis abgesprochen“, erklärt Konrektorin Kupfer. Umgekehrt sind Lehrkräfte am Nachmittag mit im Hort.

Zu den Projekten, die das Schulleben bereichern, gehören Comenius und Erasmus+. Nachdem die Schule von 2013 bis 2015 am Programm Comenius teilgenommen und intensive Schulpartnerschaften unterhalten hatte, ist man nun bei Erasmus+ dabei. Am Austauschprogramm nehmen Schulen aus der Türkei, den Niederlanden, Griechenland, Spanien und Ungarn teil. Nachdem die erste Austauschwoche 2016 in Finowfurt stattgefunden hatte, ging es im 2017 für eine Woche nach Athen. Für einen Monat sind eine Schülerin und ein Schüler aus Ungarn zu Gast in der Schule gewesen. Demnächst geht es zum Besuch in die ungarische Partnerschule.

Erasmus
© Schule Finowfurt

Bereits seit zwei Jahren ist die Schule im Projekt „Schule / Jugendhilfe 2020“ des Landes Brandenburg, das vom Europäischen Sozialfonds gefördert wird, dabei. Hier arbeiten Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte der Kinder-, Jugend- und Seniorenhilfe Buckow (KJHB) im Team, um Schülerinnen und Schüler bei starken Verhaltensproblemen und Schulverweigerung eine individuelle schulische und sozialpädagogische Unterstützung zu geben. In den vergangenen zwei Jahren sind insgesamt 48 Schülerinnen und Schüler so unterstützt worden.

„Wenn du mittendrin bist, lernst du am besten“

Seit 2004 ist die Ganztagsschule „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. „Das heißt nicht, dass wir keine Probleme haben“, sagt Iris Kosanke, „sondern das heißt, dass wir uns diesen Sachen stellen.“ Derzeit lernen etwa 50 Schülerinnen und Schüler mit Fluchtgeschichte an der Schule, alle im Regelunterricht. „Wenn du mittendrin bist, lernst du am besten“, ist die Schulleiterin überzeugt.

„Das hat sich auch bewährt. Die ersten Schülerinnen und Schüler haben die 10. Klasse schon erfolgreich abgeschlossen. Die Kinder und Jugendlichen sind stolz, dass sie Deutsch lernen und mithalten können.“ Sehr hilfreich sei gewesen, dass mit Mohammed Ali ein Lehrer aus Syrien mit in den Klassen eingesetzt werden konnte. „Das hat viel Ruhe und Entspannung reingebracht. „Wenn Herr Ali da war, saßen die Kinder da wie die Einsen. Er hat uns auch sehr bei den Elterngesprächen unterstützt.“

„Wenn man so viele Projekte hat, braucht man viel Energie, um den Standard zu halten“, findet Iris Kosanke. „Wir sind gut damit gefahren, immer recht kurzfristig etwas zu ändern und nicht bis zum nächsten Schuljahr zu warten.“ Aber Iris Kosanke wäre nicht Iris Kosanke und die Schule Finowfurt nicht die Schule Finowfurt, wenn nicht das nächste Projekt schon in der Schublade läge: „Wir wollen MINT-freundliche Schule werden. Die Kriterien erfüllen wir schon.“

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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