Rhythmisierte Ganztagsklasse in Untereicken : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Mit einer rhythmisierten Ganztagsklasse neben ihrer OGS Kunterbunt geht die Katholische Grundschule Untereicken in Mönchengladbach neue Wege. Das hat den Blick verändert und den Zusammenhalt gestärkt.

Gebundener Ganztag als Wahlmöglichkeit
Gebundener Ganztag als Wahlmöglichkeit © Katholische Grundschule Untereicken

Das erste Jahr mit einer rhythmisierten Ganztagsklasse neigt sich dem Ende zu. Ein Jahr Erfahrung sammeln, schauen, was gelingt, wo noch gefeilt werden muss. Zeit, eine erste vorsichtige Bilanz zu ziehen, was die Einführung des „gebundenen Ganztags“ als Wahlmöglichkeit gebracht hat. Wir sitzen der Leiterin der Katholischen Grundschule Untereicken, Miriam Tippenhauer, und der Klassenlehrerin dieser Pionierklasse, Ulrike Kott, im obersten Stockwerk des 125 Jahre alten Schulgebäudes gegenüber. Wir blicken in gutgestimmte Gesichter.

„Vom Ganztag in dieser rhythmisierten Form profitieren die Kinder so sehr“, strahlt Ulrike Kott. Ohne in irgendeiner Weise den Offenen Ganztag in der „OGS Kunterbunt“, den immerhin knapp die Hälfte der 340 Schülerinnen und Schüler nutzen, oder die Halbtagsschule, für die sich die übrigen Eltern entschieden haben, geringer zu schätzen. Miriam Tippenhauer, die ihren beruflichen Werdegang, aber auch die damit verbundene Haltung als Sonderpädagogin in einer Förderschule fand, ist überzeugt: „Für alle Entscheidungen haben die Eltern ihre guten Gründe.“

Die Haltung hat sich verändert

Die Einführung der rhythmisierten Ganztagsklasse, die Mönchengladbach im ersten Schritt insgesamt vier Grundschulen in diesem Schuljahr ermöglichte, hat die Denkweisen, Einstellungen und das Miteinander verändert. „Früher war vieles doch additiv“, redet die Schulleiterin nicht um den heißen Brei herum. Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher des Ganztagsträgers Integra e.V., Schulsozialarbeiterin Silke Meyer und die Fachkräfte des multiprofessionelles Teams  Veronika Theymann und Birgit Thees sind enger zusammengerückt. Die multifunktionale Nutzung der Räume für Unterricht und Ganztag trägt dazu bei. Sie war anfangs durchaus kritisch hinterfragt worden. Doch die gelebte Praxis überzeugte auch die skeptischen Stimmen.

Ulrike Kott weiß es zu schätzen, dass sie gemeinsam mit Erzieherin Maria Gouliou und Erzieher Lehrer Sebastian Eussem, die ab 11 Uhr in der Schule sind, Teile des Unterrichts gemeinsam begleitet. „Wir lernen unsere Arbeit und unser Vorgehen viel besser kennen“, sagt sie. Konkret denkt sie beispielsweise an einen häufig benannten Knackpunkt einer solchen Zusammenarbeit der Professionen – die Hausaufgaben. Im Ganztag werden sie von einer Lernzeit abgelöst. In ihr arbeiten die Kinder möglichst selbstständig. Erzieherin und Lehrkraft kennen durch die Arbeitsteilung im Unterricht die gegenseitige Erwartungshaltung. Zudem treffen sie sich einmal wöchentlich zur Teambesprechung, richten den Blick nach vorne und überlegen, wie sie jedem Kind gerecht werden können.

Ort des respektvollen und toleranten Miteinanders
Ort des respektvollen und toleranten Miteinanders © Katholische Grundschule Untereicken

„Gemeinsam“ steht ohnehin in großen gedanklichen Lettern über der Arbeit an der Katholischen Grundschule Untereicken. Unterrichtsmaterial wird in den Jahrgangsteams aller Klassen zusammen erstellt. Ulrike Kott findet: „Dass man differenziertes Material und Lernwege anbietet, sollte heute Standard sein.“ Für sie und das Kollegium ist selbstverständlich, „dass hier jede und jeder besonders sein darf“. Die Selbstverständlichkeit hat sich auf die Kinder übertragen. Für sie ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Schüler nur drei Aufgaben löst, während eine Schülerin stärker fordernden Stoff bearbeitet oder dass Kinder mit besonderen Stärken in einem Fach am Unterricht der nächsten Klassenstufe teilnehmen.

„Kulturkreisel“ bereichert den Ganztag

Während sich in der von Maria Gouliou und Grazyna Piechulla geleiteten OGS Kunterbunt nach dem Mittagessen die Hausaufgabenbetreuung, freies Spielen, Arbeitsgemeinschaften und Projekte anschließen, geht die Ganztagsklasse erste Schritte der Rhythmisierung von Unterricht und Entspannung. Etwa, wenn sie am Vormittag für anderthalb Stunden den nahegelegenen Abenteuerspielplatz aufsucht oder sich mittwochs auf den Besuch einer der Kultureinrichtungen aus dem „Kulturkreisel“ freut.

Den Kulturkreisel hat die Stadt Mönchengladbach in diesem Schuljahr etabliert. Kultureinrichtungen wie Musikschule, das Museum Abteiberg, das Museum Schloss Rheydt oder das Stadtarchiv gehen rotierend in die Grundschulen und bieten den Kindern jeweils für vier Wochen tiefe und spannende Einblicke in ihre Arbeit. Die Katholische Grundschule Untereicken ist im Ort und der Stadt gut vernetzt. Kooperationen mit der Musikschule, die seit einigen Jahren ein Streicherprojekt anbietet, in dem Kinder aus geflüchteten Familien und aus Mönchengladbach stammende Kinder gemeinsam ein Streichinstrument erlernen, der Zentralbibliothek, den Theatern Krefeld und Mönchengladbach, mit den Vereinen und natürlich der Kirchengemeinde fördern das gesellschaftliche Leben vor Ort.

Eine Sozialraumkonferenz im Stadtteil, wie sie das Jugendamt Mönchengladbach ins Leben gerufen hat, dient als Austauschmöglichkeit und verbindendes Glied aller Institutionen, inklusive Kitas, der Grundschulen und der freien Jugendhilfe. Schulleiterin Miriam Tippenhauer: „Hervorragend wäre, wenn wir uns dort auf ein Jahresthema einigen könnten, an dem alle gemeinsam arbeiten, und das unsere Vorhaben im Jahr, wie z.B. gemeinsame Feste  trägt.“

Das Schulgebäude: 125 Jahre alt
Das Schulgebäude: 125 Jahre alt © Katholische Grundschule Untereicken

Eines könnte Umwelt und Natur sein. Der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und der Umsetzung der BNE-Ziele hat sich die KGS Untereicken verschrieben. Etwa, wenn sich alle Schülerinnen und Schüler wie im Februar im Rahmen einer Projektwoche aus unterschiedlichen Blickrichtungen mit der Bewahrung der Schöpfung beschäftigen. Manche wurden zu „Plastikpiraten“ und richteten den Blick auf die Frage „Wie kommt Plastik ins Meer?“ Andere fragten: „Warum brauchen wir die Bienen?“. Wieder andere nahmen den Müll im Schulbezirk unter die Lupe und fragten: Was können wir tun, um unsere Umwelt zu schützen?

Soziale Verantwortung übernehmen

Demokratie wird lebendig, wenn das Kinderparlament, dem alle Klassensprecherinnen und -sprecher angehören, nach vorheriger Debatte in den eigenen Klassen diskutiert und entscheidet, welchen Beitrag zur Müllvermeidung die Schule leisten kann. Was auch an den Eltern nicht spurlos vorbeigeht. Per Brief werden sie informiert: „Wir haben beschlossen…“ Dazu zählt angesichts lange überfüllter Mülleimer auf dem Schulhof der Appell, den Kindern möglichst wenig Verpackungen mit in Schule zu geben. Denn sie müssen diese wieder mit nach Hause nehmen. Ulrike Kott: „Das wirkt, denn es nervt auf Dauer, wenn die Kinder ihren Müll nachmittags zu Hause abladen.“

Demokratisch entscheiden die Schülerinnen und Schüler auch, wer Nutznießer ihres Spendenlaufes werden soll. Ein Video über eine vom Hochwasser betroffene Schule im Ahrtal genügte beispielsweise, um das Geld dorthin fließen zu lassen. Intensiver fiel in einem anderen Jahr die Debatte aus, ob die Schule an das Tierheim oder für den Schutz des Regenwaldes spenden soll. Die intensive Beschäftigung mit dem Wald überzeugte schließlich. In einem anderen Fall sprachen sich die Kinder für ein Kinderheim als Spendenempfänger aus.

Ulrike Kott: „Soziale Verantwortung gehört eben auch zu den christlichen Werten, die wir leben und vermitteln.“ Auch Toleranz ist ein solcher Wert. Das morgendliche Gebet ist an der Katholischen Grundschule obligatorisch, auch wenn nicht alle mitbeten müssen. Ihren muslimischen Schülerinnen und Schülern trägt die Schule Rechnung, indem etwa Schweinefleisch und Gummibärchen mit Gelatine tabu sind. Marion Tippenhauer: „Wir möchten, dass Kinder die Weltreligionen kennenlernen und wichtige Werte wie die Achtung der Schöpfung, Liebe, Respekt und Gemeinschaft.“

Intensiver Zusammenhalt

Anfang Juni beteiligte sich die KGS Untereicken an der Initiative „#IchStehAuf“, um ein Zeichen für Demokratie und Vielfalt zu setzen. Mit Begeisterung und viel Engagement beschäftigten sich alle Klassen mit den vielfältigen Aspekten von Demokratie und verdeutlichte damit auch, dass ihre Schule ist ein Ort des respektvollen und toleranten Miteinanders ist.

Soziale Verantwortung gehört zu den christlichen Werten
Soziale Verantwortung gehört zu den christlichen Werten © Katholische Grundschule Untereicken

Die rhythmisierte Ganztagsklasse kennzeichnet ein besonders intensiver Zusammenhalt. Der Versuch, auch Kinder ohne oder mit wenigen Deutschkenntnissen in die Klasse aufzunehmen, hat sich bewährt, finden Miriam Tippenhauer und Ulrike Kott. „Die Kinder wachsen geradezu in einem Sprachbad auf und sind noch stärker integriert, werden selbstverständlich auch zu Geburtstagen eingeladen“, sagt die Klassenlehrerin.

Doch auch hier dürfen die Eltern gewiss sein: „Wir hinterfragen unsere Entscheidungen immer. Wenn wir zum Ergebnis kommen, dass eine Idee nicht gut war, ändern wir sie halt“, versichert Schulleiterin Miriam Tippenhauer. Eines werden sie vorerst sicherlich nicht antasten: Wichtiges, aber einfach auch spannende Dinge aus dem Schulalltag, wie zuletzt den Theaterbesuch, können Interessierte leicht nachlesen. Die KGS Untereicken ist auf instagram unterwegs – folgen erwünscht.

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