Prima Klima im Ganztagsgymnasium : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

In Kempten (Allgäu) hat das Hildegardis-Gymnasium seinen CO₂-Fußabdruck berechnet. Neben ökologischen Zielen hat das Ganztagsgymnasium die Chancengleichheit fest im Blick.

Gruppenbild bei der Auszeichnung als Klimaschule
Kemptener in Hamburg: "Klimaschule 2018" © Hildegardis-Gymnasium Kempten

Elf Kemptener in Hamburg. Das Hildegardis-Gymnasium fiel schon auf, als im November 2017 der Hamburger Schulsenator Ties Rabe im Landesinstitut für Schule das Gütesiegel "Klimaschule 2018" verlieh. Das Ganztagsgymnasium war die erste Schule aus Süddeutschland, die nach den anspruchsvollen Kriterien des Landesinstituts der Hansestadt als Klimaschule zertifiziert wurde.

Mit dem Nachtzug waren Lehrerin Veronika Glaser und Lehrer Matthias Klaubert zusammen mit neun Schülerinnen und Schülern in die Hansestadt gereist, um den Preis entgegenzunehmen. Die Auszeichnung erhielt die Schule für ihre detaillierte Berechnung eines ökologischen Fußabdrucks und den schuleigenen Klimaschutzplan, der gemeinsam von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern erarbeitet und im September 2017 von der Schulgemeinschaft verabschiedet worden war.

Schulleiter Markus Wenninger erläutert: "Ein zentrales Thema in unserer Schulentwicklung ist die Integration des Klimaschutzes, der bei uns Schüler und Lehrer gleichermaßen interessiert und mit dem man eine Schule auch in Bewegung halten kann." Und zwar buchstäblich. So nahm das Hildegardis-Gymnasium im Sommer 2017 drei Wochen lang am Wettbewerb Stadtradeln teil. Über 300 Schülerinnen und Schüler, ebenso Lehrkräfte sattelten auf das Fahrrad um und erreichten mit 35.321 Kilometern die höchste Gesamtkilometerzahl aller Kemptener Teams. Schon dort erhielt die Schule für ihr Engagement im praktischen Klimaschutz einen Sonderpreis im Rathaus.

Klimabotschafter in den Klassen

Gruppenfoto bei der Übergabe der Urkunde
Oberbürgermeister Kiechle überreicht den Preis für 35.321 km Stadtradeln © Hildegardis-Gymnasium Kempten

Ehrgeizig ist das im Hilde-Klimaschutzplan festgehaltene Ziel, bis 2026 klimaneutral zu wirtschaften. Eineinhalb Jahre arbeitete das Projektteam "Klimaschule" daran. Zusammen mit Diplom-Geograf Dr. Hans-Jörg Barth vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu berechneten die Schülerinnen und Schüler den jährlichen CO2-Ausstoß des Gymnasiums. Sie kamen auf 390 Tonnen. Dieser Umfang kann nicht allein durch Einsparmaßnahmen wie den angestrebten Verzicht auf Flugreisen bei Klassenfahrten ins Ausland neutralisiert werden. Denn 74 Prozent der CO2-Emissionen des Schulbetriebs entfallen allein auf den Schulweg von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften.

Inzwischen haben die Schülerinnen und Schüler 1.500 Bäume gepflanzt, wollen weitere 5.000 pflanzen und sich bei der Hochmoor-Renaturierung engagieren. Die in jeder Klasse gewählten "Klimabotschafter" achten auf die Einhaltung aller verabredeten Maßnahmen. Der der Bioanteil beim Mensaessen wurde mit Unterstützung einer Projektmanagerin der Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten auf 25 Prozent erhöht. In diesem Schuljahr erarbeitet das Projektteam "Klimaschule" ein Klimacurriculum. Es schreibt für jede Jahrgangsstufe fest, wie die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit in den Unterricht integriert werden.

Markus Wenninger am Schreibtisch
Schulleiter Markus Wenninger © Hildegardis-Gymnasium Kempten

Schulleiter Markus Wenninger begrüßt das: "Der Klimaschutz tangiert viele Fächer, und manche trockene Materie wird interessanter, wenn die Schülerinnen und Schüler Daten selbst erhoben haben oder sich praktische Bezüge zur Lebensumgebung ergeben." Wenn sich eine Schule wie das Hildegardis-Gymnasium auf den Weg macht, dann kann das in der CO2-Bilanz von Kempten schon einen Unterschied machen. Mit 1.050 Schülerinnen und Schülern sowie 100 Lehrerinnen und Lehrern ist es die größte Schule der Stadt Kempten. Es bietet drei Zweige an: das Sprachliche Gymnasium, das Sozialwissenschaftliche Gymnasium und das Wirtschaftswissenschaftliche Gymnasium. Alle führen zur Allgemeinen Hochschulreife.

Ganztagsschule für Chancengleichheit

"Wichtig ist mir, dass sämtliche Schülerinnen und Schüler, egal, wo sie herkommen, wissen: Wir haben hier alle die Chance auf das Abitur. Dazu gehört auch die Persönlichkeitsbildung, aber hauptsächlich muss ich diese Chance mit dem Leistungsgedanken verknüpfen", sagt der Schulleiter. Denn man müsse ehrlich das Spektrum der Schülerschaft sehen: "Wir haben Kinder, mit denen zu Hause in Einzelbetreuung gelernt wird, und andere, die unsere Unterstützung benötigen." Markus Wenninger ist sich sicher: "Die Ganztagsschule ist kein Allheilmittel. Wir sind aber von ihr überzeugt als dem bisher besten Weg, Chancengleichheit herzustellen. Ohne unser Ganztagsangebot hätten einige unserer Schülerinnen und Schüler nicht den Sprung ans Gymnasium gewagt."

Am Hildegardis-Gymnasium besteht die Möglichkeit, die offene Ganztagsschule in den Klassen 5 bis 10 oder die gebundene Ganztagsklasse in der 5. und 6. Jahrgangsstufe zu wählen. Im offenen Ganztag, seinerzeit im Zuge von G8 eingeführt, folgt dem Mittagessen und der betreuten Freizeit eine einstündige "1. Lernzeit", in der die Schülerinnen und Schüler in Kleingruppen ihre Hausaufgaben erledigen. Begleitet werden sie dabei von Erzieherinnen, die bei der Stadt angestellt sind. "Es hat sich bewährt, wenn die Pädagoginnen immer dieselben sind und die Kinder kennen", meint der Schulleiter.

Shülerinnen und Schüler im Kunstunterricht
Vom Fotowettbewerb bis zu Exkursionen - Kunst gehört dazu. © Hildegardis-Gymnasium Kempten

Nach einer kurzen Pause im Freien steht die "2. Lernzeit" an. Jetzt können die Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Angeboten wählen: Arbeitsgemeinschaften wie Chor, Orchester, Gitarre, Theater, Mountain Bike oder diversen Sportangeboten. Die Big Band des Hildegardis-Gymnasiums ist laut Markus Wenninger mit über 300 Musizierenden eine der größten in Deutschland. Der Schultag endet um 16 Uhr. Für die Teilnahme am offenen Ganztag müssen sich die Schülerinnen und Schüler bereits im Mai verbindlich für das kommende Schuljahr anmelden, mindestens für zwei Wochentage. Die Ganztagsangebote sind bis auf das Mittagessen kostenfrei.

Seit dem Schuljahr 2016/17 gibt es die gebundene Ganztagsklasse. Hier wechseln sich bis 16 Uhr Unterricht, Übungs- und Studierzeiten, Förder- und Freitzeitangebote ab. Das Angebot kommt bei den Eltern gut an, die Ganztagsklasse ist immer ausgebucht. Mit Blick auf die Förderung stellt Markus Wenninger fest: "Der Ausgleich von Startunterschieden ist auch hier die größte Herausforderung, aber die Kinder, die wir in der Ganztagsklasse haben, die haben wir ganz. Wir bieten ihnen zusätzliche unterrichtliche Angebote in den Kernfächern, Lernzeiten und Fördermaßnahmen. Manche Stunden sind doppelt besetzt, um Differenzierung zu ermöglichen. Es gibt Unterricht für interkulturelles Lernen und sprachliche Integration."

Pädagogische Qualität und Kommunikation

Der Schulleiter glaubt, dass die Ganztagsklasse eine besonders starke Identifikation mit der Schule entwickelt. "Keine Klasse grüßt so schön, und die Schülerinnen und Schüler kennen mich alle, obwohl ich gar keinen Unterricht bei ihnen habe", sagt er lachend. Dennoch soll die Ganztagsklasse keinen "Satellitenstatus" haben. "Die Halbtagsschüler waren empört, als wir für die Ganztagsklasse einen Flur für den Durchgang gesperrt haben. Da wurde quasi in das alte Wegerecht der Schule eingegriffen. Wir mussten der Schulgemeinschaft erstmal erklären, was es damit auf sich hat: Die Schülerinnen und Schüler halten sich den ganzen Tag dort auf, sie brauchen einen Bereich für sich, der auch Aufenthaltsqualität besitzt." Solche pädagogischen Entscheidungen müssten kommuniziert werden.

Blick auf die Schule und den Schulhof
Verschiedene Um- und Neubauten stehen noch an. © Hildegardis-Gymnasium Kempten

Kommunikation ist für Markus Wenninger sowieso das A und O. "Unsere vierköpfige Schulleitung muss Veränderungsprozesse so koordinieren, dass sich alle wiederfinden." Eine Internet-Plattform erleichtert Abstimmungen und Kommunikation. Bei einer Schule dieser Größenordnung sei das unabdingbar. Und es reduziert Konferenzen. Er selbst muss jederzeit ansprechbar sein: "Ich denke, dass ich am Tag etwa 15 bis 20 Gespräche mit Schülern und Lehrkräften einfach nur nebenbei auf dem Gang führe. Das fordert viel, bringt aber auch viel."

Nicht zu übersehen ist, dass im Hildegardis-Gymnasium gerade die Bauarbeiter unterwegs sind. Umfangreiche Um- und Neubauten werden verwirklicht. Aber auch pädagogische Neuerungen stehen bevor, wie der Schulleiter berichtet: "Bei unserer letzten externen Evaluation, die das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung durchgeführt hat, hieß es, dass wir noch Nachholbedarf bei der Individualisierung und Differenzierung des Lernprozesses hätten. Wir haben daher ein Methodencurriculum entwickelt, das es jetzt umzusetzen gilt."

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