Oberlinschule Potsdam: "Das IZBB war ein Segen" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Oberlinschule in Potsdam, eine Schule mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten körperliche und motorische Entwicklung sowie Hörsehbehinderung, strahlt weit über die Stadtgrenzen hinaus.

Die Oberlinschule in Potsdam strahlt weit über die Stadtgrenzen hinaus. Die Förderschule mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten körperliche und motorische Entwicklung sowie Hörsehbehinderung überzeugt mit der Einbettung ihrer Sozialpädiatrischen Abteilung in den Schulalltag. Mit Hilfe des Investitionsprogramms "Zukunft Bildung und Betreuung" konnte nun auch der dringend benötigte Neubau finanziert werden, der zum Schuljahr 2011/2012 bezugsfertig sein soll.

Schulleiter Uwe Plenzke muss sich entscheiden: Welchen Farbton soll die Außenfassade des Neubaus erhalten? Dieser Ton muss zum Rest des Gebäudes passen, darf sich aber auch nicht mit der Farbe des Altbaus in unmittelbarer Nähe beißen. Die beiden Architektinnen haben verschiedene Farbmuster mitgebracht, die nun auf Sand und Planken mitten auf der Baustelle begutachtet werden. Eine Aufgabe, der sich Uwe Plenzke gerne stellt.

Denn sind erst einmal solche Details zu klären, hat man den größten Teil der Arbeit bereits hinter sich. Tatsächlich werkeln Bauarbeiter bereits am Innenausbau des Neubaus an der Oberlinschule in Potsdam-Babelsberg; Fundament und Fassade des großen Gebäudes stehen, Anfang Juni 2010 wurde das Richtfest gefeiert. Geht nun alles nach Plan, können die rund 260 Schülerinnen und Schüler zum kommenden Schuljahr 2010/2011 ihre neuen Räume beziehen.

Für die Ganztagsschule im Land Brandenburg mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten körperliche und motorische Entwicklung sowie Hörsehbehinderung und besonders für Schulleiter Plenzke erfüllt sich damit ein Traum. Denn sowohl ein Blick auf die Schülerzahlen - 1991 startete die Oberlinschule mit  70 Kindern und Jugendlichen - als auch auf das bisherige Schulgebäude machen mehr als deutlich, wie sehr die Schule auf neue Räumlichkeiten angewiesen war und ist. Auf die seit 1952 genutzte ehemalige orthopädische Klinik mögen viele Beschreibungen zutreffen, "behindertengerecht" ist sicherlich keine davon.

Seit 2003 für den Neubau geworben

Enge Treppen und Gänge, kleine Zimmer, verwinkelte Kellerräume, welche die Schule aus Raumnot zu nutzen gezwungen ist - für "Zauberberg"-Dreharbeiten als Lungensanatorium taugt der morbide Charme des Hauses sicherlich mehr als für ein zweites Zuhause junger Menschen. Zwar sorgen die Lebendigkeit der Schülerinnen und Schüler und das leidenschaftliche Engagement  Uwe Plenzkes, des Kollegiums, der Pädagogischen Partner dafür, dass das bisherige Gebäude trotz aller altersbedingter Schwächen Lebenslust ausstrahlt. Den Neubau erwartet die Schulgemeinschaft dennoch mit Ungeduld.

Kein Wunder, denn Uwe Plenzke hat seit seinem Antritt als Schulleiter 2003 dieser traditionsreichen Schule, deren Wurzeln auf das Jahr 1886 zurückgehen, als im Diakonissenmutterhaus "Oberlinhaus" erstmals ein körperbehinderter Junge und ein taubblindes Mädchen aufgenommen wurden, für einen Neubau für seiner Schule geworben. "Als so ziemlich erste Amtshandlung habe ich den Antrag auf einen Neubau gestellt", erinnert sich der Schulleiter. Er führte unzählige Koordinationsgespräche mit dem brandenburgischen Bildungsministerium und der Stadt Potsdam. "Aber die Baufördertöpfe waren geschlossen, und wir überlegten bereits, Kredite aufzunehmen." Zu Hilfe kam dem Schulleiter dann im richtigen Moment das Investitionsprogramm "Zukunft Bildung und Betreuung" (IZBB) des Bundes zum Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen. "Das IZBB war ein Segen", meint Plenzke.

Am ersten Schultag des Schuljahres 2009/2010 erhielt die Oberlinschule den IZBB-Förderbescheid über eine Million Euro aus den Händen von Bildungsminister Holger Rupprecht. Das war zugleich der offizielle Startschuss für die Bauarbeiten auf dem Grundstück des Vereins Oberlinschule. Dazu kamen 2,25 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II, weitere Mittel des Landes Brandenburg, Kredite, Finanzen aus der Oberlinstiftung und Spenden in Höhe von 250.000 Euro. "Keine andere Schule in Brandenburg hat einen solch hohen Betrag aus dem IZBB erhalten wie wir"., berichtet Plenzke stolz.

Neubau beendet die Zeit der Flickschusterei

Besonders die steigenden Schülerzahlen seien das schlagende Argument für einen Neubau gewesen - "keine Aussage über Alternativen für unsere Schülerinnen und Schüler stimmen, es gibt sie nicht", zeigt sich der Schulleiter überzeugt. Seit dem Anwachsen der Schülerzahlen lavierte die Schule: Zuerst 1992 mit verschiedenen Standorten, dann ab 1998 mit dem Einzug in die ehemalige Klinik, bei der unter anderem durch Elternengagement und eine Million Deutsche Mark, die durch einen Spendenmarathon im Fernsehen zusammen kam, Treppenhäuser und Fahrstühle um- und eingebaut wurden. Laut Plenzke war diese Lösung bereits damals lediglich der berühmte "Spatz in der Hand".

2008 war dann endlich klar, dass der letztlich unvermeidliche Neubau kommen würde. Im Juni 2009 setzte man den Spatenstich, im Dezember 2009 wurde der Grundstein gelegt. Im September 2011 möchte Uwe Plenzke mit allen Beteiligten sowie Ministerpräsident Matthias Platzeck ein großes Einweihungsfest feiern.

Musikalische Aufführung unter freiem Himmel an der Oberlinschule
Musikalische Aufführung unter freiem Himmel an der Oberlinschule

Selbst ein Gang durch das noch betonnackte Gebäude beeindruckt in seinen Dimensionen und verdeutlicht den Unterschied zum jetzigen Schulhaus. Die Flure wirken so breit, als seien sie für den Straßenverkehr freigegeben. Im Foyer führt eine breite Rampe neben den Treppen hinauf, sogar mit einer Einbuchtung, um den "Gegenverkehr" vorbei lassen zu können - eine Spezifikation, die durch Anregungen aus der Schülerschaft berücksichtigt wurde, in der es etwa 80 Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer gibt. Nun sind genügend Fachräume vorhanden, auch sanitäre Anlagen und Duschen gibt es in jedem Stockwerk in ausreichender Zahl.

Kleine Klassen, feste Ansprechpartner, kurze Wege

Der Schulleiter weiter: "Ich sage, dass man jedes einzelne Kind und seine Bedürfnisse sehen muss. Kleine Klassen, feste Ansprechpartner, kurze Wege - da machen sich Eltern Gedanken, wo sie ihr Kind anmelden." Offensichtlich kommen dabei so viele Eltern zu dem Schluss, die Oberlinschule sei der geeignete Ort, dass "wir gar nicht alle Schülerinnen und Schüler aufnehmen können, die bei uns angemeldet werden", wie Plenzke verrät. Schon jetzt umfasst das Einzugsgebiet der Schule einen Radius von einer Fahrtstunde. Es gebe sogar Mütter und Väter, die dagegen klagten, dass ihr Kind eine Regelschule besuchen soll.

"Für uns ist es zukünftig wichtig, dass Entscheidungen nicht am Grünen Tisch gefällt werden, ohne unsere Fachmeinung gehört zu haben", fordert der Schulleiter. "Ich hoffe auch, dass in Brandenburg wieder Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen ausgebildet werden und dass alle Schulen, egal ob in staatlicher oder in freier Trägerschaft, einer gemeinsamen Betrachtung unterworfen werden. In Bayern und Baden-Württemberg geschieht dies, während in Brandenburg polarisiert wird, was ich etwas traurig finde."

Das große Pfund, mit dem die Oberlinschule wuchern kann, ist die Einbindung der Sozialpädiatrischen Abteilung in die Schule. Viele Schülerinnen und Schüler haben einen hohen Bedarf an medizinischer und therapeutischer Begleitung. Um dem gerecht werden zu können gibt es als Besonderheit ein fest angestelltes sozial-pädiatrisches Team von 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Krankenpflegern, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Sozialarbeitern, Sprachtherapeuten und Psychologen. Dieses Team übernimmt während der gesamten Schulzeit die Begleitung der Schülerinnen und Schüler und ist ein kompetenter Ansprechpartner für das pädagogische Personal und die Angehörigen.

Die Einbindung der Sozialpädiatrischen Abteilung in die Schule ermöglicht im Sinne einer ganzheitlichen Rehabilitation eine optimale medizinisch-therapeutische Begleitung und Förderung in Abstimmung mit dem pädagogischen Förderplan. Die Therapien sind fest in den Schulalltag integriert, was die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern entscheidend entlastet: Zusätzliche Therapietermine am Nachmittag werden überflüssig, Kinder und Eltern sparen Zeit, Aufwand und Kraft und gewinnen Lebensqualität in ihrer Freizeit.

Viele Aktivitäten am Nachmittag finden außerhalb des Schulgebäudes statt

Die Schülerinnen und Schüler kommen morgens von sieben bis acht Uhr an. Ab acht Uhr beginnt der Unterricht in Doppelstunden und Einzelstunden von 45 Minuten. Von 11.30 bis 13 Uhr findet das Mittagsband mit dem betreuten Mittagessen statt. Von 13 bis 15 Uhr gibt es Arbeitsgemeinschaften, Freizeit und Projekte. Übungen im Schwimmbad, die Musikgruppe, Theaterbesuche, Reiten und Ausflüge stehen dann auf dem Stundenplan. "Viele Aktivitäten führen aus der Schule heraus", betont Uwe Plenzke.

Einmal im Jahr trifft sich der Schulleiter mit seinen etwa 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die während des Schuljahres in ihren Bereichen vieles autonom organisieren und ihre Fragen in Teamsitzungen, Fachkonferenzen und Klassenkonferenzen klären. "Die Bereichsleiter sind mit Schulleitern vergleichbar", erklärt Plenzke. Er selbst komme nicht zum Unterrichten, sondern müsse hauptsächlich organisieren, Fragen rund um Personal und Transport der Schülerinnen und Schüler klären.

Um 15 Uhr wuselt es rund um das Schulgebäude: Es ist eine logistische Herausforderung, alle Schülerinnen und Schüler wieder nach Hause zu bringen. Wie an einer Perlenkette aufgereiht, stehen Autos und Autobusse zum Abtransport auch der Schülerinnen und Schüler im Rollstuhl auf dem Hof, während Eltern ihre Kinder in Empfang nehmen. Uwe Plenzke verabschiedet alle Schülerinnen und Schüler namentlich, diese wiederum verabschieden sich herzlich von ihm, ebenso wie die Eltern. Arbeitszufriedenheit und eine gute Schulatmosphäre - das wird hier deutlich - sind nicht nur eine Frage der Räumlichkeiten. Aber man muss es sich ja nicht unnötig erschweren.

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