Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium Dresden: Mathematik und mehr : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

In Dresden kennt es fast jeder – das MANOS. Das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium ist eine Institution und bietet seit Jahrzehnten eine vertiefte Ausbildung für mathematisch-naturwissenschaftlich begabte Schülerinnen und Schüler.

Selbst für eine Ganztagsschule ist die Zeit am 29. August 2013 schon vorangeschritten, als Schülerinnen und Schüler und viele Mütter und Väter durch das altehrwürdige Schulgebäude des Martin-Andersen-Nexö-Gymnasiums wuseln. Von 17 bis 18 Uhr stellen sich an diesem Nachmittag die meisten der in diesem Schuljahr zur Auswahl stehenden Arbeitsgemeinschaften vor. Unentschlossene können jetzt noch einmal schauen, welche AG sie reizt, mit den AG-Leiterinnen und -Leitern sprechen oder auch selbst etwas ausprobieren.

In der Turnhalle spielen die Jugendlichen Floorball und Tischtennis, Mädchen balancieren mit Einrädern, ein Junge jongliert. Im Schulgebäude selbst warten Schachbretter des Schachvereins. Amateurfunker erläutern ihre Geräte. Künstlerin Janina Kracht empfängt Interessierte für ihren Kurs „Kreative Malerei“. Es gibt Robotik- und Astronomie-Vorführungen. Ganz neu im Angebot ist die AG „Chinesische Sprache und chinesische Kalligraphie“.

Mittendrin im Geschehen: Schulleiter Armin Asper mit den Ganztagsschulkoordinatoren Johannes Bonk und Ralf Schölzel. Einerseits bieten sie auch selbst Arbeitsgemeinschaften an – so wird der Schulleiter zum Beispiel die „Jugend debattiert“-AG leiten –, andererseits beantworten sie natürlich die Fragen der Eltern und der Jugendlichen und nutzen selber die Gelegenheit, mit den AG-Leitern zu sprechen.

Mancher Besucher von der Universität wird neidisch

Seit dem Schuljahr 2005/2006 gibt es das offene Ganztagsangebot an der Schule im Stadtteil Striesen. Jeweils an drei Tagen können die Schülerinnen und Schüler von 13.30 Uhr bis 17 Uhr die Angebote und eine Hausaufgabenbetreuung nutzen. Von den insgesamt 470 Jugendlichen nimmt rund die Hälfte diese Möglichkeit wahr. Seit der Sanierung, den Umbauten und dem Neubau der Zweifeldsporthalle in den Jahren 2006 bis 2008 für knapp 14 Millionen Euro, darunter auch IZBB-Mittel, bietet das Gebäude aus dem Jahr 1907 dazu hervorragende räumliche Bedingungen. So gibt es zum Beispiel einen eigenen Proberaum für die Theater-AG, einen Orchesterraum für die Schulband und eine Schulbibliothek, die täglich bis 15.30 Uhr geöffnet ist.

Die außerordentlich gute Ausstattung des Chemielabors, die laut Schulleiter Asper „so manche Studierenden neidisch werden lässt, wenn sie uns besuchen“, deutet indes an, dass das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium keine ganz gewöhnliche Schule ist. „Als §-4-Schule haben wir schon besondere Bedingungen“, erklärt der Schulleiter.

Das Sächsische Schulgesetz räumt mit besagtem § 4 dem Nexö-Gymnasium einen Sonderstatus ein. Die Schule bietet eine vertiefte mathematisch-naturwissenschaftliche Ausbildung – als einzige in Dresden. Wer dieses Gymnasium besuchen möchte, muss sich auf einen Platz bewerben. „Wir sind keine Schule für Überflieger, und hochbegabte Kinder gibt es bei uns nicht mehr als anderswo“, erläutert Asper, „sondern zu uns kommen Schülerinnen und Schüler, die sich für Mathematik und Naturwissenschaften begeistern und vorstellen können, in dieser Richtung später zu studieren und Berufe zu ergreifen.“

Bewerbungen auf Schülerplätze

Die Spezialisierung der Schule reicht Jahrzehnte zurück. Die ehemalige Oberschule Dresden-Ost wurde 1954 nach dem dänischen Dichter Martin Andersen Nexö benannt. In der Stadt ist das Gymnasium bis heute als MANOS (Martin-Andersen-Nexö-Oberschule) bekannt. „Das MANOS ist hier ein echter Begriff, eine Marke“, ist der Schulleiter stolz. Ab 1963 wurde die Oberschule zu einer Spezialschule erst für Funkmechanik und Elektronik, ab 1986 dann zur „Spezialschule mathematisch-naturwissenschaftlich-technischer Richtung“. Dieser Status überlebte die Wende und wird durch besagten § 4 verbrieft.

Jedes Schuljahr bewerben sich etwa 120 Kinder auf die 75 Plätze der 5. Jahrgangsstufe. In einem siebenstufigen Verfahren wählt das Gymnasium seine zukünftigen Schülerinnen und Schüler aus. Hierbei spielen nicht nur die mathematisch-naturwissenschaftlichen Kenntnisse und Fähigkeiten eine Rolle, sondern auch das Leseverständnis, die Grundschulnoten sämtlicher Fächer und Referenzen aus außerschulischen Bereichen wie die Teilnahme in Sportvereinen oder das Erlernen eines Musikinstruments.

„Natürlich sind die mathematisch-naturwissenschaftlichen Kompetenzen entscheidend, aber wir achten schon bei der Auswahl der Schülerinnen und Schüler darauf, dass sie in der Breite gut aufgestellt sind“, erläutert Armin Asper. Mit dem Ganztagsschulangebot signalisiert das Gymnasium, diese Breite auch selbst zu unterstützen. Für den Schulleiter und die Ganztagsschulkoordinatoren geht es nicht um ein Korrektiv zum kopflastigen Unterricht – „und wir verlangen von unseren Schülerinnen und Schülern sehr viel“, wie der stellvertretende Schulleiter Holm Wieczoreck klar sagt –, sondern diese Bereiche ergänzen sich ganz im Sinne eines umfassenden Bildungsbegriffs.

Hausaufgabenthema entschärft

Die Anfänge der Ganztagsschule reichen laut GTA-Koordinator Johannes Bonk etwa 20 Jahre zurück, entwickelten sich aus dem Programm der Schuljugendarbeit. Seit dem Start der Ganztagsschule 2005 hält das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium einen engen Kontakt zur Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Sachsen, die ihren Sitz ebenfalls in Dresden hat. Seit 2010 ist die Schule Mitglied im Netzwerk sächsischer Ganztagsschulen, die durch regelmäßigen Austausch und gegenseitige Hospitationen voneinander lernen. „Wir haben in all den Jahren unglaublich viele wertvolle Anregungen erhalten, zum Beispiel die Schülerpatenschaften oder die Hausaufgabenbetreuung betreffend“, berichtet Bonk. „Manche Fortbildungen waren regelrecht augenöffnend.“

Die Hausaufgabenbetreuung begleitet eine Akademikerin im Ruhestand, die ab diesem Schuljahr von einer jungen Frau im Freiwilligen Sozialen Jahr unterstützt wird. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten in Stillarbeit an ihren Aufgaben, für Gruppenarbeiten steht ein Nebenraum zur Verfügung. Die Rückkopplung zu den Eltern geschieht über Tabellen, in welche die Betreuerinnen eintragen, wie die Jugendlichen gearbeitet haben. „Diese Hausaufgabenzeit hat uns eine erhebliche Entschärfung des Themas Hausaufgaben gebracht“, freut sich Schulleiter Asper.

Das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium öffnet sich nicht nur für andere Schulen oder Kooperationspartner im AG-Bereich, sondern zur DNA dieses Gymnasiums gehört auch die Verschränkung mit Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft, insbesondere mit der Technischen Universität Dresden. Bereits in der 7. und 8. Klasse begeben sich die Schülerinnen und Schüler im Rahmen einer wissenschaftlichen Projektwoche an die Universität, wo sie mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studierenden jeweils an einer Forschungsaufgabe arbeiten. In der Jahrgangsstufe 11 fertigen die Jugendlichen eine Jahresarbeit unter wissenschaftlicher Einzelbetreuung durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TU Dresden oder anderer Forschungseinrichtungen an.

Schule und Uni – Wege in beide Richtungen

Der Weg weist aber auch in die andere Richtung: Einige Ehemalige, die inzwischen studieren, kehren ans MANOS zurück, um die Schülerinnen und Schüler zu unterstützen oder zu informieren. So wird beispielsweise in diesem Schuljahr Lisa Hutschenreiter, die 2009 am Nexö-Gymnasium ihr Abitur gemacht hat und nun in ihr viertes Studienjahr an der Technischen Universität geht, eine Mathezirkel-AG anbieten. „Ich bin als Schülerin selbst viel von Ehemaligen gefördert worden. Das möchte ich nun weitergeben“, erklärt sie. In ihrer einmal pro Woche für 90 Minuten stattfindenden AG wolle sie mit fünf bis zehn Jugendlichen „Dinge wie Spieltheorie besprechen, die im Unterricht zu kurz kommen“.

Wobei es fast nicht zu glauben ist, dass in dieser Schule im Bereich Mathematik oder Naturwissenschaften etwas zu kurz kommen könnte. Besonders interessierte und begabte Jugendliche werden ab Klasse 7 in so genannten Leistungszentren in kleinen Gruppen zusammengefasst, in denen sie individuell und vertieft gefördert werden. Die Stundentafel ist so verändert, dass in diesen Fächern zusätzliche Stunden gegeben werden können. Für die abgebenden Fächer hat das Kollegium extra eigene komprimierte Curricula entwickelt. Die zusätzlichen Stunden in den Naturwissenschaften werden insbesondere in den Jahrgangsstufen 9 und 10 für umfassende Experimente genutzt. Von Anfang an und während der gesamten Schulzeit nehmen die Schülerinnen und Schüler an Wettbewerben und Olympiaden teil – häufig mit großem Erfolg.

 

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