KSA Bremen: Ganztag mit Rhythmus : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Die Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee möchte alle zum Abschluss bringen. Die gebundene Ganztagsschule bietet von der Berufsorientierung bis zum Musikschwerpunkt ein einzigartiges Programm.

Das Ziel ist klar formuliert im Leitbild der Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee mit gymnasialer Oberstufe, kurz KSA genannt: „Alle Schülerinnen und Schüler der KSA verlassen die Schule mit einem Abschluss.“ Dafür steht Schulleiter Christian Sauter, der 2016 aus einem anderen Bremer Stadtteil an die KSA kam und sich schnell für „die vielen freundlichen Schülerinnen und Schüler“ und das soziale Engagement in der Vahr begeisterte. „Natürlich gibt es hier auch Konflikte, wie überall, wo mehr als drei Menschen zusammenkommen, aber nichts, was mich aus den Socken haut“, sagte er damals dem Weser-Kurier.

Eine, die sich für dieses Ziel sehr engagiert, ist Christa Sprenger. Sie trägt den schönen Titel „ZuP-Leitung“. ZuP ist das „Zentrum für unterstützende Pädagogik“, das nach dem Bremischen Schulgesetz jede Schule in Bremen hat. Die ZuPs unterstützen allgemeinbildende Schulen bei der sonderpädagogischen und weiteren pädagogischen Förderung. Das heißt: Christa Sprenger ist als Mitglied des Schulleitungsteams, zu dem noch die stellvertretende Schulleiterin Stephanie Lipka gehört, zuständig für den gesamten inklusiven Prozess dieser Oberschule.

Eine Aufgabe mit Anspruch. Um dem Bedarf der Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden, steuert Bremen sein Schulsystem über einen Sozialindex: Gruppen von Schulen werden fünf sogenannten Sozialstufen zugeordnet, nach „Lebensumwelt“ (etwa dem Bildungsstand im Wohnquartier), „Armut“ (Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Bremen-Pass), „Lernausgangslage“ (wie Sprachförderbedarf) und „Integration“ (wie der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nicht-deutscher Muttersprache). Danach werden die Klassengrößen festgelegt, zusätzliche Lehrerstunden und ergänzende Mittel sowie Sozialarbeiterstellen zugewiesen. Auch der Ausbau zur Ganztagsschule entscheidet sich danach. Sichergestellt werden soll die Inklusion.

Der Sozialindex wird jährlich aktualisiert. Für die Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee gilt derzeit wie für 10 andere Oberschulen und 19 Grundschulen die Sozialstufe 4. Das bedeutet beispielsweise, dass die Klassen zwei Schülerinnen und Schüler weniger haben, aber mehr Lehrerstunden für die bessere individuelle Förderung und Ressourcen der Schulsozialarbeit.

Doppelbesetzungen werden angestrebt

Um der besonderen Ausgangslage der Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee gerecht werden zu können, dürfen hier also die Klassen kleiner als üblich sein. 23 Schülerinnen und Schüler sollen den drei inklusiven Klassen eines Jahrgangs maximal angehören, davon jeweils fünf bis sechs Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Aber Christa Sprenger gesteht: „Das kriegen wir nicht immer hin.“

Im Bremer Rathaus bei Oberbürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte
Im Bremer Rathaus bei Oberbürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte © Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee

Im optimalen Fall stellt sich die ZuP-Leiterin eine möglichst häufige Doppelbesetzung vor. Das multiprofessionelle ZuP-Team setzt sich aus Lehrkräften, Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Sonderpädagoginnen und -pädagogen, Erzieherinnen und Erziehern sowie gegebenenfalls externen Mitarbeitenden zusammen. Zumindest theoretisch. Der in den Jahrgangsstufen fünf bis sieben im gebundenen Ganztag arbeitenden Schule fehlen, so Christa Sprenger, insbesondere sonderpädagogische Fachkräfte. Fünf benötigt sie mindestens noch. „Der Markt ist leer“, bedauert sie.

Gemeinsam mit Saher Khanaqa-Kückelhahn, der Projektleiterin des Bürgerzentrums Neue Vahr, entwickelte die Netzwerkerin par excellence eine Win-Win-Lösung. Lehrerinnen und Lehrer, die im Stadtteil wohnen und noch auf die Anerkennung ihres in ihrer Heimat abgeschlossenen Lehramtsstudiums warten, sollen über eine achtwöchige Qualifizierung der Arbeitsagentur so fit werden, dass sie – „nicht als Lehrkräfte“, wie Sprenger betont, aber unterstützend – drei Tage pro Woche im Schulalltag eingesetzt werden können. Beide Seiten würden profitieren: Die Schule könnte die Doppelbesetzungen erhöhen. Die Lehrkräfte könnten das deutsche Schulsystem kennenlernen. Nun muss nur noch die Behörde grünes Licht geben.

Rhythmisierter Ganztag

Netzwerkarbeit ist für die Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee selbstverständlich: Sie gehört zum Netzwerk „Ganztägig lernen“ und – wie die Grundschule Mahndorf im Stadtteil Hemelingen – zum Referenzschulnetzwerk Ganztagsschule in Bremen, aber auch zum „Netzwerk Durchgängige Begabungsförderung“.

Kreativität und Flexibilität zeichnet den Ganztag der Oberschule und seinen Träger, den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Bremen, aus. „Wir wollen den Ganztag in unseren Schulalltag integrieren“, berichtet Christa Sprenger. Und so ist die Rhythmisierung gestaltet: Die Fünftklässlerinnen und Fünftklässler wählen zwischen Profilen aus: Natur und Technik, Musik (jeder Jahrgang hat eine Band), Event/Schülerfirma (Theater, Kunst und Kochen) und Sport (in Kooperation mit dem Sportgarten e. V. Bremen). Christa Sprenger würde das Angebot, das derzeit für die Mittelstufe der Klassen 5 bis 7 besteht, gerne auch für die höheren Klassen sehen. Noch allerdings mangelt es an den Kapazitäten.

Zwei der vier Profilstunden gelten als Unterricht mit Notengebung und finden beispielsweise montags nach dem Mittagessen in der siebten und achten Unterrichtsstunde statt. Die Vertiefung mit speziellen Inhalten, wie zum Beispiel in „Natur und Technik“ die Innenhof-Garten-AG oder im Bereich Event die AG Werken, geschieht in der Arbeitsgemeinschaft dienstags vor der Mittagspause. Mittwochs steht dann eine breite Palette von Arbeitsgemeinschaften, darunter auch spezielle Förderangebote wie Lesen, Mathe und Englisch zur Verfügung.

Von der Innenhof-Garten-AG bis zu „Kurts Nachrichten“

Wer eine AG leitet, hängt von den „Leidenschaften“ der Kolleginnen und Kollegen in dem multiprofessionellen Team ab. Auch Externe bringen sich ein – wie ein Schreiner, der im kommenden Frühjahr einsteigen wird. Apropos Schreiner: Er findet eine bestens ausgestattete Werkstatt vor. In ihr lernen die Schülerinnen und Schüler jede Form von Werkzeug und den Umgang damit kennen.

Die Innenhof-Garten-AG der 6. Klassen begleitet Vasilena Schleifer von „VahrRadieschen“, einem gartenpädagogischen Projekt der Jugendhilfe und soziale Arbeit gGmbH. Dort heißt es Blumenkästen und Insektenhotels bauen, Wege anlegen, Beerenobstgehölze pflanzen und Komposthaufen einrichten. Die GEWOBA-Gartenbau spendete Bäume, Sträucher und Bodensubstrat. Mit Marten Carstensen vom Bremer Imkerverein von 1875 e. V. wurde sogar ein Bienenschaukasten installiert. Die Bienen sind am 02. Mai 1921 im Innenhof eingezogen.

Bei Musikleidenschaft „ist die KSA die erste Wahl!“
Bei Musikleidenschaft „ist die KSA die erste Wahl!“ © Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee

Ein außergewöhnliches Projekt ist die Kooperation des 8. Jahrgangs mit der Bildhauerwerkstatt der JVA Bremen, ein Projekt im Rahmen des Programms „Wohnen in Nachbarschaften“ der Bremer Senatorin für Umwelt und Stadtentwicklung. Die Schülerinnen und Schüler gestalten seit 2020 die Atrien der Oberschule neu: In drei Lichthöfen wurden 20 Tonfiguren der Künstler der JVA zu unterschiedlichen Themen aufgestellt. Daran war auch das Demokratieprojekt des Bürgerzentrum Vahr beteiligt. Die Tonfiguren sind echte Hingucker.

Nicht zu vergessen die Schülerzeitung „Kurts Nachrichten“, in deren Redaktion zehn Schülerinnen und Schüler des 7. Jahrgangs arbeiten und die seit Februar 2020 auch online auf Instagram „unterwegs“ ist. Betreut wird sie von Mathe- und Physiklehrer Steffen Smoor.

Beliebte Schülerfirma Catering

Ab Klasse 6 wandelt sich der Ganztag. Schülerinnen und Schülern, die nicht in die gymnasiale Oberstufe wechseln und keine zweite Fremdsprache wählen, stehen mehrere zweistündige AG`s zur Verfügung. Eine AG, von der Christa Sprenger sagt: „Wir bemühen uns, dass alle einmal dabei sein können“, widmet sich dem Kochen in der schuleigenen Lehrküche, die nach ihren Plänen gestaltet worden ist. Von allen Seiten nutzbare Herdplatten und Spülen ermöglichen vielen Schülerinnen und Schüler, gleichzeitig daran zu arbeiten. Eine lange Tafel lädt im lichtdurchfluteten Raum zum Essen ein.

Die Lehrküche stellt so etwas wie das Zentrum der Schülerfirma dar. Sie wird derzeit von drei Lehrkräften geleitet: Dr. Gilles Renout, der für die Berufsorientierung und Praktika zuständig ist, sowie Christiane Kuhlmann und Lutz Kletzsch. Die Schülerfirma bereitet Caterings vor, wäscht Tafelschwämme und Handtücher, mahlt den fair gehandelten Kaffee Utamsi aus Ghana. Er kommt in der Schule auf den Tisch und dient als Verkaufsprodukt. Ebenfalls in der Lehrküche finden wir die Aufladestation für die Stifte der digitalen Tafel.

Christiane Kuhlmann erläutert: „Kochen, Ernährung, Nachhaltigkeit und Kleidung werden immer wieder thematisiert. Dabei denken wir auch über unser eigenes Verhalten nach.“ Dass die Schülerfirma, deren Erträge ein kleines Taschengeld für die Schülerinnen und Schüler darstellt oder die für Gruppenaktivitäten genutzt werden, in die Produktion der Holzbänke für die neue Aula eingebunden war, versteht sich von selbst berichtet Lutz Kletzsch. An der Konzeption der Aula bis hin zur tatsächlichen Gestaltung einschließlich des Anstrichs waren die Schülerinnen und Schüler beteiligt.

Soziales Lernen und Soziologie

Egal, welchen Weg die Kinder und Jugendlichen einschlagen – sie alle durchlaufen während ihrer Schulzeit in der Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee prägende Stationen für ihr Leben. Etwa wenn im Fach „Soziales Lernen“ in den Jahrgängen 5 und 6 Vielfalt und Toleranz thematisieren und vor allem ihr eigenes „Standing“, Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit stärken. Beispielsweise im Projekt „Trau Dich“. Schon die jüngsten Schülerinnen und Schüler üben den Umgang mit Streit und Kritik.

Für die Älteren gibt es seit diesem Schuljahr das Fach Soziologie als Grundkurs der gymnasialen Oberstufe. Die Themen reichen von der Politischen Soziologie bis zur Arbeits- und Industriesoziologie und umfassen auch „Sozialstruktur und Armut“ oder „Chancen und Risiken der Globalisierung“. Im Profilfach „Das Ich und die Welt. Erziehung, Sozialisation und Entwicklung“ geht es, nicht nur für Schülerinnen und Schüler, die einen pädagogischen Beruf anstreben, um Grundlagen von Erziehung und Lernen, aber auch um Fragen der Identitätsentwicklung und des Erwachsenwerdens, einschließlich deren „Stolperfallen“.

„Lesen ist die Basis für alles“

Dass die Schülerinnen und Schüler ganz nach dem Motto „Aufs Leben vorbereiten“ in der Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee durchgängig ab Klasse 5 Gelegenheiten zur Berufsorientierung haben, findet auch außerhalb der Schule Anerkennung: Fünfmal in Folge wurde ihr das Berufswahlsiegel „Schule mit hervorragender Berufs- und Studienorientierung“ zuerkannt. Vielleicht winkt ja später auch einmal ein solches für den Umgang mit digitalen Medien.

Kooperation mit der Bildhauerwerkstatt der JVA Bremen
Kooperation mit der Bildhauerwerkstatt der JVA Bremen © Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee

Alle Schülerinnen und Schüler, ebenso alle Lehrerinnen und Lehrer wurden im Rahmen des Digitalpaktes mit Tablets ausgestattet. Sie dienen als Kommunikationsweg in allen Richtungen, als Verteiler von Arbeitsaufträgen und Speicherort für Lerninhalte. Die „Bildung in der digitalen Welt“ war auch Thema im Schulpodcast der KSA „Die mündliche Note“, wo Schülerinnen und Schüler zu ihren Erfahrungen und Wünschen der Digitalisierungen befragt wurden.

Doch trotz aller Digitalisierung steht ein Auftrag im aktuellen Schuljahr als Schwerpunkt ganz oben auf der To-do-Liste: Lesen, lesen und nochmals lesen. Denn, so Christa Sprenger: „Lesen ist die Basis für alles.“ Das beginnt bei der Sprachförderung für Schülerinnen und Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, und reicht bis zu den Leistungskursen, einschließlich Besuchen von Kino- und Theatervorstellungen oder Buchlesungen. Dafür bildet sich das Kollegium laufend fort, 2020 zum Beispiel im Berliner Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur „LesArt“, um neue Methoden des Umgangs mit Literatur kennenzulernen.

Zusammen was ganz Großes erreichen

Eine Besonderheit zeichnet die Oberschule an der Kurt-Schumacher-Allee noch aus: Sie ist eine Schule mit Musikschwerpunkt, dem Volker Bruder als Fachgruppenleiter vorsteht. Es heißt: Wer seine Leidenschaft für die Pop-, Rock- und Jazzmusik entdeckt hat, für den oder die „ist die KSA die erste Wahl!“ Musiziert wird im Regelunterricht, im Leistungskurs der Oberstufe und bei öffentlichen Konzerten. Sogar Arrangieren, Komponieren, Audio- und Videoschnitt können die Schülerinnen und Schüler lernen. Die Pop- und Soulband „Grob Vahrlässig“ hat in den letzten Jahren mehrere Preise abgeräumt. Wenn die „KSA Allstars“, die KSA KraZ Kats oder die „Freezies“ mit Schlagzeugerin Leonie und Bassistin Yasmin beim bundesweit bekannten Bremer Schulrockfestival aufspielen, ist „Partystimmung garantiert“.

Die Ergebnisse zeigt ein Video. Dort fasst eine Schülerin auch zusammen, was als Überschrift für die ganze Schule stehen könnte: „Das Besondere, wenn man in einer Gruppe Musik macht, ist, dass man mit vielen zusammen was ganz Großes erreicht, was man alleine gar nicht schaffen könnte. Und es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man sich das anhört und merkt, dass man ein Teil von dieser großen Gruppe war, von diesem Stück, das da rausgekommen ist.“

Kategorien: Service - Kurzmeldungen

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion erlaubt. Wir bitten um folgende Zitierweise: Autor/in: Artikelüberschrift. Datum. In: https://www.ganztagsschulen.org/xxx. Datum des Zugriffs: 00.00.0000