"... kleine Schule mit großen Ereignissen": Sekundarschule "An der Elbe" : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Eine Schule auf dem ganz "platten" Land: Die Ganztags-Sekundarschule "An der Elbe" punktet mit großem Engagement des Kollegiums, mit Berufsvorbereitung und Umweltbildung.

„Willkommen im Land der Frühaufsteher!“ Für die Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „An der Elbe“ in Parey im Landkreis Jerichower Land ist der Werbespruch ihres Landes Sachsen-Anhalt gelebte Realität: Um 7.15 Uhr beginnt der Unterricht in ihrer Schule, ab 7.00 Uhr steht die Schultür für die Offene Eingangsphase auf. Dieser frühe Beginn fußt auf keiner pädagogischen Notwendigkeit, sondern ist schlicht dem Busfahrplan geschuldet.

„Wir haben mit den Verkehrsbetrieben diskutiert, aber es war nichts zu machen“, erzählt Schulleiterin Anita Krüger. Dass der Schultag entsprechend um 14.45 Uhr endet statt – wie das die Schule eigentlich gerne sehen würde – um 15.30 Uhr, ist auch von den Abfahrtzeiten der Busse diktiert. Es ist die Realität einer Schule, die so richtig „auf dem platten Land“ liegt. Glücklicherweise ist das Einzugsgebiet der Sekundarschule nicht übermäßig groß, die Fahrzeiten der Jugendlichen sind moderat.

Die Lage hat aber auch ihre Vorzüge: Anonym ist hier nichts. Mit 228 Schülerinnen und Schülern ist die zweizügige Schule überschaubar, viele der 24 Lehrkräfte kommen aus den Dörfern der Umgebung, in denen auch die Jugendlichen wohnen. Und diese werde jeden Morgen von Anita Krüger und ihrem Stellvertreter Ingo Koch "per Handschlag" am Eingang begrüßt. Eine Geste – und mehr. „Bei dem einen oder der anderen merken wir bereits dann, dass es ihr oder ihm nicht gut geht, dass er oder sie Stress zu Hause hatte“, berichtet Koch. „Da benachrichtigen wir schon mal unsere Sozialarbeiterin Aileen Gruß, dass da vielleicht was im Argen liegt.“ Die Schulsozialarbeiterin ist an allen fünf Wochentagen den ganzen Tag im Haus. Sie vertritt in der Schule auch das Programm „Schulerfolg sichern!“, an dem sich Sachsen-Anhalt beteiligt.

Hausaufgabenthema entschärft

„Unser Schulklima ist gut, wir sind hier mit unseren zwölf Klassen wie eine große Familie“, findet die Schulleiterin. Mit Einführung der Ganztagsschule 2009/2010 begannen sie und Ingo Koch das allmorgendliche Ritual. Dem Tag mehr Struktur zu verleihen, die vielen bereits bestehenden Angebote, die „mal liefen, mal nicht liefen“, und „die Kräfte“ zu bündeln waren die Antriebsfedern, Ganztagsschule zu werden. Dass es auch zusätzliche Stunden für den Ganztag gab, welche die Schule als Arbeits- und Übungsstunden nutzen wollte, war ein weiterer Anreiz.

So nehmen die Jahrgangsstufen 5 und 6 dienstags, mittwochs und donnerstags verpflichtend an der Arbeits- und Übungsstunde teil, in der die Hausaufgaben erledigt werden. Aufsicht führt hier eine Lehrkraft. Über das Klassenbuch kommunizieren die Kolleginnen und Kollegen untereinander, welche Aufgaben gelöst werden müssen. Wer die Aufgaben erledigt hat, kann weitere Übungen anschließen oder auch spielen. Dazu liegt ein Fundus an Spielen bereit, nicht ohne sozialpädagogischen Zweck. „Manche Kinder wissen zum Beispiel gar nicht, wie man ‚Mensch, ärgere dich nicht’ spielt“, erklärt der stellvertretende Schulleiter.

Ganz sollen die Eltern nicht aus der Verantwortung entlassen werden, sodass es über das Wochenende und auch montags „echte Hausaufgaben“ gibt. Alles in allem melden die Eltern der Schule zurück, dass sich das Hausaufgabenthema entschärft habe.

Soziales Lernen in der Jahrgangsmischung

Ab der Jahrgangsstufe 7 ist die Teilnahme an den Angeboten der Ganztagsschule freiwillig. Im 45 Minuten langen Mittagsband können die Jugendlichen in der Mensa ein Mittagessen einnehmen, sich in der laut Anita Krüger „topsanierten“ Turnhalle und auf dem ebenfalls „topsanierten“ Sportplatz bewegen und spielen. Nachmittags können sie auch an den zahlreichen Arbeitsgemeinschaften teilnehmen, die allesamt von Lehrerinnen und Lehrern angeboten werden. Dabei sind die Jugendlichen frei in ihrer Wahl, übernehmen selbst die Verantwortung für die Einteilung ihrer „freien Zeit“, was laut Schulleiterin Krüger auch gut funktioniert. Die Nachfrage nach den Angeboten ist sehr gut, der Schulleiterin zufolge nehmen nur etwa 30 Schülerinnen und Schüler nicht an den Angeboten teil. Ingo Koch musste sogar Jungen und Mädchen auf die Roboter-AG einer Kollegin vertrösten, weil seine Roboter-AG „überbucht“ war.

Neben dem Fraunhofer-Projekt RobAG – beziehungsweise „Roberta“ für Mädchen – bietet das Kollegium den Schülerinnen und Schülern ein vielfältiges Angebot: Gitarre, Leichtathletik, Badminton, Tanzen, Inline-Skating, Töpfern, Zeichnen, Handwerken, Fotografie, Fahrradwerkstatt, Geo-Caching. Alle Arbeitsgemeinschaften entstehen durch fachliche Leidenschaften und Interessen der Lehrkräfte – und deren Begeisterung und Engagement übertragen sich offensichtlich auf die Jugendlichen.

Eine weitere Beobachtung, von der Ingo Koch berichten kann: „In den altersgemischten Arbeitsgemeinschaften oder Projekten läuft sehr viel über die soziale Schiene. Ganz am Anfang musste ich den Fünftklässlern in meiner Robotik-AG noch viel selbst erklären. Heute gehen die viel selbstverständlicher auf die älteren Schülerinnen und Schüler zu, um sich von denen etwas erklären zu lassen und sie zu fragen. Und die Älteren helfen gerne.“ Schulleiterin Krüger ergänzt: „Solche Szenen finden auch in den sportlichen Angeboten sehr schön statt, wie uns die Sportlehrkräfte erzählen.“

Schülerfirmen sind Schulalltag

Ist die Ganztagsschule mit ihren Angeboten erst einmal etabliert, werden auch an anderen Stellen ganz augenscheinliche Veränderungen sichtbar. Ingo Koch isst des öfteren mit den Jugendlichen in der Mensa zu Mittag: „Ich muss inzwischen niemanden mehr ermahnen, wenn rumgesaut wird. Die Kinder machen selbst sauber und sorgen für Ordnung, das ist inzwischen selbstverständlich geworden.“ Tatsächlich sieht die Mensa im Keller des teilsanierten Schulgebäudes picobello aus – als ob an diesem Tag dort überhaupt noch niemand gewesen wäre.

Für das leibliche Wohl der Mitschülerinnen und -schüler sorgt neben der von einem Caterer direkt vor Ort frisch gekochten Mahlzeit auch eine der drei Schülerfirmen der Sekundarschule: „Die Durstkiller“. Die Gründung dieser Schülerfirma fand im August 2009 mit Beginn des Ganztagsschulprogramms statt. Die Jugendlichen versorgen ihre Mitschülerinnen und -schüler im Mittagsband mit heißen und kalten Getränken. Für Profi-Tipps zum Umgang mit Gästen und beim Herstellen von Cocktails, Mixgetränken und Milchshakes steht der Schülerfirma als Kooperationspartner das Team vom Strandhaus im Erlebnisdorf Elbe-Parey zur Seite.

Die „Durstkiller“ beschäftigen zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die als Firmenchef, Stellvertreter, Buchhaltung, Mixer, Kellner, Einkäufer oder Reinigung agieren. Wer Mitglied werden möchte, muss in ein Bewerbungsgespräch und dann eine vierwöchige Probezeit absolvieren. „Nicht alle werden übernommen“, meint Anita Krüger augenzwinkernd.

Die Einstein-Schüler GmbH ist mit inzwischen 14 Jahren eine der ältesten Schülerfirmen in Sachsen-Anhalt und betreibt im Mittagsband ein Internet-Café für Mitschülerinnen und -schüler. Dritte Firma ist die Töpferei „Elbkids“. Für die Teilnahme in diesen Schülerfirmen erhalten die Jugendlichen am Ende der 10. Klasse ein Zertifikat. Bei einer Schülerin war laut Ingo Koch dieses Engagement sogar schon entscheidend für ihre Übernahme in eine Lehrstelle. „Sie erzählte uns, dass die Gesprächspartner fast nur nach ihrer Mitarbeit in der Schülerfirma gefragt haben“, erinnert sich der stellvertretende Schulleiter.

Berufsvorbereitung und Praxistag

Insgesamt ist es positiv, dass seit zwei, drei Jahren die meisten Schülerinnen und Schüler eine Lehrstelle oder einen Arbeitsplatz in der Umgebung finden. Die Sekundarschule bewegt aber auch eine Menge, um die Jugendlichen fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Das fortbildungsrege Kollegium, bei dem fünf Lehrerinnen und Lehrer als Fachmoderatoren vom Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA) ausgebildet sind und Lehrkräfte anderer Schulen als Multiplikatoren fortbilden, trägt ständig neue Ideen in die Schule. Inzwischen hat sich ein Berufsvorbereitungsgerüst von der 6. Jahrgangsstufe aufwärts, in der die Schülerinnen und Schüler einen Bauernhof besuchen, bis zur 10. Klasse etabliert.

„Im Gegensatz zu vielen anderen Schulen haben wir noch den Praxistag beibehalten, an dem die Kinder dienstags in einem Betrieb ihrer Wahl arbeiten“, berichtet die Schulleiterin. Auch das Elterinteresse an diesem Thema ist hoch: „Die Berufsberaterin von der ARGE ist stets erfreut, dass so viele Eltern zu den Informationsveranstaltungen erscheinen“, meint Ingo Koch. Seit Ende Oktober ist die Schule darüber hinaus als MINT-freundliche Schule anerkannt.

Auch das Lern- und Methodentraining trägt Früchte. Anita Krüger erläutert: „Die Fachlehrkräfte haben sich vor Jahren zusammengesetzt, um zu diskutieren, was die Schülerinnen und Schüler jeweils nach der 6., der 8. und der 10. Klasse können sollten – vom Referat halten über Informations- und Quellenrecherchen bis zur Diskussionsführung. Nach einem Jahr Arbeit haben sie das zu Papier gebracht. Seitdem ist es unsere Arbeitsgrundlage.“ Und damit war die Schule dem neuen Lehrplan, der im vergangenen Jahr die Lern- und Methodenkompetenz verankerte, weit voraus.

Solarenanlage auf dem Turnhallendach

„Das fächer- und klassenübergreifende Lernen ist sicher eine der Stärken unserer Schule“, befindet die Schulleiterin. „Und man ist immer wieder erstaunt, wie viele Themen sich fächerübergreifend behandeln lassen.“ Dies gilt auch besonders für den Bereich der Umweltbildung, einem Highlight der Ganztagsschule: Sie hat unter anderem eine Solarenergieanlage auf dem Dach der Turnhalle installiert und nahm am Wettbewerb "ego. unternimmt Technik" zum Thema „Regenerative Energien und Nachhaltigkeit“ teil. Außerdem ist sie „AktionKlima!“-Schule und als Umweltpreisträgerin im Projekt „Schulen für eine lebendige Elbe“ der Deutschen Umwelthilfe aktiv.

Als „kleine Schule mit großen Ereignissen“, wie sie sich selbst auf ihrer Homepage charakterisiert, befindet sich die Sekundarschule „An der Elbe“ auf gutem Kurs, sind Anita Krüger und Ingo Koch überzeugt. Nun hoffen sie auf die Realisierung ihrer baulichen Konzepte. Die Mensa müsste erweitert und die noch unsanierten Gebäudeteile  modernisiert werden. Für den Fall der Fälle „liegen unsere Pläne schon in der Schublade“, so die Schulleiterin.

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