Jung-Stilling-Grundschule: Ganztag in Gemeinschaft : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Die Schülerinnen und Schüler der Jung-Stilling-Schule Kredenbach in Kreuztal lernen individualisiert, aber doch in Gemeinschaft. Die „Singende Grundschule“ ist seit zwölf Jahren Ganztagsgrundschule.

„Lernen in Gemeinschaft‟ ist das Motto der Jung-Stilling-Schule Kredenbach im siegerländischen Kreuztal. Das wird der Grundschule im Stadtteil Kredenbach, die im Schuljahr 2007/2008 als offene Ganztagsschule startete, momentan natürlich erschwert, aber Schulleiterin Sandra Klein ist dennoch positiv gestimmt: „Uns hat die Situation nicht so schwer getroffen aufgrund der Art, wie die Schülerinnen und Schüler bei uns lernen.“

Seit fünf Jahren arbeitet die Grundschule mit langfristig angelegten Lernplänen, die die Kinder nach ihrem eigenen Tempo bearbeiten. Bereits in der jahrgangsübergreifenden Eingangsphase der Klassen 1 und 2 bearbeiten die Schülerinnen und Schüler sechs Lernpläne in Deutsch und Mathematik. Dazu nutzen sie Hilfsmaterialien und auch Lernspiele, die in Regalen bereitliegen. Ist ein Plan bearbeitet, schreiben die Kinder eine Diagnosearbeit und wechseln anschließend in den nächsten Plan. Auch in den Jahrgangsstufen 3 und 4 wird mit Arbeitsplänen gearbeitet. Diese unterscheiden sich deutlich von den Plänen der Schuleingangsphase: Sie sind nach den Anforderungsbereichen differenziert und enden mit einer Leistungsüberprüfung, die entsprechend der Vorgaben auch benotet wird. Für manche Schülerinnen und Schüler entwickelt auch die Sonderpädagogin in Zusammenarbeit mit den Lehrkräften die Pläne. „Dieses System wird dem einzelnen Kind gerecht“, findet die Schulleiterin.

„Immer gut abgestimmt und transparent“

Und wie sieht es derzeit aus? „Die Schülerinnen und Schüler lernen bis auf einige Stunden, in denen wir allen gemeinsam etwas erklären, selbstständig. Und damit machen sie jetzt einfach zu Hause weiter“, berichtet Sandra Klein. „Wir haben den Kindern die Pläne mitgegeben, und sie konnten nahtlos damit weiterarbeiten. Die Eltern bringen uns die Hefte in die Schule, wo wir sie durchsehen und dann wieder zum Abholen bereitlegen. Mit den Eltern sind wir dabei die ganze Zeit in engem Kontakt, um mitzubekommen, wie es zu Hause läuft.“

Kollegium Jung-Stilling-Grundschule Kredenbach
Die Lehrkräfte arbeiten in Jahrgangsteams. © Jung-Stilling-Grundschule Kredenbach

Auch die Padlet-Plattform kommt zum Einsatz. Lehrerinnen und Lehrer laden hier Arbeitsblätter und Materialien hoch. Am Präsenztag den Schülerinnen und Schülern werden diese erklärt und dann daheim bearbeitet. „Das Arbeiten zu Hause mit den Lernplänen und den neuen Aufgaben über das Internet funktioniert ganz gut“, ist Sandra Klein froh. Doch nicht alle Haushalte verfügen beispielsweise über einen Drucker, wie die Schule durch eine Umfrage ermittelt hat. Ausgedruckt liegen die Aufgaben und Materialien daher auch in der Schule aus und zum Abholen bereit.

Elf Lehrerinnen und ein Lehrer sowie zwei Lehramtsanwärterinnen und eine Praktikantin arbeiten an der Jung-Stilling-Schule. Hinzu kommen Sekretärin Almut Winkler und Hausmeister Jürgen Krämer. Und wenn das Schulmotto „Lernen in Gemeinschaft“ lautet, so gilt für das Kollegium „Arbeiten in Gemeinschaft“. Die Lehrkräfte arbeiten in Jahrgangsteams und gestalten die Unterrichtsinhalte gemeinsam. „Das heißt nicht, dass eine Kollegin oder ein Kollege nicht auch mal ein Thema behandeln kann, das die anderen nicht haben. Aber es ist immer gut abgestimmt und alles transparent, auch für die Eltern“, berichtet die Schulleiterin. Das parallele Arbeiten erleichtert es, wenn eine Kollegin einmal in einer anderen Klasse einspringen muss.

Lernen im Grünen Klassenzimmer mit Schmetterlingswiese

In allen Klassen sind die Materialien die gleichen. Ein Kind, das für eine Stunde in eine andere Klasse wechselt – zum Beispiel, wenn es nicht mit zum Schwimmen geht –, kann sich sofort orientieren. Gelernt wird nicht nur im Klassenzimmer. Möchte sich eine Schülerin oder ein Schüler mit den Lernmaterialien zurückziehen, ist das auf den Fluren möglich. „Das ist anfangs für die Eltern gewöhnungsbedürftig gewesen, dass ihre Kinder auch auf dem Flur sitzen oder liegen. Aber inzwischen bekommen wir auch hier positive Rückmeldungen“, berichtet Sandra Klein.

Ein besonderer Lernort ist seit einem Jahr das Grüne Klassenzimmer, das nach zweijähriger Planung im Mai 2019 eingeweiht wurde. Mit Hilfe von Eltern und Sponsoren und dank der Unterstützung des Schulträgers, der Stadt Kreuztal, konnten zwei große Tische mit vier Sitzbänken und einer Tafel aufgebaut werden. Inzwischen sind zwei Hochbeete errichtet, mit denen die Garten-AG des Ganztags arbeitet. In einem Beet ist der „Naschgarten“, in dem Kräuter und Beeren wachsen, und in dem anderen der „Gemüsegarten“ mit Kartoffeln und Tomaten. Hausmeister Jürgen Krämer übernimmt das Schneiden der Hecke und das Mähen des Rasens.

Schmetterlingswiese
Schmetterlingswiese für die Schmetterlingsaufzucht. © Online-Redaktion

Daneben wächst jetzt eine Schmetterlingswiese, für die die Schülerinnen und Schüler Schmetterlinge züchteten. Dazu erhielt jede Klasse vom Förderverein ein Set für die Schmetterlingsaufzucht geschenkt. Geplant sind noch ein Sonnenschutz, eine Regenwassergewinnungsanlage, eine Kräuterspirale und Schautafeln. Stadträtin Edelgard Blümel sieht in dem Grünen Klassenzimmer schon jetzt „eine Aufwertung der pädagogischen Arbeit in der Kreuztaler Schullandschaft“. 

Sandra Klein hält Schülerbeteiligung für besonders wichtig: „Wenn die Schülerinnen und Schüler selbst über etwas nachdenken und Probleme selbst lösen, ist das viel sinnvoller, als wenn wir Erwachsenen Themen oder Problemlösungen vorgeben.“ Als beispielsweise die Jungen den dringenden Wunsch nach einem zweiten Fußballtor auf dem Schulhof an sie richteten, stimmte die Schulleiterin weder zu, noch lehnte sie ab. Sie ließ die Kinder diskutieren, ob und wo ein zweites Tor aufgestellt werden könnte. Die Jungen kamen zum Ergebnis, dass der Platz dafür fehlte, fanden aber eine Möglichkeit, auch ohne zweites Tor zurechtzukommen.

Gemeinsam in der OGS

Ein wichtiger Bestandteil der Ganztagsgrundschule ist die Erziehung zum sozialen Miteinander. Jede Woche startet mit dem Erzählkreis, in dem die Schülerinnen und Schüler berichten, was sie erlebt haben und wie es ihnen geht. Sie überlegen gemeinsam, wie sie ein Kind unterstützen können, dem es einmal nicht so gut geht. Die Schulwoche endet wiederum mit dem Klassenrat. Dann bilanzieren die Schülerinnen und Schüler die Woche und besprechen auch Konflikte und Wünsche. Einmal im Quartal tagt das gesamte Schülerparlament, in welchem die Kinder ihre Ideen, Vorschläge und Probleme aus den Klassen vorstellen.

200 Schülerinnen und Schüler besuchen die Jung-Stilling-Schule, davon rund 50 die offene Ganztagsschule (OGS) bis 16 Uhr. Die Zeit umfasst das Mittagessen, die Hausaufgabenbetreuung und die Arbeitsgemeinschaften. Das Mittagessen, von einem Caterer angeliefert, nehmen die Kinder zusammen mit ihren Lehrerinnen und Lehrern ein. In der Hausaufgabenbetreuung sind Lehrkräfte und OGS-Mitarbeiterinnen eingesetzt, ebenso wie in den Arbeitsgemeinschaften, beispielweise der Garten-AG, der „Earl of Sandwich“-Koch-AG, der Vorlese-AG oder der AG „Kreative Kinderhände“. Die Wald-AG wiederum leitet Forstwirt Daniel Rath, und die Kunst -AG wird von der Jugendkunstschule angeboten. Außerdem gibt es ein Kunst-Projekt mit einer Künstlerin aus dem Programm „Kultur und Schule“.

Dank des Fördervereins, der die Ganztagsgrundschule mit Lernboxen zu naturwissenschaftlichen Themen und mit LEGO-Education-Materialien ausgestattet hat, konnte ein Forscherraum eingerichtet werden, der den MINT-Bereich der Schule erweitert.

Träger des Ganztags ist der Verein für Soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS). OGS-Leiterin Marianne Nüs oder eins der neun Teammitglieder sind regelmäßig zu den Lehrerkonferenzen eingeladen. Andersherum nimmt Konrektorin Arissa Gebhardt einmal im Monat an der Sitzung des OGS-Teams teil. Über Mitteilungshefte stehen die OGS-Mitarbeiterinnen und die Lehrkräfte in ständigem Kontakt. Fortbildungen, wie zum Beispiel „Sprachschätze“ zum sprachsensiblen Unterricht und einer sprachsensiblen Betreuungszeit zur Verbesserung der Sprachkompetenzen, oder die Erste-Hilfe-Kurse führen Kollegium und OGS-Team gemeinsam durch. 

Singende Grundschule

Singende Grundschule
Am Projekt JEKISS beteiligen sich alle Kreuztaler Grundschulen. © Jung-Stilling-Grundschule Kredenbach

Seit dem Schuljahr 2011/2012 ist die Jung-Stilling-Schule eine „Singende Grundschule“. Zusammen mit anderen Kreuztaler Grundschulen – der Grundschule an Dreslers Park, der Friedrich-von-Bodelschwingh-Grundschule und der Adolf-Wurmbach-Grundschule – beteiligt sie sich am Projekt „JEKISS - Jedem Kind seine Stimme‟, das 2007 an der Westfälischen Schule für Musik entwickelt wurde. Freitags in der 6. Stunde probt der Schulchor. Die Lieder tragen die Chorkinder in ihre Klassen, und zusammen mit den anderen Grundschulen, in denen die gleichen Lieder eingeübt worden sind, tritt der Chor beim „Stadtsingen“ und zu Veranstaltungen in Kreuztal auf.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Leseförderung. Gute Bücher können die Schülerinnen und Schüler mit ihrem Leserausweis in der Schülerbücherei ausleihen. Für den Bestand sorgt unter anderem der Schulförderverein. In regelmäßigen Abständen gibt es die jahrgangsübergreifende Vorlesestunde. Lehrkräfte wählen jeweils ein Buch aus, und die Schülerinnen und Schüler können sich frei entscheiden, zu welcher „Lesung“ sie gehen. 

Individualisiert im Jahrgangsübergreifenden Lernen

„Die Kinder werden immer individueller“, findet die Schulleiterin. Und auch der Wissensstand der Kinder bei der Einschulung unterscheide sich immens. „Zu Beginn meiner Lehrertätigkeit habe ich schon gemerkt, dass manche Kinder mit einer Aufgabe schon nach ein paar Minuten fertig waren, während andere kaum das Buch rausgeholt hatten. Dann habe ich gemerkt, dass manche Schülerinnen und Schüler anfingen, sich taktisch zu verhalten und absichtlich langsam zu arbeiten. Denn wer schneller fertig war, kriegte ja im Zweifel eine Zusatzaufgabe.“ 

Diese Erkenntnisse haben nicht nur zu den individualisierten Lernplänen geführt, sondern im Schuljahr 2019/2020 auch zur Einführung des Jahrgangsübergreifenden Lernens (JÜL) in der Schuleingangsphase. „Es gibt Kinder, die drei Jahre in der Schuleingangsphase benötigen, aber es gibt auch immer einmal Kinder, denen ein Jahr reicht“, weiß Sandra Klein aus ihrer Erfahrung als Lehrerin. „Wir denken, dass wir den Schülerinnen und Schülern mit dem jahrgangsübergreifenden Lernen gerechter werden können.“ Einige Eltern waren skeptisch. Gelingt es wirklich, alle Kinder im Blick zu behalten? Verlangsamen die Jüngeren nicht die Lernfortschritte der Älteren? Auch hier war Transparenz das Gebot der Stunde, mit Infomaterialien und Informationsabenden. 

Karten
Der Förderverein unterstützt eine produktive Lernumgebung und Projekte. © Jung-Stilling-Grundschule Kredenbach

Die ersten Erfahrungen nach einem halben Jahr sind für Sandra Klein ermutigend: „Meine engagierten Kolleginnen und Kollegen, die sehr viel Arbeit in die Vorbereitung gesteckt haben, genießen gerade, wie gut es funktioniert.“ Das Schönste für sie ist es, die Motivation der Schülerinnen und Schüler beim Lernen zu sehen. „Als ich einmal morgens später kam, saßen die Kinder schon da und arbeiteten. 'Ist das okay, Frau Klein, wir haben schon mal mit Mathe angefangen.' Sie sind motiviert, sie lernen nicht für mich, sondern weil sie vielleicht nur noch eine Seite im alten Plan brauchen, weil sie mit dem neuen anfangen wollen, weil der Nachbar die Seite schon fertig hat. Niemand muss mehr warten, bis die Lehrerin die nächste Aufgabe stellt, sondern alle wissen, was sie zu tun haben.“

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