Julehygge im Ganztag: Lyksborg Danske Skole : Datum:

Auch in den Schulen der dänischen Minderheit dreht sich derzeit (fast) alles um die bevorstehende Weihnachtszeit. Ein Besuch in der Lyksborg Danske Skole, einer Grundschule mit offenem Ganztagsangebot in Glücksburg.

Welch unglaubliche Bescherung. Ausgerechnet am Nikolaustag. Als die Schülerinnen und Schüler der Lyksborg Danske Skole in Glücksburg am 6. Dezember ihren Ganztagsgruppenraum betreten, trauen sie ihren Augen nicht. Überall Toilettenpapier, auf Tischen, Stühlen, Büchern und Spielen, ja sogar auf dem liebevoll geschmückten Tannenbaum. Schnell macht sich ein Verdacht breit: Sollte etwa „unser“ Nisse, der Wichtel in Weihnachtsmanngestalt, sein Unwesen getrieben haben?  Und wenn ja, wer hatte ihn verärgert, dass er sein Unwesen treiben musste?

Die Kinder beteuern spontan ihre Unschuld: „Wir waren nett und artig“, garantieren sie ihrer Social- og Specialpædagog, der Sozialpädagogin Kerrin. Kerrin, die unter anderem in Aabenraa, einem kurz hinter der deutsch-dänischen Grenze liegenden Städtchen studiert hat, heißt mit Nachnamen Hansen. Doch an den 40 Schulen der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein sind alle per Du. Lehrkräfte, alle weiteren an der Schule Tätigen, Eltern und natürlich Kinder und Jugendliche.

„Wir sind nicht gerade bekannt für Anonymität und Oberflächlichkeit. Dafür aber für einen großen Gemeinschaftssinn“ schmunzelt Ralf Feddersen. Er ist verantwortlich für die Ganztagsangebote an den Schulen der dänischen Minderheit. „Und wir lieben die flache Hierarchie“, betont er.

Die Überraschungen des Nisse

Den Nachweis erhalten wir nur wenige Minuten später. Der Schulleiter der der Lyksborg Danske Skole Steven Bommarius hat Kerrin Hansen gebeten, uns die Schule vorzustellen. Sie könne ebenso viel berichten und für die Schule sprechen. Kerrin löst zunächst einmal das Rätsel ums Toilettenpapier. Nisse ist in Dänemark und damit auch an den Schulen der dänischen Minderheit Kult. Er ist Weihnachtsfigur, Gnom und Wichtel in einem. Und treibt seine Späße in der Vorweihnachtszeit. Mal überrascht er mit etwas Nettem, mal zeigt er, dass er verärgert ist. Worüber, das verrät er meist nicht.

Die Lyksborg Danske Skole in Glücksburg
© Steven Bommarius

Daniel Dürkop, Kommunikationschef des Dansk Skoleforening for Sydslesvig e.V., des Dänischen Schulvereins mit Sitz in Flensburg nennt einen möglichen Grund: „Sowas tun Nisser, wenn die Kinder vergessen, ihnen abends Kekse oder Milchreis hinzustellen. Bei mir in der Wohnküche haben die Nisser heute Nacht ein halbes Kilo Mehl verstreut.“ Die Kinder lieben ihren Nisse und können es kaum abwarten, was er denn am nächsten Tag wohl zu bieten hat, wenn er aus seinem von den Pädagoginnen und Pädagogen gebastelten Zuhause geklettert ist. Denn die „Zwergenwohnung“ steht auf einem Schrank. Verlassen kann der Nisse sie nur dank eines Taus, das die „Bauherren“ dankenswerter Weise angebracht haben.

Dänische Minderheit in Deutschland

Eine schöne Geschichte und Tradition, über die sich die rund 5.600 Schülerinnen und Schüler an den Schulen des Dänischen Schulvereins erfreuen. Sie kommen aus Familien, die sich der dänischen Minderheit zugehörig fühlen, das sind nach Schätzungen insgesamt 50.000 bis 100.000 Menschen in Deutschland. Sie alle eint der Wunsch, dänische Wurzeln, Kultur und Sprache zu bewahren. Der historische Hintergrund reicht bis ins Jahr 1921 zurück, und seit 1955 sichert die Bonn-Kopenhagener-Erklärung von 1955 die Gleichbehandlung der dänischen Minderheit in Deutschland und der deutschen Minderheit in Dänemark. Ob sie einen dänischen Pass besitzen, Mutter, Vater, Oma, Opa, Urgroßeltern oder wer auch immer dänische Wurzeln haben – die Zugehörigkeit zur nationalen Minderheit darf nach den gesetzlichen Vereinbarungen nicht hinterfragt werden.

 Im Herzen sind sie mindestens halbe Dänen. Sie lieben die Art des Lebens. Hygge (gemütlich) sei diese Lebensart, erzählt man sich. Und wer die Lyksborg Danske Skole oder die Verwaltung der Schulen in Flensburg in der Adventszeit betritt, spürt es. Bereits Anfang Dezember steht der Tannenbaum. In den Schulen schmücken ihn die Schülerinnen und Schüler, in der Verwaltung die Erwachsenen. Zur Tradition gehört auch der Tanz. Die Kinder fassen sich an den Händen und umkreisen den Baum singend. „Leider ist das in den Zeiten von Corona nicht möglich“, bedauert Kerrin Hansen.


In vielen Einrichtungen steht der Pakkekalender, eine Sammlung von 24 Geschenken, also eine Art Adventskalender. Ein Paket darf täglich geöffnet werden. „Er ist für viele wichtiger als ein Weihnachtsgeschenk“, erzählt Ralf Feddersen. Direkt daneben gibt es noch den Bevægelses Julekalender. Auch ihn lieben die Schülerinnen und Schüler, verbindet der „Bewegungs-Weihnachtskalender“ doch das Fest mit Bewegung. Ein QR-Code öffnet täglich neue Vorbilder für Bewegungseinheiten.



Unterricht auf Dänisch

Zurück in die Lyksborg Danske Skole. Knapp 70 Kinder der Klassen vier bis sechs besuchen sie. Wie alle dänischen Schulen  orientieren sie sich an den hier geltenden Lehrplänen des Landes Schleswig-Holstein. Ein Unterschied ist, dass der Besuch der Grundschule sich über sechs Jahre erstreckt. Die Entwicklung der Persönlichkeit, Sprachen und Naturwissenschaft, aber auch Natur und Bewegung haben die dänischen Schulen, von denen 32 Schulen offene Ganztagsangebote bereithalten, besonders im Blick. Kerrin Hansen strahlt: „Zum Glück haben wir viel Platz rund um unser Gebäude und sogar einen kleinen Hügel.“ Dort geht es hin zum Rodeln, wenn ausreichend weiße Flocken gefallen sind.

 Sie sagt es mir auf Deutsch. Ansonsten ist die Sprache der Schule Dänisch. Im Unterricht, aber auch beim gemeinsamen Mittagessen. Kerrin gesteht: Wenn die Kinder unter sich sind, sprechen sie auch schon einmal Deutsch. Wer allerdings, gemütlich in der Ecke sitzend, ein Buch aus dem Bestand der Schule lesen möchte, findet ausschließlich dänische Literatur. Was auch auf die Mehrzahl der Spiele zutrifft. 

1&1-Betreuung als besondere Förderung

Drei Mädchen mit Masken blicken durch ein weihnachtlich geschmücktes Fenster
© Daniel Dürkop

Nun gilt Dänisch nicht als die leichteste Sprache der Welt, zumindest, was die Aussprache betrifft. Wie also können die zumeist in Deutschland aufgewachsenen Kinder dem Unterricht folgen? Kerrin Hansen: „Das ist normalerweise kein Problem, da die meisten bereits unseren Kindergarten besucht und dort die Sprache gelernt haben.“ Entscheidend ist der Wunsch der Familien, ihr Bekenntnis zur dänischen Minderheit auch zu leben.

Ralf Feddersen weiß: „Wer das tut, lernt Dänisch, spricht in der Familie auch Dänisch und engagiert sich in Vereinen oder sozialen Einrichtungen. Auch davon lebt unsere Gemeinschaft.“ Kerrin weiß von zwei Kindern zu berichten, die in diesem Schuljahr ohne ausreichende Dänischkenntnisse eingeschult wurden. Sie erhalten Hausaufgaben für sich und ihre Eltern in der dänischen Sprache und wenn möglich eine 1 zu 1-Betreuung im Unterricht als „specialundervisning“, also als besondere Förderung.

Was zeichnet die Schulen der dänischen Minderheit aus? Ralf Feddersen gibt die Antwort schnell: „Die Gemeinschaft zeichnet uns aus.“ Was auch bedeutet, Kinder immer nur phasenweise aufgrund eines Förderbedarfes aus der Stammklasse zu nehmen und von speziell ausgebildeten Lehrkräften unterrichten zu lassen. „Bei uns ist Platz für alle“, betont der Ganztagskoordinator. Zum Nachdenken regt sein folgender Gedanke an: „Der Begriff Inklusion tut schon weh“, meint er, „weil er bedeutet, dass jemand erst einmal außen steht.“ 

Julegrod und Luciapiger

In der OGS der Lyksborg Danske Skole, die täglich bis 15.30 Uhr ein Nachmittagsangebot bereithält, steht niemand außen. Weder in den Arbeitsgemeinschaften, die je nach Standort und regionalen Gegebenheiten angeboten werden, noch in der Betreuung insgesamt. Schon gar nicht in der Vorweihnachtszeit. Seit Anfang November freuen sich alle auf Klip og Klister, sprich aufs Basteln – auch von Geschenken. In diesem Jahr entstanden so bunt angemalte Teelichter aus Lehm, mit Glasmalstiften verzierte Salz- und Pfefferstreuer oder aus einem Birkenstamm gesägte und farblich gestaltete Untersetzer.

 „Wir nähern uns Weihnachten. Und bringen uns Tag für Tag mehr in Stimmung für das Fest“, sagt Kerrin Hansen. Man spürt, dass die Tradition für sie unabdingbar dazugehört. Auch wenn es gilt, sich bei leiser weihnachtlicher Musik im Hintergrund am Mittagstisch zu versammeln, um den julegrod zu genießen: Milchreis und Weihnachten gehört zum Fest wie die Luciapiger, die Lucia-Mädchen, wenn die Kinder mit Kerzen feierlich in Kirchen und in Altenheimen einziehen. Ralf Feddersen bringt es abschließend noch einmal auf den Punkt: „Unser Weihnachtsfest Julehygge ist die Steigerung von Gemütlichkeit.“

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Kategorien: Bundesländer - Berlin

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