Johanneum zu Lübeck: Ganztag mit Anspruch und Wohlbefinden : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Musik, Musik und noch einmal Musik. Das Johanneum zu Lübeck setzt ganztags auf seine musikalische Prägung, traditionellen Unterricht, Notebook-Klassen, individuelle Förderung und die „Vorbereitung aufs Leben“.

Die Wertschätzung kommt von Herzen: Wenn Dr. Michael Janneck über seine 930 Schülerinnen und Schüler spricht, bekommt sein Gesicht strahlende Züge. Seine Schülerschaft bezeichnet er schlicht und ergreifend als „unglaublich“. Was ihn zu dem Superlativ bewegt, sind nicht in erster Linie die Leistungen. „Sie schieben so viel, was ihnen wichtig ist, an. Setzen sich mit Herzblut ein und gestalten so unsere Schule mit“, versichert der Leiter des Johanneums zu Lübeck, der bis 2015 bereits Informatik und Mathematik an der Thomas-Mann-Schule unterrichtete und auf der eigenen Homepage die Schülerinnen und Schüler anspricht.

Der jüngste Antrag der Schülerinnen und Schüler fand schnell ungeteilte Zustimmung in der Schulkonferenz. Sie beschloss: Die Schule soll bis 2035 klimaneutral werden. Das geht natürlich nicht ohne die Unterstützung der Stadt Lübeck. Sie sagte zu, ihren Beitrag zu leisten. Die Türen in die Büros der Verwaltung öffnete Phillip Gutberlet, bis zu seinem Abitur 2021 der Schulsprecher des Johanneums. Gemeinsam mit Greenpeace und dem Institut für Gebäudesanierung werden nun Projekte auf den Weg gebracht, um herauszufinden, wie das 1905 auf dem Gelände einer ehemaligen Klosteranlage errichtete Schulgebäude klimaneutraler gestaltet werden kann.

„Sie können sicher sein, unsere Schülerinnen und Schüler bleiben am Ball und beobachten genau, ob und was geschieht“, garantiert Janneck. So wie sie es auch nicht bei Lippenbekenntnissen belassen, wenn es um den Einsatz gegen Diskriminierung, für Nachhaltigkeit und die bienenfreundliche Bepflanzung des Schulhofs geht. Arbeitsgruppen wurden dazu gebildet und sind „äußerst aktiv.“

Oberstufenensemble eine Ehre

So engagiert die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums mit Offenem Ganztagsangebot bei Dingen, die sich jenseits des offiziellen Lehrplans abspielen, sind, so fast schon enthusiastisch greifen sie den Musikschwerpunkt des Gymnasiums auf. Rund die Hälfte von ihnen haben sich dafür entschieden, gehören einem der zahlreichen Orchester, Bands und Chöre, die nach Altersgruppen gestaffelt besetzt werden, an.

Chor beim Adventskonzert
Rund 200 Mitwirkende beim Adventskonzert © André Feller

Wer für das Oberstufenensemble erfolgreich vorgespielt hat und aufgenommen wird, um mit ihm hin und wieder auch auf Konzertreise zu gehen, empfindet dies als Ehre. Eine Schülerin bestätigt es lachend: „Ich war unglaublich stolz und happy, dabei zu sein.“ Ihren Namen möchte sie lieber nicht lesen: „Ich will ja nicht protzen.“

Was bereits die jüngeren Schülerinnen und Schüler musikalisch leisten, beweisen jährlich rund 200 Mitwirkende beim Adventskonzert der Orchester und Bands im Lübecker Dom. Doch auch der ELFen-Chor, bestehend aus Eltern, Lehrkräften und Freunden der Schule, ist in Lübeck seit Jahren mit seinen anspruchsvollen Chorwerken bekannt: In diesem Jahr wurde die Choralkantate „Vom Himmel hoch“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy aufgeführt. Das Kollegium des Gymnasiums lässt sich ebenfalls nicht lange bitten und präsentiert ein gemeinsam einstudiertes Stück.

Orgel erklärt – Orgel erklingt

Da müsste Musik sein, lautet der Titel eines Schlagers. Im Johanneum müsste der Song umgedichtet werden: Da ist Musik. Auch am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien, wenn das Singen der Schulgemeinschaft alle in die freien Tage entlässt. Und natürlich ist Musik da, wenn in der St. Aegidienkirche das traditionelle St. Lucia-Singen ansteht. Erstmals erkoren die Mitglieder des Oberstufenchors 2019 übrigens eine männliche Lucia. Die Begeisterung und Vorfreude auf diesen Tag ist so groß, dass der feierliche Höhepunkt gleich zweimal an einem Tag geboten wird.

Organistin Kathrin Maetzel muss dann auf ihre Orgel verzichten. Dank des Schulvereins konnte eine sehr gute Orgel angeschafft werden. Sie erklingt nun regelmäßig im Schulgebäude, genauer gesagt in der im Jugendstil renovierten Aula. Fast schon wie ein herzliches Dankeschön wirkt der Auftritt rund um die Orgel auf der Homepage der Schule. In einer Serie „Orgel erklärt“ gibt die Organistin Einblicke ins Innenleben des Instruments. Wie es klingt, ist unter „Orgel erklingt“ zu hören, etwa „Bereite dich, Zion“ aus dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach.

So wie in der Musik geht es im Kern immer und überall am Johanneum zu. Dem fachlichen Anspruch steht stets der Blick aufs „Wohlbefinden“ gegenüber. Dr. Michael Janneck: „Wir bieten fachlich versierten und durchaus traditionellen Unterricht. Er steht im Mittelpunkt.“ Doch dazu gehört: „Alles, was wir machen, soll im übertragenen Sinne gesund sein.“ Will heißen: Schülerinnen und Schüler sollen sich nicht überfordert fühlen und Freude am Geleisteten haben.

Vielschichtige Förderangebote

Wer es wünscht oder für wen die Lehrkräfte den Bedarf sehen, kann die von Natalia Strehl koordinierten Förderangebote des Beratungsteams nutzen. Nach Abschluss des Unterrichts stehen in der „Lernwerkstatt“ die Fachlehrkräfte der Hauptfächer zur Seite, bei Schwierigkeiten in Mathematik, aber auch in der Rechtschreibung oder wenn es heißt, Selbstorganisation zu trainieren. Immer stärker in den Blick nimmt das Johanneum auch die Begabtenförderung. Als begabt gilt nicht einfach, wer einen hohen IQ attestiert bekommt. Janneck: „Wir definieren begabt als ‚unangestrengt sehr gute Leistungen bringend’.“

Wer so „auffällt“, darf in Absprache mit seinen Lehrkräften im „Drehtürmodell“ durchaus einmal eine Unterrichtsstunde durch eigene Projekte freier Wahl ersetzen. Erst kürzlich bat ein Schüler darum, sich in seiner „Zeit für anderes“ dem Alt-Griechisch widmen zu dürfen. Die Zustimmung war ihm sicher. Ergebnisse der so erarbeiteten Projekte präsentieren die Betreffenden anschließend ihrer Klasse. Auch zusätzliche Aufgaben, etwas im Schulsanitätsdienst oder als Museumsguide sind möglich oder die Teilnahme an Kursen des Enrichment-Programms des Landes Schleswig-Holstein.

Notebook-Klassen ab Jahrgangstufe 7
Notebook-Klassen ab Jahrgangstufe 7 ... © André Feller

Den häufig geäußerten Verdacht älterer Semester, heute sei alles schlechter geworden, darunter die Leistungen in Rechtschreibung und Mathematik, will sich Dr. Michael Janneck nicht anschließen. „Die Kompetenzen verschieben sich“, sagt er und verweist auf die Notwendigkeit stärkerer Selbstorganisation oder den Umgang mit Digitalem. Seiner Einschätzung nach müssen die jüngeren Generationen zum Beispiel heute viel häufiger Referate halten oder selbstständig Power-Point-Präsentationen und Erklärvideos erstellen. „Und auch ihre Zeit ist endlich“, zeigt er sich verständnisvoll.

Computer als normales Werkzeug

Der zunehmenden Digitalisierung trägt das Johanneum ohnehin Rechnung, steht ihm doch mit Schulleiter Janneck ein Informatiker vor, der „Computerunterstütztes kooperatives Lernen“ oder „Project-based Learning“ bereits seit 1998 selbst wissenschaftlich untersucht hat. Ab Jahrgangsstufe 7 existieren Notebook-Klassen. Rund die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler werden dafür angemeldet. Ihre Familien finanzieren die Ausstattung, werden aber, wenn erforderlich, unterstützt und zahlen dann nur rund die Hälfte. Janneck: „Der Computer ist ein normales Werkzeug. Das Gerät ist dafür da, genutzt zu werden, wenn es sinnvoll ist.“

Was eben auch bedeutet, dass das Notebook nicht ständig im Einsatz ist. Die Arbeit auf Papier wird ebenso gepflegt wie das digital erstellte Manuskript. „Unsere Eltern sind da ganz entspannt und erwarten nicht, dass jederzeit mit dem Notebook gearbeitet wird, nur weil sie es bezahlt haben“, freut sich der Schulleiter. Zufrieden stellt die Schule fest, dass ihr digitales Konzept schon deutlich vor Corona existierte. So war der Distanzunterricht erheblich leichter zu gestalten.

Dr. Michael Janneck hat zudem einen wertvollen Zusatzeffekt registriert. Auch die bei manchen Lehrkräften noch existente Sorge vor dem Umgang mit Neuen Medien nimmt ab. „Wir lernen dazu, manchmal wissen die Schülerinnen und Schüler besser Bescheid, manchmal die Lehrerin oder der Lehrer. Und so steigert sich die Medienkompetenz bei allen“, berichtet er. Entsprechend fließt sie dann auch in die ständige Weiterentwicklung der Curricula und des Unterrichts ein.

Der Umgang mit Digitalem gehört im Johanneum also durchaus zur viel zitierten „Vorbereitung aufs Leben“. Unter diesem Motto werden Thema wie Achtsamkeit und Werte, gesunde Ernährung oder auch Suchtproblematiken und der verantwortungsbewusste Umgang mit dem Smartphone gebündelt. Workshops in jedem Jahrgang greifen die Inhalte auf. Ältere Schülerinnen und Schüler agieren hier als sogenannte Netpiloten: Sie beraten Jüngere und gehen als ihre Patinnen und Paten mit auf die Klassenfahrten. Auch das fördert den Gemeinschaftssinn.

Fechten, Forschen, Fairtrade

Dieser ist in allen Arbeitsgemeinschaften des Ganztags zu spüren. Als Träger fungiert der CVJM Lübeck. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen den Schülerinnen und Schülern stets für einen „Snack“, also einen Plausch oder ein Gespräch zur Verfügung. Sie führen auch die Mensa „Brandt’s“, benannt nach keinem Geringeren als Willy Brandt, dem wohl berühmtesten Schüler des Johanneums. Doch auch Lesen, Billard, Kicker spielen oder einfach nur „Abhängen“ im offenen Jugendtreff ist im „Brandt’s“ mit Sofaecken und Kickertisch möglich, wo die „DJanes“ oft dazu „nette Musik“ auflegen.

Kinder mit Urkunden
Teilnehmende der Mathematik-Olympiade © André Feller

Wenn nicht gerade eine AG stattfindet, für die man sich angemeldet hat. Unter den Arbeitsgemeinschaften befinden sich durchaus Exoten – wie Fechten und Turnen. Letzteres erfreut sich besonders großer Beliebtheit und ist durchaus anspruchsvoll, denn es wird vom Biologie- und Sportlehrer Sebastian Fromme, der früher Leistungsturner war, geleitet. Wer also nicht eines der zahlreichen Musikangebote wählt oder wem das noch nicht genügt, findet ein alle Stärken und Interessen abdeckendes Betätigungsfeld, sei es in der Jugend-forscht-AG, der Fair Trade-AG, der Licht- und Tontechnik-AG, der Bücherei-AG, der Presse-AG oder gar der MUNOL-AG, die für „Model United Nations of Lübeck“ steht und die Schülerinnen und Schüler in die Rolle von Delegierten bei den Vereinten Nationen schlüpfen lässt, um aktuelle globale Probleme zu diskutieren.

Als die Stadt im Zuge des Stadtentwicklungsdialoges „Lübeck über:Morgen“ 2021 eine Online-Umfrage durchführte, griffen das die Klassen 5a und 5b mit Geografielehrer Lucas Hillringhaus auf: Wie soll ihre Stadt 2040 aussehen, wenn sie etwa 30 Jahre alt sind, eine Familie gründen, in den Beruf starten, Spaß am Leben haben? Die kompetenten Antworten der Zehn- und Elfjährigen zeigen eindrucksvoll, wie das Johanneum seine Schülerinnen und Schüler auf das Leben vorbereitet.

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