Individuell und umweltbewusst: Ganztag in Ostritz : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Kurz hinter der Neiße locken eine Biberburg, ein Ökogarten und ein Kinderumweltlabor. Die Schkola Ostritz im Landkreis Görlitz, eine Schule in freier Trägerschaft, hat sich als Umweltmodellschule einen Namen gemacht.

Schulgebäude der Schkola Ostritz
© Schkola Ostritz

Das Gebäude atmet Geschichte. Die Schule darin ist ganz jung. Seit 2005 befindet sich im Gebäude des einstigen Katholischen Schulhauses aus dem 19. Jahrhundert die Schkola Ostritz. Die Grund- und Oberschule mit Ganztagsangeboten ist eine Schule in privater Trägerschaft, eine sogenannte staatlich anerkannte Ersatzschule, und befindet sich noch im Aufbau. Derzeit reicht sie bis Jahrgangsstufe 9 und bald als vollständige Oberschule bis Klasse 10.

Das Wort „Schkola“ kommt aus dem Slawischen und bedeutet „Schule“. Der Name des 2007 gegründeten Verbundes, zu dem neben der Grund- und Oberschule Ostritz noch die Grundschule in Hartau, die Grund- und Mittelschule sowie das Gymnasium Oberland in Ebersbach-Neugersdorf, eine Kindertagesstätte in Lückendorf und eine Berufsfachschule in Zittau und damit insgesamt mehr als 1.000 Kinder und Jugendliche und über 100 Lehr- und Fachkräfte gehören, signalisiert die Lage im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien.

Schule in der Dreiländerregion

Der Schkola-Verbund belässt es nicht bei der symbolischen Namensgebung, sondern setzt die grenzüberschreitenden Begegnungen auf den Stundenplan. Die Dreiländerregion ist für die Schule Gegenwart und Zukunft. Schülerinnen und Schüler der Schkola Oberland Ebersbach-Neugersdorf haben sich im September 2019 gerade wieder am Tschechisch-Wettbewerb „Sächsische Bohemiade“ im Internationalen Begegnungszentrum St. Marienthal in Ostritz beteiligt. In Ostritz treffen sich auch zweimal im Monat die Schülerinnen und Schüler mit denen der Partnerschule, der Grundschule Nr. 5 „Bolesław Chrobry“ im polnischen Zgorzelec. Sie lernen ab Klasse 1 – auch voneinander – die Sprache der Nachbarn. Dazu kommen in der Oberstufe noch Besuche an der Partnerschule im tschechischen Česká Lípa.

„Die Schülerinnen und Schüler lernen ein anderes Land, eine andere Kultur, ja auch anderes Essen kennen. Sie merken, dass es schön ist, etwas Anderes, zunächst Fremdes zu entdecken“, berichtet Birgit Deckwart. „Von Ehemaligen haben wir die Rückmeldung bekommen, dass man die Menschen aus anderen Ländern anders wahrnimmt, wenn man diese Kontakte erfahren hat. Wir wollen das den Kindern mit auf den Weg geben.“

Teamleiterin Birgit Deckwart
Teamleiterin Birgit Deckwart: „Wir verstehen uns als Einheit.“ © Schkola Ostritz

Birgit Deckwart ist die Teamleiterin der Schkola Ostritz, sie ist de facto die Schulleiterin. Denjenigen, die im Eingangsbereich die Fotos der 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrachten, wird schnell klar, dass an der Schule der Teamgedanke und weniger eine Hierarchie im Vordergrund steht. Die Lehrkräfte heißen hier Lernbegleiter. Alle Professionen sind gleichberechtigt abgebildet. „Wir verstehen uns als Einheit“, betont Birgit Deckwart.

Nach individuellen Aufgaben lernen

Die Schkola Ostritz, die als Grundschule begonnen hat, ist noch eine kleine Schule, 89 Schülerinnen und Schüler lernen derzeit hier. Dass die Zahl steigen wird, steht bereits fest. „Wir haben schon ein zweites Gebäude“, berichtet Birgit Deckwart, „weil wir besonders für Fachräume weiteren Platz benötigen.“ Für die 15 Plätze der nächsten 1. Klasse gibt es jetzt schon 32 Anmeldungen. Die Wartelisten sind lang. „Unsere Entscheidung vor ein paar Jahren, die Schule über die 6. Jahrgangsstufe hinaus zu verlängern, hat sich als goldrichtig herausgestellt, da nun ein längeres Lernen vor Ort möglich ist.“

Das Einzugsgebiet der Schule reicht inzwischen von Görlitz im Norden bis Zittau im Süden. Die hohe Nachfrage begründet sich für die Teamleiterin vor allem durch die Lehr- und Lernkultur an der Schule, zu der eine ausgeprägte Individualisierung gehört. Die Schülerinnen und Schüler lernen sowohl in der Primarstufe der Klassen 1 bis 3 als auch in der Sekundarstufe der Klassen 4 bis 6 in jeweils zwei altersgemischten Lerngruppen und einer Lerngruppe 7 bis 9. Die überwiegende Zeit sind zwei Lernbegleiter in diesen Gruppen im Einsatz.

„Jede Schülerin und jeder Schüler lernt bei uns nach ihren individuellen Aufgaben, die das Team für sie abstimmt – in Tagesaufgaben in der Grundstufe und Wochen- und Zweiwochenplänen in der Sekundarstufe. Die Aufgaben finden sie in ihren Arbeitsmappen vor. Hat jemand noch Nachholbedarf, kann ein Lernbegleiter auf sie oder ihn eingehen, gegebenenfalls auch außerhalb der Gruppe, zum Beispiel bei einer Lese-Rechtschreib-Schwäche gezielt mit ihm zu üben“, erläutert Birgit Deckwart das Prinzip.

Schüler und Lernbegleiterin
© Schkola Ostritz

Die Schülerinnen und Schüler dürfen sich auch aussuchen, in welcher Form sie arbeiten. Die liebevoll eingerichteten Klassenräume bieten Raum für Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit. In manchen Klassen gibt es feste Sitzplätze, in manchen nicht. Wie gelernt wird, entscheiden die Lernbegleiter stets mit den Schülerinnen und Schülern zusammen.

Präsentieren von Anfang an

Hausaufgaben gibt es an der Schkola nicht. „Wenn die Kinder um spätestens 16 Uhr die Schule verlassen, dann muss es auch mal gut sein“, findet Teamleiterin Birgit Deckwart. „Wir wollen den Kindern Termindruck ersparen und auch ihre Eltern entlasten.“

Die Altersmischung besteht insbesondere in den Lernzeiten, während der Fachunterricht auch altershomogen stattfindet. „Anderen etwas zu erklären, ist die effektivste Wiederholmethode“, meint die Teamleiterin. „Einer ist hier weiter, eine dort. Die Schülerinnen und Schüler ziehen sich gegenseitig weiter. Als Lernbegleiterin muss ich nur im Blick haben, dass manche Kinder schon ein kleines Helfersyndrom entwickeln. Da muss ich eventuell eingreifen, dass sie auch an sich selbst denken und mal sagen: Geh jemand anders fragen!“

Von Klasse 1 an lernen die Schülerinnen und Schüler, etwas zu präsentieren, in der Grundschule zum Beispiel, ein Buch vorzustellen. In der Sekundarstufe bearbeiten die Jugendlichen dann umfangreichere Themen für eine schriftliche Facharbeit, zu der auch eine mündliche Präsentation gehört, die sie dann vor großem Eltern-Publikum vorstellen. Diese sogenannte Komplexe Lernleistung gehört zum Lehrplan sächsischer Oberschulen, insbesondere in den oberen Klassen. Kürzlich waren Schülerinnen und Schüler deshalb in der Christian-Weise-Bibliothek in Zittau, die im Projekt der Euroregion Neisse-Nisa-Nysa ebenfalls grenzüberschreitend arbeitet.

Tafel mit Freiarbeit-Aktivitäten
© Schkola Ostritz

Die Leistungsfeststellung erfolgt „im laufenden Betrieb“. Die Schülerinnen und Schüler legen ihre bearbeiteten Aufgaben in eine Ablage, die Lernbegleiterinnen und -begleiter sehen sich diese fortlaufend an und versehen sie mit Anmerkungen. „Man merkt, wo Schwachstellen liegen, die dann in Freiarbeit bearbeitet werden können. Die Lernbegleiter steuern dementsprechend nach.“ Am Ende einer jeweiligen Lernphase, die immer unter einer Überschrift – beispielsweise „Zeitreise ins Mittelalter“ – steht, gibt es eine Leistungsprüfung „Teste dich selbst“, die mündlich oder schriftlich erfolgen kann.

Ganztagsangebote auch von Schülerinnen und Großeltern

Kommunikation wird an der Schkola großgeschrieben, wie Birgit Deckwart betont: „Es gibt bei uns Schüler-Lehrer-Eltern-Gespräche, außerdem viele Coaching-Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern. Einige Jugendliche sind auch bei den Leitungsberatungen aller Teammitglieder der Standorte dabei.“

Geöffnet ist die Schkola von 7 bis 16 Uhr.  An vier Tagen der Woche, montags bis donnerstags, finden von 13.30 bis 15.30 Uhr die Ganztagsangebote (GTA) statt, Arbeitsgemeinschaften, die teils altersgemischt, teils altershomogen in Gruppen von bis zu acht Schülerinnen und Schülern durchgeführt werden. Die meisten Angebote werden von Lehrkräften oder Eltern geleitet, manche aber auch von Schülerinnen und Schülern. So bieten Charlotte und Nathalie aus der 9. Klasse seit zwei Jahren einen Töpferkurs an.

Ariete Neumann ist die Ganztagskoordinatorin der Schule. „Einige Ganztagsangebote gibt es schon seit Jahren, andere müssen sich bei den Schülerinnen und Schülern erst mal einen Namen machen“, berichtet sie. Es gibt Kreativkurse wie freies Malen und die „Musikhelden“, aber auch die „Jungen Sanitäter“, Fußball, Spiele oder die AG Backen. „Die meisten Schülerinnen und Schüler wählen zwei Kurse, manche sogar drei“, so Ariete Neumann, die sich auch über das Engagement der Kooperationspartner freut: „Die Tai-Chi-AG wird von der Kampfsportschule organisiert, und unsere Garten-AG betreut ein Großvater. Wir freuen uns über die Bereitschaft der Verwandten, hier mitzuarbeiten.“

Schülerinnen und Schüler als Umweltbeauftragte

Schüler mit Ferngläsern auf einer Wiese
Umweltthemen ziehen sich durch den gesamten Unterricht. © Schkola Ostritz

Die Garten-AG ist im Übrigen ein Baustein der Schkola, die bereits 2009 den Sächsischen Umweltpreis erhalten hat und den Biber als Maskottchen führt. Die Schkola Ostritz ist Umweltmodellschule und UN-Dekade-Schule, Umweltthemen ziehen sich durch den gesamten Unterricht.

„Wir möchten unsere Schülerinnen und Schüler für die Umwelt und Nachhaltigkeit sensibilisieren.“ Birgit Deckwart ist selbst Umweltpädagogin und hat die Überzeugung: „Alltagshandeln bestimmt die Umwelt“. Daher bildet sie in jeder Lerngruppe zwei „Umweltbeauftragte“ aus, die sich wiederum bei ihren Mitschülerinnen und Mitschüler für das Müllsammeln und -trennen, Stoßlüften oder die Senkung des Papierverbrauchs stark machen.

Die älteren Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich in Projekten zum Beispiel mit Themen wie Plastik im Wasser. Regelmäßig finden ein „Waldtag“ sowie ein „Feld- und Wiesentag“ statt, an dem es raus in die Natur geht. Unter freiem Himmel schlägt dann das „Kinderumweltlabor“ seine Zelte auf, in dem die Schülerinnen und Schüler naturwissenschaftliche Experimente durchführen. „Unsere Schülerinnen und Schüler dürfen auch an ‚Fridays for Future’ teilnehmen“, verrät die Umweltpädagogin.

Fertig ist die Schkola Ostritz nie. „Wir sind immer auf der Suche, wie wir etwas besser machen können, wir sind eigentlich immer am Optimieren.“ Momentan steht die Digitalisierung im Mittelpunkt. „Wir wollen bis Sommer 2020 zusammentragen, was wir als pädagogisch sinnvoll erachten.“ So viel weiß Birgit Deckwart jetzt schon: „Es gibt tolle Sachen, aber man muss sich damit auskennen. Das wird ohne Aus- und Weiterbildung nicht gehen.“

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Kategorien: Service - Kurzmeldungen

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