Ida-Ehre-Schule Hamburg: Demokratie im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Claudia Pittelkow

Die Ida-Ehre-Schule in Eimsbüttel, Stadtteilschule mit gymnasialer Oberstufe und gebundene Ganztagsschule, hat eine Tradition der Demokratieerziehung, die in Klasse 5 mit dem Klassenrat beginnt. Jede Form von Diskriminierung wird kritisch aufgegriffen.

Kevin Amberg
Kevin Amberg leitet seit einem Jahr die Ida-Ehre-Schule. © Claudia Pittelkow

Die Ida-Ehre-Schule setzt auf Demokratieerziehung, ist „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, hat ein eigenes Schulmuseum und gilt als Pionier in der Berufs- und Studienorientierung. Ganz schön viel auf einmal. Doch das Konzept geht auf: „Unsere Anmeldezahlen für das neue Schuljahr sind so gut wie noch nie“, sagt Schulleiter Kevin Amberg. Seit einem Jahr steht der 37-Jährige an der Spitze des 160-köpfigen Kollegiums, von dem er sagt: „Ich habe noch nie ein fachlich und didaktisch so gut aufgestelltes Kollegium erlebt.“ Die Lehrkräfte und Pädagogen bringen, so Amberg, eine große Vielfalt in die Schule. „Das wissen auch die Eltern zu schätzen.“

Ganztag mit „Kursen für den Kopf“

Diese Vielfalt zeigt sich auch im Kursangebot der gebundenen Ganztagsschule. 55 Neigungskurse pro Schuljahr stehen für die Jahrgänge 5 bis 8 zur Auswahl, die an zwei Nachmittagen pro Woche belegt werden können. Im gebundenen Ganztag nehmen die Schülerinnen und Schüler an vier Tagen pro Woche verbindlich am Unterricht und an Kursen teil, für den fünften Tag hält die Schule ein Betreuungsangebot bereit. Ältere Schülerinnen und Schüler ab Klasse 9 haben statt der Neigungskurse Studienzeit. In den Neigungskursen gibt es keine Noten, aber es besteht Anwesenheitspflicht.

„Ich versuche, Vielfalt und Neues in die Kurse zu bringen“, sagt Martin Knaack, Ganztagskoordinator der Schule. Im Programm sind neben sportlichen, kreativen und musischen Angeboten auch Kurse wie „Türkische Kultur in Hamburg“ oder „HipHop-Kultur in den USA“. Diese „Kurse für den Kopf“, wie Knaack sie nennt, kämen mal mehr, mal weniger gut an. Je „kognitiver“ der Kurs, umso geringer sei die Teilnahme, berichtet er. Trotzdem versuche er es immer wieder. „Ich möchte, dass die Kinder und Jugendlichen ihren Horizont erweitern.“ Viele haben zu Hause nicht solche Bildungsgelegenheiten.

Die Vielfalt der Ganztagskurse hat sich offenbar herumgesprochen: Eltern würden ihre Kinder oft bewusst wegen des besonderen Kursangebots anmelden, so Knaack. Möglicherweise spielt auch das Label „Schule ohne Rassismus“, das die Ida-Ehre-Schule seit elf Jahren trägt, bei der Schulwahl mancher Eltern eine Rolle. Dahinter verbirgt sich eine antidiskriminierende Grundhaltung, die von allen schulisch Beteiligten mitgetragen wird.

Schulmuseum erinnert an dunkle Kapitel der Schulgeschichte

Bereits in den 1960er Jahren haben Kollegium und Schülerschaft mit der Aufarbeitung der Geschichte ihrer Schule, die damals Jahn-Schule hieß, begonnen. Die 1934 eröffnete Jahn-Schule, benannt nach dem „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, der Anfang des 19. Jahrhunderts die deutsche Turnerbewegung initiierte, war eine nationalsozialistische Vorzeigeanstalt gewesen. Bereits ab 1935 wurden hier jüdische Schüler von der Schule vertrieben. Heute erinnert ein Schulmuseum an das dunkle Kapitel der Schulgeschichte.

„Seitdem gibt es hier ein Kollegium, das sich für Minderheiten stark macht“, sagt Oliver Thron, Lehrer und Mitbegründer des Schulmuseums. Schüler-Projektgruppen wie „Steine des Anstoßes“ oder der „Arbeitskreis Erinnerung“ haben in den vergangenen Jahren in Archiven und in Gesprächen mit Zeitzeugen umfangreiches Material zur NS-Geschichte der Schule zusammengetragen und in zwei Veröffentlichungen dokumentiert. Kernstück des Museums ist eine Ausstellung zur Vergangenheit und Gegenwart jüdischen Lebens, die in Zusammenarbeit mit der Familie Schwarzschild entstand. Zahlreiche Familienmitglieder waren damals aus Eimsbüttel deportiert worden, Stolpersteine vor den ehemaligen Wohnhäusern erinnern heute an ihr Schicksal.

„Mit Fünftklässlern haben wir diese kleinen Gedenksteine aufgesucht,“, so Thron. Im Unterricht werde anschließend der Bezug zur Gegenwart hergestellt. „Die Schülerinnen und Schüler begreifen, was es heißt, plötzlich vertrieben zu werden oder aus der Heimat flüchten zu müssen.“ Außerhalb des Unterrichts ist Oliver Thron noch am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) aktiv, arbeitet dort im Bereich Demokratieerziehung.

Demokratieerziehung ab Klasse 5

In der Ida-Ehre-Schule beginnt die Demokratieerziehung bereits in der Sekundarstufe I: Ab Jahrgang 5 ist ein Klassenrat in der Schulstruktur verankert. Oliver Thron: „Parallel läuft die Demokratieerziehung im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht.“ Im Fach Gesellschaft – Politik –Wirtschaft lernen die Schülerinnen und Schüler die Theorie, im Klassenrat erleben sie die Praxis. Der Klassenrat ist die kleinste Ebene für demokratische Prozesse. Zehntklässlerin Morina (16) erklärt den Ablauf: „Die Themen werden auf ein Smartboard geschrieben und dann der Reihe nach bearbeitet.“

Rebekka Mönch
Rebekka Mönch ist für den Arbeitsbereich „Schule ohne Rassismus“ zuständig. © Claudia Pittelkow

Das vorherrschende Thema der letzten Wochen vor den Ferien war ein geplanter Ausflug der Klasse 10b. Joe (15) seufzt: „Es wurde noch nie so viel abgestimmt wie bei diesem Thema.“ Doch natürlich werden auch schwergewichtigere Themen diskutiert. Lehrerin Rebekka Mönch, Tutorin der 10b, ist für den Arbeitsbereich „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zuständig. Sie sagt: „Ausgrenzung und Diskriminierung sind bei uns immer wieder Thema in Arbeitsgruppen, Projekten und Aktivitäten.“

„Wir wollen an unserer Schule ein Bewusstsein schaffen für Demokratie“, erklärt Michael Ahrens, didaktischer Leiter der Schule. Ausgrenzung und Diskriminierung würden deshalb nicht tabuisiert – im Gegenteil: In der 10. Klasse wurde vor einiger Zeit ein Schüler gemobbt. Zehntklässler Joe erinnert sich: „Das haben wir im Klassenrat besprochen, mit dem Betroffenen und ohne ihn.“ Dadurch entwickeln die Schülerinnen und Schülern eine Sensibilität gegenüber dem Thema, sie bemerken, dass sie sich solidarisieren können.

Ein Beleg dafür ist auch, dass die Schule bereits mehrfach den Bertini-Preis für Zivilcourage erhalten hat. Ahrens: „Unsere Schüler sind sensibel für die unterschiedlichen Formen von Diskriminierung, aber das ist kein Selbstgänger, wir müssen am Ball bleiben.“ Wichtig für jede Schule sei, einen Schwerpunkt zu haben, betont er.

Pionier der Berufs- und Studienorientierung

Oder auch mehrere Schwerpunkte: Die Ida-Ehre-Schule ist schon lange Trägerin des Gütesiegels „Schule mit vorbildlicher Berufsorientierung“. Vor zwei Jahren wurde sie zudem zur Pilotschule im Bereich Berufs- und Studienorientierung ernannt. Ihr Konzept in der gymnasialen Oberstufe hat eine mehr als 20-jährige Geschichte.

Schulleiter Kevin Amberg: „Im Jahrgang 11 hat sich ein von den Schülerinnen und Schülern hochgeschätztes Credit-Point-System etabliert. Über ein Internetforum arbeiten sie verbindlich und selbstgesteuert an Lernbausteinen, auf dem Zeugnis gibt es eine eigenständige BO-Note.“ Die langjährigen Erfahrungen der Ida-Ehre-Schule in diesem Bereich sind jetzt in ein neues Unterrichtshandbuch eingeflossen, welches Methoden zum Berufswahlprozess für Hamburger Oberstufenschüler bündelt. „Darauf sind wir stolz“, so der Schulleiter.

 

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