Gymnasium Markneukirchen: Da ist Musik drin! : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Das Gymnasium Markneukirchen ist kein Musikgymnasium, behauptet Ganztagskoordinator Enrico Weller. Das kann nur Understatement sein. Das Gymnasium Markneukirchen ist im ganzen Vogtland für sein musisches Profil bekannt.

Gymnasium Markneukirchen
Musikinstrumentenschrank © Gymnasium Markneukirchen

Wer an diesem Freitag, dem 2. Dezember, noch nicht in Weihnachtsstimmung gewesen sein sollte, dürfte es spätestens am Abend nach einem Besuch in der Markneukirchener Musikhalle sein. Wie in jedem Jahr traten die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 12 des Gymnasiums Markneukirchen mit ihrem Weihnachtskonzert auf, das in der Kleinstadt im Vogtlandkreis – von manchen „Musicon Valley“ genannt – schon zum Adventsprogramm gehört wie der Baum zum Fest. Chor, Bläserklassen, Orchester und Solisten brachten unter dem Titel „Alle Jahre wieder“ ein festliches und schwungvolles Repertoire vor insgesamt rund 1200 Gästen zu Gehör – und wegen der großen Nachfrage auch gleich zweimal: in Vorstellungen um 15 Uhr und um 19 Uhr.

Knapp drei Wochen zuvor: Elke Schuster, Fachleiterin des musischen Bereiches, studiert am Montagmorgen im Probenraum des Gymnasiums mit 35 Schülerinnen und Schülern der 5. Klassen Stücke für das Konzert ein. „Jingle Bells“ oder „Rudolph the Red Nosed Reindeer“ werden mit Blech- und Holzblasinstrumenten angespielt, die Lehrerin stoppt immer mal wieder:

„Das müsste jetzt flotter gehen.“ Fliegender Wechsel: Musiklehrer und Ganztagskoordinator Enrico Weller übernimmt den Raum mit seiner 6. Klasse, diesmal begleitet von einem Schlagzeuger.

Seit September üben die Bläserklassen an den Stücken, nachdem sie verschiedene Weihnachtsklassiker und ein russisches Potpourri angespielt haben. Über die Jahre haben sich die Instrumentalgruppen und Chöre einen so guten Ruf erspielt, eine musikalische Visitenkarte auf Stadtfesten, Kongressen und Elternabenden abgegeben, dass Eltern bei der Anmeldung oft vom „Musikgymnasium“ sprechen. Was zu einer Stadt passt, die sich als „Musikstadt“ bezeichnet und in der es eine reiche Tradition des Instrumentenbaus gibt.

Ehemalige kehren in die Schule zurück

Seit mehr als 350 Jahren ist die wirtschaftliche Entwicklung von Markneukirchen eng mit dem Musikinstrumentenbau verbunden. Streichinstrumenten folgten Zupf-, Holz- und Blechblasinstrumente. In rund 100 Betrieben werden sie noch immer im Raum Markneukirchen hergestellt, dazu kommen Bestandteile und notwendiges Zubehör wie Takt- und Trommelstöcke, Musikspielwaren, klassische und moderne Perkussionsinstrumente, Kinn- und Saitenhalter, Bogenfrösche, Mechaniken, Stege, Mundstücke, Taschen und Etuis. Einer der besten Kunden ist das Gymnasium. 115 Blasinstrumente sowie zahlreiche weitere Musikinstrumente befinden sich im Schuleigentum. Kooperationspartner der Schule sind dabei unter anderem die Buffet Crampon Deutschland GmbH (mit den Werken von B & S und W. Schreiber / Keilwerth), die Gebrüder Mönnig Holzblasinstrumentenbau GmbH, die Meisterwerkstatt für Metallblasinstrumente von Jürgen Voigt und der E-Bass-Hersteller Warwick.

Gymnasium Markneukirchen
Tradition und Moderne treffen sich im Gymnasium Markneukirchen © Gymnasium Markneukirchen

Auch die aufwendigen Musical-Projekte, bei denen bis zur Aufführung rund eineinhalb Jahre für Konzeption und Proben investiert werden, sind ein Markenzeichen der Schule. Seit 20 Jahren gehört in einer Woche im Oktober oder November das König-Albert-Theater in Bad Elster den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. Rund 120 Jugendliche der Sekundarstufen I und II sind beteiligt, wenn ein Stück wie „Kolumbus – die Entdeckung der neuen Welt“ 14 Mal auf die Bühne kommt. Sie spielen, tanzen, singen und musizieren. Der lange Schaffensprozess schweißt zusammen, was sich auf das Schulklima positiv auswirkt. Und das schafft Bande, die über die Schulzeit hinausreichen.

So unterstützte Philip Rubner, Absolvent des Gymnasiums und Meisterschüler für Szenografie an der Akademie der bildenden Künste Wien, im Rahmen einer AG den Bau des Bühnenbilds mit der berühmten „Santa Maria“, dem Kolumbus-Schiff von 1492, in der Aula. In diesem Jahr wirkte am selbst geschriebenen und komponierten Musical „Amerika“ als einer von fünf Ehemaligen auch Sebastian Wildgrube mit, „Vogtländer des Jahres 2015“, der 21 Instrumente beherrscht und laut einer Regionalzeitung „selbst einer rostigen Zündkerze melodische Klänge entlocken würde“, und der sich als Musiker einen Namen gemacht hat. Für Enrico Weller ist das ein Zeichen für die Verbundenheit mit der Schule. Ein Schüler der 8. Klasse hat sich Wildgrube in einer Lerneinheit sogar als „Vorbild“ auserkoren.

Es ist auch nicht verwunderlich, wenn sich am Gymnasium Markneukirchen ein Wahlgrundkurs der Abiturstufe speziell mit dem vogtländischen Musikinstrumentenbau beschäftigt. Im Fach Vomu – nicht zu verwechseln mit Volksmusik – stehen Musikinstrumente und die regionalen Traditionen ihrer Herstellung im Mittelpunkt. Gesungen wird trotzdem in jeder Stunde und der Kurs gehört automatisch zum Oberstufenchor.

Naturwissenschaften und Sprachen

Aktuell lernen am Gymnasium 659 Schülerinnen und Schüler zusammen mit 52 Lehrkräften. „Wir haben ein naturwissenschaftliches und gesellschaftswissenschaftliches Profil“, sagt Schulleiter Norbert Hildebrand. „Es gibt Ganztagsangebote für Sport, Technik und Naturwissenschaften. Seine Schule beteiligt sich auch am Schulversuch „ERINA“ zur Erprobung inklusiver Bildung.

Gymnasium Markneukirchen
Auch die Naturwissenschaften werden großgeschrieben: Aqua-Terra-AG © Gymnasium Markneukirchen

Im naturwissenschaftlichen Bereich wartet das Gymnasium mit einem großen Terrarium auf, das im Biologie-Unterricht, aber auch in der Terra-Aqua-AG genutzt wird. Einst von einem Lehrer in Eigenarbeit gebaut, nehmen die Terrarien und Aquarien jetzt einen ganzen Raum ein. Im Bereich Sprachen können die Schülerinnen und Schüler neben Englisch- und Russisch-Zertifikaten auch Latein, Französisch oder Tschechisch wählen. Der Sport umfasst nicht nur die Klassiker Fußball, Volleyball und Leichtathletik, sondern auch Tanz und Akrobatik, Schach und Fitness. Für letztere AG steht ein komplett eingerichtetes Fitness-Studio zur Verfügung, mit Geräten, die die Schule aus einer Konkursmasse erworben hat.

Dennoch klingt immer aus irgendeinem Zimmer Musik oder Gesang. „Regelmäßig sind mehr als die Hälfte unserer Schülerinnen und Schüler in irgendeiner Form musikalisch involviert“, so Schulleiter Hildebrand. Da gibt es die Arbeitsgemeinschaft Musical, die seit letztem Jahr als Musical-Club geführt und von Schulträger und Förderverein unterstützt wird, weil man laut Enrico Weller „das Angebot als so attraktiv und qualitativ hochwertig schätzt“.

Dann sind da die Requisiten-AG, die Bläserklassen, eine Streichergruppe, eine Band, ein Chor, Angebote für Tanz. Für Aufmerksamkeit auf dem jüngsten sächsischen GTA-Fachtag in Dresden sorgte das Blechbläser-Quintett der Schule. Der GTA-Koordinator erklärt, dass nur drei der fünf jungen Musiker vor dem Schulbesuch in die Musikschule gingen. „Zwei von ihnen wären ohne die Ganztagsangebote nie an ein Instrument gekommen“, ist er überzeugt.

Ganztag rettete Angebote

„Hierfür haben wir das Ganztagsbudget des Landes genutzt“, berichtet Enrico Weller. „Auch in die Ton- und Lichttechnik haben wir solche Mittel investiert. Unsere Bläserklassen könnten wir ohne Ganztag nicht auf diesem Niveau halten. In der Phase, in der in Sachsen alle Lehrkräfte auf Teilzeit gesetzt waren, hat uns der Ganztag unser Angebot gerettet. Es wäre sonst einiges weggefallen, was noch heute nachwirkt. Darüber hinaus konnten wir unsere Angebote qualitativ weiterentwickeln.“

Seit dem Schuljahr 2005/2006 bietet das Gymnasium Markneukirchen Ganztagsangebote an. „Wir definieren uns als teilweise gebunden“, beschreibt Schulleiter Hildebrand das Ganztagskonzept. „Wir haben drei Viertel Fahrschüler und bekommen eine voll gebundene Form nicht hin, aber wir haben manche Angebote in den Vormittag ziehen können. Die Bläserklassen sind quasi unsere Ganztagsklassen, sie haben ein bis zwei Wochenstunden mehr.“ Bis zu zwölf Lehrerwochenstunden für die Ganztagsangebote kommen aus dem Kollegium, daneben beschäftigt die Schule auch externe Kräfte. „Wir sind zufrieden mit den Mitteln“, meint Enrico Weller.

„Schule in der Region – für die Region“

Für die ganztagsgerechte Umgestaltung des altehrwürdigen Schulgebäudes erhielt die Schule 2007 auch Mittel aus dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB). Auf dem Außengelände zeugt das Klassenzimmer im Freien von der Verwendung der Mittel. Die alte Schulturnhalle, die 2014 zu einer deutsch-tschechischen „KUNSTwerkSTATT“ mit Lern- und Ausstellungsräumen umgebaut worden ist, wurde indes durch das EU-Förderprojekt „Partnerschulen brauchen Begegnungsräume“ als gemeinsames Vorhaben von Markneukirchen und der tschechischen Stadt Luby finanziert. Hier können die Schülerinnen des Kunst-Leistungskurs im Erdgeschoss arbeiten und lernen; im Obergeschoss werden die Kunstwerke ausgestellt.

Gymnasium Markneukirchen
Das Weihnachtskonzert ist ein Höhepunkt im Jahr © Gymnasium Markneukirchen

Im Dezember hat noch der eine oder andere Auftritt auf Weihnachtsmärkten die musizierenden Schülerinnen und Schüler aus dem Schulhaus geführt und das Leitbild „Schule in der Region – für die Region“ des Gymnasiums mit Leben erfüllt. Im kommenden Jahr steht dem Ganztagsgymnasium Markneukirchen dann ein Dreifach-Jubiläum ins Haus: Gefeiert werden 125 Jahre Schulgebäude, 25 Jahre Gymnasium und 15 Jahre Bläserklassen. Keine Frage, dass es auch dann wieder hochmusikalisch zugehen wird...

 

Die Übernahme von Artikeln und Interviews - auch auszugsweise und/oder bei Nennung der Quelle - ist nur nach Zustimmung der Online-Redaktion erlaubt. Wir bitten um folgende Zitierweise: Autor/in: Artikelüberschrift. Datum. In: https://www.ganztagsschulen.org/xxx. Datum des Zugriffs: 00.00.0000