Grundschule Süderlügum: Kunst im Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

2017 erhielt die Grundschule Süderlügum als eine von zwei Schulen in Schleswig-Holstein den Titel „Kulturschule“. Kunst und Kultur bestimmen den Alltag der 120 Schülerinnen und Schüler.

Meike Kosbü-Hermann leitet die Grundschule Süderlügum nahe der dänischen Grenze seit bald einem Jahrzehnt. Zuvor agierte die gebürtige Berlinerin in gleicher Funktion an einer kleinen Schule mit Blick auf die Dünen auf Sylt. Doch irgendwann stellte sich ihr die Frage: „Was tun?“ Auf der Insel bleiben, sich mit der Inselmentalität endgültig anfreunden? Ihre damalige Schulrätin brachte es auf den Punkt: „Entweder schwimmen Sie auf der Sylter Welle mit oder Sie lassen sich an Land spülen.“

Meike Kosbü-Hermann und ihr Mann entschieden sich für Variante zwei. Zumal es der Zufall wollte, dass die Leitungsposition an der Grundschule Süderlügum besetzt werden musste. Die engagierte Pädagogin sagte zu. Ob ihre Leidenschaft und die ihres Mannes für die Kunst den Ausschlag gaben, ist nicht bekannt. Sicher aber spielte ihre Haltung eine wesentliche Rolle. „Als Pädagogen müssen wir den Menschen sehen, jedes Kind in den Mittelpunkt stellen, das Humane betonen“, gibt sie als Credo aus und lebt dieses als Schulleiterin auch.

Schülerinnen und Schüler malen an Staffelagen
© Grundschule Süderlügum

Sie selbst gibt sich die Devise vor: „Ich kann kontrollierend oder eben vertrauend, auf das Positive blickend, durch die Schule laufen.“ Das steht nicht gleichbedeutend für „Macht, was ihr wollt und wie es euch gefällt“. Meike Kosbü-Hermann legt Wert auf die Einhaltung der Schulordnung, die das Miteinander im Schulalltag regelt. „Ist es friedvoll, wird der Kopf zum Lernen frei“, sagt sie und fügt hinzu: „Denn das oberste Ziel lautet immer noch, dass die Lernziele erreicht werden.“

Den Blick der Erwachsenen weiten

Sie ist fest davon überzeugt, dass jede Form der Beschäftigung mit Kunst – besonders gerne auch an außerschulischen Lernorten – Lernerfolge steigert. Sie beschreibt es am Beispiel: „Beim Malen und Zeichnen begegnet man sich selber, seinen Stimmungen und Erfahrungen. Ein Mensch, der sich so ausdrücken darf, nimmt sich selber wahr, lernt sich und seine Gefühle schätzen, begreift darüber die Welt und steigert so sein Selbstbewusstsein. Das macht Lernen leichter.“

Folgerichtig steht der Gang nach draußen, etwa der Besuch der Malschule bis zu drei Mal pro Schuljahr auf dem Stundenplan. Besonders intensiviert wurde in den vergangenen Jahren die Kooperation mit der hier ansässigen Nolde-Stiftung im Projekt „Schule trifft Kultur – Kultur trifft Schule“. Sie gipfelt im jährlichen Museumstag. Dann führen Grundschülerinnen und -schüler die Besucher durch die Ausstellung, erklären ihnen mit eigenen Worten Bilder, den Garten, die Grabstätte. Und dies mit frei gesprochenen und im Vorfeld in Zusammenarbeit mit Malschul-Lehrerin Mechthild Gransow inhaltlich entwickelten Texten.

Die Schulleiterin spricht von einem „Gänsehauteffekt“, der sich bei den Führungen einstelle. Erstens, weil Kinder in und auf Bildern mitunter Dinge entdecken, die Älteren gar nicht auffallen – „lila Lichtschatten“ beispielsweise. „Sie weiten den Blick der Erwachsenen“, weiß die Mutter zweier Kinder. Begeistert schildert sie den inklusiven Charakter des Projektes: „Auch Kinder mit Förderbedarf überwinden beim Erzählen über das Bild ihre Sprachbarriere.“

Von gelegten und ungelegten Eiern

Schülerin und Schüler betrachten Gemälde
© Grundschule Süderlügum

So wie die Schülerinnen und Schüler draußen unterwegs sind, ist das Schulgebäude das kulturelle Zentrum der Gemeinde Süderlügum. Lädt die Schule zu ihren traditionellen Festen, auf denen sämtliche im Unterricht und Ganztag entstandenen Kunstwerke der Kinder präsentiert werden, ein, sind alle dabei. Nicht nur Eltern und Angehörige. „Wir sind halt eine große Familie“, versichert die Schulleiterin.

Sie verschweigt nicht, dass dies auch schon einmal „problematisch“ sein kann, wenn viele Köche an der „Mahlzeit Schule“ mitwirken. Weitgehend sei dies durchaus gewollt. Darum werden die Eltern aktiv in die Schulentwicklung einbezogen. „Jeder darf seine Sichtweise haben, aber wir als Schule müssen eine klare Linie haben und vertreten“, betont Meike Kosbü-Hermann. Auch deshalb werden mögliche Veränderungen zunächst einmal im Kollegium diskutiert und durchdacht, frei nach dem Motto: Über ungelegte Eier spricht man nicht.

Über im wahrsten Sinne des Wortes „gelegte“ allerdings schon. So wie die Grundschule die Sinne der Schülerinnen und Schüler für die Kunst schärft, so möchte sie auch ihr Bewusstsein für gesunde Ernährung und Bewegung fördern. Sie hat sich erfolgreich um die Aufnahme ins EU-Schulprogramm „Obst, Gemüse und Milch“ beworben und kann so den Schülerinnen und Schülern den kostenfreien Genuss der Nahrungsmittel – möglichst aus der Region, versteht sich – ermöglichen.

„Uns ist wichtig, dass die Kinder einen Bezug zu dem herstellen, was hier rund um die Gemeinde angebaut und produziert wird“, sagt Meike Kosbü-Hermann. Das wird schwieriger. Denn auch hier in der nördlichsten Region Deutschlands kämpfen Landwirte ums Überleben. Die „Draußen-Aktion“ zum nächsten Bauernhof kann immer seltener angeboten werden. Weil Essen mehr ist als Nahrungsaufnahme, sondern eben auch ein verbindendes Element für die Gruppe, gibt es täglich um 9.45 Uhr ein gemeinsames Frühstück. Neben den von den Schülerinnen und Schülern mitgebrachten Speisen werden Obst und Milch aus dem EU-Programm angeboten. Ein Beitrag zur Ernährungsbildung. Denn längst nicht in allen Ranzen der Kinder steckt Gesundes.

Schülerinnen und Schüler im Schwimmbad
© Grundschule Süderlügum

Umso wichtiger, dass die Schule zum Sport – etwa in den regelmäßigen Bewegungspausen – anregt. Und wie selbstverständlich allen Erstklässlerinnen und -klässlern das Schwimmen beibringt. Der Weg zum Schwimmbad ist nicht weit: Es liegt, nur durch einen Zaun getrennt, unmittelbar neben dem Schulgebäude. Seepferdchen- und Bronzeabzeichen werden so zur Selbstverständlichkeit.

Ganztag von 7 bis 17 Uhr

Eine solche stellt auch die Regel dar, dass ein Kind die weitgehend klassenübergreifend organisierte Eingangsphase erst verlässt und ins dritte Schuljahr wechselt, wenn es richtig lesen, schreiben und rechnen kann. Den Weg zu diesem Lernerfolg gehen die Schülerinnen und Schüler in Gruppen von 17 bis 24 Kindern so weit als möglich selbstständig. Deutsch und Rechnen tauchen dabei wöchentlich mit sechs Unterrichtseinheiten á 45 Minuten auf dem Stundenplan auf. Zwei davon sind Intensivstunden.

Zu ihnen treffen sich Jahrgangsgruppen, lernen unter Anleitung einer Lehrerin beispielsweise alle Buchstaben kennen und zu Wörtern „zusammenzuschweißen“. In den übrigen vier Stunden vertiefen sie sich wieder in „gemischten Gruppen“ in ihre Arbeitshefte. Sobald sie überzeugt sind, den jeweiligen Stoff zu beherrschen, steht ein kleiner Test an. Meike Kosbü-Hermann: „Mit seiner Hilfe können die Kinder eigenständig überprüfen, ob sie tatsächlich mit dieser Portion fertig sind, ob ihr Eindruck zutrifft, dass sie es können.“

Der Vertiefung von Inhalten, aber auch der Selbstkontrolle dienen die Hausaufgaben, die alle Kinder der OGS nach dem gemeinsamen Mittagessen, begleitet von den am Nachmittag tätigen Betreuerinnen, erledigen. Drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler nutzen das Angebot. Ihre Eltern können auf die Qualität der Hausaufgabenbetreuung bauen. Fachlich, weil Lehrwerke und Lösungshefte den Erzieherinnen vertraut sind, und darüber hinaus, weil sich die Professionen über die Entwicklung der Kinder austauschen.

„Der Draht ist sehr eng“, weiß die Schulleiterin und beschreibt das Miteinander so: „OGS heißt hier bei uns, eine Treppe hochzusteigen, von unserer Ganztagsleiterin Alexandra Christiansen empfangen zu werden, zu essen, Hausaufgaben zu erledigen, an einem unserer zahlreichen Kursangebote teilzunehmen, zu spielen, zu toben oder auch einfach einmal nur abzuhängen.“ Und das in der einzigen Schule in der Region täglich bis 17 Uhr. „Weil sich unsere Pforten morgens bereits um 7 Uhr für die Kinder öffnen sind wir als Ganztagsschule ein ganz wesentliches Element für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, weiß Meike Kosbü-Hermann. Die ständig hinzukommenden Neubaugebiete belegen es.

 

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