Grundschule Heigenbrücken: Gelungener Start in den Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Sie ist gerade einmal wenige Monate alt und doch schon nicht mehr wegzudenken: Die Einführung der ersten Ganztagsklasse hat die Grundschule Heigenbrücken verändert.

Monika Schötz leitet die Schule der aus den Ortschaften Heigenbrücken, Jakobsthal und Heinrichsthal bestehenden Verbandsgemeinde seit zwei Jahren. Sie traf auf eine Gemeinde und einen Bürgermeister, die sich der Bedeutung einer Ganztagsklasse für die Familien der 3200 Einwohner zählenden Gemeinde inmitten des Spessarts bewusst und bereit sind, in den Ausbau der Grundschule zur Ganztagsschule zu investieren. Der Vorsitzende der Verwaltungsgemeinschaft Werner Englert begründet das gegenüber www.ganztagsschulen.org so: „Unsere Kinder aus Heigenbrücken, Jakobsthal und Heinrichsthal haben in der Grundschule optimale Voraussetzungen für ihre schulische Laufbahn und ihren Lebensweg. Die gebundenen Ganztagsklassen bieten den Eltern und Kindern unserer Spessartgemeinden eine attraktive Schulform und somit positive, weiche Standortfaktoren. Wir stehen hinter unseren Kindern und investieren somit in die Zukunft.“
 

Viel Geld floss etwa in die energetische Sanierung. Zugleich nutzte man auch die Gunst der Stunde. Dass die zum Schulkomplex gehörige Hauptschule mangels Nachfrage geschlossen werden musste, sah man mit einem weinenden, aber auch mit einem lachenden Auge. Die Räume werden nun von der Grundschule genutzt. „Dadurch haben wir viel Platz“, freut sich Schulleiterin Schötz. Der wird nicht nur für die zahlreichen Arbeitsgemeinschaften, sondern auch als Ausbaumöglichkeit für eine moderne Mensa dienen. Noch nämlich reicht die bestehende kleine Kantine für die 18 Ganztagsschülerinnen und -schüler aus. Doch das wird nicht mehr lange der Fall sein: Die Nachfrage von Eltern nach ganztägigem Unterricht für ihre Kinder ist groß. Im nächsten Schuljahr gibt es eine zweite Ganztagsklasse. Somit besuchen im kommenden Schuljahr die Hälfte der Heigenbrückener Grundschüler die Ganztagsklassen.

Über den Tag verteilte Übungs- und Vertiefungsphasen

Das pädagogische Konzept hat Mütter und Väter im Ort, die zumeist zu ihrem Arbeitsplatz pendeln, überzeugt. Es basiert auf Jahrgangsgemischten Klassen, Individualisierung und Rhythmisierung. Letztere gelingt durch die Einbettung zahlreicher Übungs- und Vertiefungsphasen und eines breiten Freizeitangebots. Als Beispiel möge der Stundenplan des Montags dienen: Der täglich üblichen Offenen Ankommenszeit ab 7.15 Uhr, in der die Kinder bereits ins Schulgebäude dürfen, folgt der erste, durch eine 15minütige Pause unterbrochene Unterrichtsblock bis 10.20 Uhr. Ihm schließen sich die musikalische Grundausbildung, Tennis oder Shogi, ein die Konzentrationsfähigkeit förderndes japanisches dem Schach ähnelndes Spiel, an. Dem gemeinsamen Mittagessen (12 bis 12.45 Uhr) folgen zum Wochenstart Basteln, Lesen, ehe ab 14.45 Uhr die tägliche Intensivierungsstunde ansteht, in der der Unterrichtsstoff geübt, vertieft und erweitert wird. „Den Kindern steht es in der Intensivierungsstunde weitgehend frei, woran sie arbeiten“, schildert die Schulleiterin. Dabei orientieren sie sich an individualisierten Wochenplänen. Was in der Woche in der Schule und im Unterricht passierte, erfahren die Eltern jeden Freitag im „Wochenendbrief“. Er listet die Themen auf, denen sich die Schülerinnen und Schüler gewidmet haben. Handschriftlich fügt Monika Schötz persönliche Hinweise und Erfahrungen zum einzelnen Kind bei. Sie ist sicher: „Wenn Kinder nach 16 Uhr nach Hause kommen, wollen sie nicht mehr groß über Schule reden. Doch die Eltern sollten wissen, wie sich ihr Kind entwickelt und was es den ganzen Tag macht. Durch den Brief wachsen das Vertrauen zur Schule und die Identifikation mit ihr.“

Die Schulleiterin hat sich bewusst dafür entschieden, diese erste Ganztagsklasse ihrer Schule als Klassenlehrerin zu begleiten: „Ich will wissen, wie es bei uns mit dem Ganztag läuft und was wir noch verbessern müssen.“ Eines hat sie schon nach wenigen Monaten festgestellt: „Man wächst mit den Kindern enger zusammen und kann auf ihre Stärken und Schwächen gezielter eingehen.“ Dies geschieht auch in den zahlreichen über die Wochen verteilten Differenzierungsstunden, in denen mitunter zwei Lehrkräfte anwesend sind. Möglich ist diese Doppelbesetzung durch die dem Ganztag vom Land zugestandenen zusätzlichen Lehrerstunden. „So ist es uns auch möglich, einmal ein Kind aus der Gruppe herauszunehmen und mit ihm im angrenzenden Differenzierungsraum seinen persönlichen Bedürfnissen entsprechend zu arbeiten“, berichtet Monika Schötz.

Bunte Palette interessanter Angebote

Die Palette der über die Woche verteilten Angebote, die von Honorarkräften, ortsansässigen Vereinen oder den Lehrkräften geleitet werden, ist bunt. Sie reicht von der Beschäftigung mit Kinder- und Jugendliteratur in einem zum „Lesehotel“ umgestalteten Gruppenraum bis hin zum Basteln mit Naturmaterialien. In ihr gestalten die Kinder Objekte aus gesammelten Naturmaterialien, wirken an der Schulhausgestaltung mit und sammeln Erfahrung im Umgang mit Werkzeugen, dem Material Holz und lernen dabei gleichzeitig einheimische Pflanzen kennen. In der „Bewegungsbaustelle“ wird die Motorik durch verschiedenste Geschicklichkeits- und Bewegungsspiele gefördert. Ebenfalls feste Bestandteile des Angebots sind die musikalische Grundausbildung des Musikvereins Heigenbrücken und? das gezielte Training durch den Übungsleiter des örtlichen Tennisvereins.

Der Ganztag bietet auch Zeit für Projekte, zum Beispiel Theateraufführungen zu bestimmten Anlässen. Für Monika Schötz und ihr Team ist die Einbindung der Schule in den Ort selbstverständlich. So wurde der Pausenhof gemeinsam mit dem Forstamt gestaltet. Und mit dem Kindergarten kooperiert die Schule kontinuierlich. Vor ihrem Wechsel auf die Grundschule besuchen die Kita-Kinder diese ab Weihnachten wenn eben möglich wöchentlich, schnuppern in den Unterricht und lernen ihre späteren Schulkameraden kennen, während sich die Lehrkräfte ein Bild von ihren künftigen Schützlingen machen können. Dass eine pensionierte Sonderschullehrerin unentgeltlich Deutsch für ausländische Kinder anbietet, rundet das Bild ab.

Intensivierungsstunden ersetzen Hausaufgaben

Die Ganztagskinder genießen diese Vielfalt ebenso wie die Atmosphäre des Klassenraums, den ihre Klassenlehrerin bewusst „leer“ gestaltet. Sie ist überzeugt, dass Kinder diese Ruhe brauchen: „Sie können die vielen Reize sonst nicht mehr sortieren und werden hibbelig.“ Ihre Haltung mag sie dem im Vergleich zu vielen anderen Schulen jungen Kollegium nicht aufzwängen: „Das Klassenzimmer ist Hoheitsgebiet der Klassenlehrerin. Sie entscheidet, wie der Raum aussieht.“ In einem ähneln sich die Räume jedoch, unabhängig davon, ob es sich um die Ganztags- oder die Halbtagsklassen handelt: Das Lehrerpult steht an einem von der Lehrkraft für sich als optimal ausgewählten Standort, mal in der Ecke, mal an der Seite, mal im Raum. Und auch die Lern- und Arbeitsplätze der Schülerinnen und Schüler stehen nicht in Reih und Glied, sondern locker im Raum verteilt. So auch in der Ganztagsklasse. Was ihnen denn an der (Ganztags-)Schule gefällt, wollen wir von den Sechs- bis Achtjährigen wissen und erhalten höchst unterschiedliche Antworten. Celine (8), Janek (7) und Tina (7) finden es „prima, dass wir soviel Mathe haben.“ Ezequiel (7), Julia (6) und Selimar (7) gefällt, dass „wir keine Hausaufgaben aufhaben“ – diese wurden durch die Intensivierungsstunden ersetzt. Mit zwei Ausnahmen: Übers Wochenende gibt es kleine Arbeitsaufträge und lautes Lesen ist immer eine Hausaufgabe. Julius (6) hat seine speziellen Vorlieben ausgemacht: „Das Essen und dass wir in den Musikraum dürfen.“ Apropos Essen: Es wird täglich von einer Mutter und gelernten Köchin frisch gekocht. Sie stellt den Speiseplan für jeweils zwei Wochen auf. Die Kinder decken den Tisch, räumen ab und die Spülmaschine aus. Monika Schötz: „So wird das Verantwortungsbewusststein für die Gemeinschaft geschärft.“

Teamtreffen „Ganztag“ soll den Austausch strukturieren

Das Vermitteln von Werten ist fester Bestandteil des Konzeptes dieser Schule mit ihrer jungen Ganztagsklasse. An ihm wird auch künftig nicht gerüttelt werden. Wenn Monika Schötz und das von ihr als „sehr engagiert“ gelobte Kollegium nach den ersten Monaten Bilanz ziehen und Verbesserungspotenziale ausmachen, werden sie bei zwei Punkten fündig: So soll künftig der Austausch mit außerschulischen Partnern durch deren Teilnahme an Teamtreffen „Ganztag“ strukturierter stattfinden. Optimiert werden soll auch die Kommunikation im Kollegium. „Oft sprechen wir nach dem Unterricht noch über einzelne Kinder und unsere Pläne. Dafür wollen wir im Stundenplan Fensterstunden einbauen, in denen wir nicht unterrichten, sondern uns abstimmen.“ Dass die Lehrkräfte bereit sind, ihre Präsenz in der Schule auszudehnen, weiß Monika Schötz zu schätzen. Und sie kennt den Grund für diese Bereitschaft: „Sie sind alle hoch motiviert und haben nur eines im Blick: unsere Kinder.“

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