Grundschule Häcklingen: Vom Zaungast in den Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Erst seit Februar 2019 ist die Grundschule Häcklingen in Lüneburg eine offene Ganztagsschule. „Die Mischung aus Flexibilität und Verbindlichkeit kommt gut an“, bilanziert Schulleiterin Barbara Hinzmann.

Kinder im Klassenraum
© Grundschule Häcklingen

Diese Schule hat es in sich. 227 Jahre alt ist die Grundschule Häcklingen in Lüneburg. Über Jahrzehnte ist die Schule immer wieder umgebaut und erweitert worden, zuletzt im vergangenen Jahr. Und seit Februar 2019 ist auch der Ganztag mittendrin statt nur dabei. „Wir haben bewusst vier Räume für den Ganztag in den neuen Mittelteil gesetzt, um schon äußerlich zu signalisieren, dass er ein integraler Bestandteil unserer Schule ist“, erklärt Schulleiterin Barbara Hinzmann.

Seit 2011 leitet sie die dreizügige Schule, die in einem Stadtteil von Lüneburg mit dörflichem Charakter liegt. Das Dorf Häcklingen ist erst 1974 eingemeindet worden. 220 Schülerinnen und Schüler lernen an der Schule, begleitet von 18 Lehrkräften, fünf pädagogischen Fachkräften und einer Schulsozialarbeiterin. Die Idee des ganztägigen Lernens hatte Barbara Hinzmann bereits mit ihrem Antritt als Schulleiterin mitgebracht. Dennoch sollte es noch acht Jahre dauern, bis die offene Ganztagsschule startete. Was benötigte so viel Zeit?

„Angemeldet ist angemeldet“

„Es gab bereits eine privat von den Eltern zu bezahlende Nachmittagsbetreuung an der Schule, sodass der Druck, schnell mit der Ganztagsschule anzufangen, nicht ganz so groß war“, erinnert sich Barbara Hinzmann. „Vor allem aber wollten wir uns die Zeit nehmen, mit den Eltern gemeinsam die Ganztagsform zu finden, die am besten zu uns passt.“

Dazu gründete sich eine paritätisch mit Eltern und Lehrerinnen und Lehrern besetzte Arbeitsgruppe. Sie einigte sich auf das Modell einer offenen Ganztagsschule mit drei langen Tagen bis 15 Uhr und der kostenpflichtigen „Kinami“, der Kindernachmittagsbetreuung bis 16.30 Uhr an fünf Wochentagen, die wie bisher der Verein Pädagogische Initiative e. V. (PädIn) anbietet. Die Familien können sich für jedes Schulhalbjahr neu entscheiden, ob und an welchen Tagen Ihr Kind am Ganztagsbetrieb teilnimmt.

An den drei langen Ganztagen nehmen die Schülerinnen und Schüler verbindlich bis 15 Uhr an den Angeboten teil. „Angemeldet ist angemeldet, und Schule ist Schule“, betont die Schulleiterin. „Da gilt die Schulpflicht, und es gibt keine Beliebigkeit.“ Die lange konzeptionelle Vorarbeit hat sich gelohnt: Die Mischung aus Flexibilität und Verbindlichkeit kommt gut an. „Es ist richtig gewesen, so zu starten“, meint Barbara Hinzmann. Längerfristig hält sie die teilgebundene Form mit einer Ganztagsklasse für „sehr interessant“.

Kinder, die nachmittags am Zaun standen

Waldprojekt
Waldprojekt © Grundschule Häcklingen

Die Teilnahmezahlen im offenen Ganztag der Grundschule Häcklingen sind stetig gewachsen. Aktuell sind 170 der insgesamt 220 Schülerinnen und Schülern in der Ganztagsschule dabei, und bis auf 15 Kinder essen sie auch alle in der Schule zu Mittag. Die Schülerinnen und Schüler haben besonders die vielen Arbeitsgemeinschaften schätzen gelernt – und auch, dass sie ihre Freundinnen und Freunde am Nachmittag in der Schule treffen.

„Es hat Kinder gegeben“, erinnert sich Ganztagskoordinatorin Armgard Fischer-Eymann, „die nicht für die Ganztagsschule angemeldet waren und dann nachmittags am Zaun standen und bei uns mitmachen wollten.“

Für Armgard Fischer-Eymann, die als Angestellte der Stadt Lüneburg den Ganztag an der Grundschule Häcklingen leitet, ist die Ganztagsschule „definitiv mehr als eine Aufbewahrung. Das Angebot, das wir hier bieten, ist sehr attraktiv, und die Kinder fühlen sich wohl. Sie bekommen hier die Zeit und den Raum, ihre Freundschaften zu pflegen und selbstorientiert an den AGs teilzunehmen.“

Von der Schulhund- bis zur Nachrichtensprecher-AG

Rund 15 Arbeitsgemeinschaften stehen den Schülerinnen und Schülern der Klassen 2 bis 4 offen. Einige wie die Schulhund-AG, die Street-Art-AG oder „Fit im Umgang mit dem Computer“ werden von Lehrerinnen und Lehrern organisiert. Es gibt Nähen, Tanzen, die Holzwerkstatt, die AG „Basteln mit Müll“ („aus Müll machen wir Kunst“), den Bücherclub, die Briefmarken-AG, die Wald-AG, die Zirkus-AG mit dem „riesengroßes Sporttrampolin“ und den 6K United Sternenchor. Mit der „Alpaka & Natur“-AG geht es auf einen benachbarten Bauernhof, auf dem die Schülerinnen und Schüler die sensiblen Tiere kennenlernen, sie pflegen und führen dürfen.

Besuch im Museum Lüneburg
Besuch im Museum Lüneburg © Grundschule Häcklingen

In zwei AGs kooperiert die Ganztagsgrundschule mit der LZ, der „Landeszeitung für die Lüneburger Heide“. Die Schülerinnen und Schüler der Nachrichtensprecher-AG lesen unter Leitung von Paik Nissen vom Institut für Erlebnispädagogik Lüneburg die Kindernachrichten der Zeitung für einen Podcast, den die LZonline dann veröffentlicht. In der Bücherclub-AG schreiben die Kinder Rezensionen zu von ihnen gelesenen Büchern, ebenfalls für die Kindernachrichtenseite der Zeitung.

Für Erstklässlerinnen und Erstklässler gibt es erst einmal freie Angebote: Spielen auf dem Schulhof, Bauen im Bauraum, Basteln in Bastelraum, Spielen im Spieleraum oder Ausruhen im Ruheraum. Auch die Klassen 2 bis 4 können alternativ zu den AGs am freien Spiel teilnehmen. „Beim freien Spiel und den AGs die Waage zu halten, ist für uns schwierig“, verrät Armgard Fischer-Eymann. „Wir dürfen die Schülerinnen und Schüler nicht komplett verplanen, aber auch nicht alles freigeben. Die Energie der Kinder muss irgendwohin, dafür müssen wir auch gebundene Formen finden.“

Gelingensbedingung Teamarbeit

Den Eltern war besonders die Hausaufgabenbetreuung wichtig und dass sie von Lehrerinnen und Lehrern begleitet wird. Nach dem Mittagessen findet daher täglich die „Lernzeit“ statt. 25 Schülerinnen und Schüler arbeiten jeweils in der Lernzeit in Stillarbeit an ihren Wochenplänen. Wer früher mit den gestellten Aufgaben fertig wird, löst zusätzliche Aufgaben aus dem „Raketenheft“.

Schulleiterin Barbara Hinzmann ist zufrieden: „Es läuft gut und ruhig. Trotzdem wollen wir langfristig unsere Hausaufgabenpraxis generell überprüfen.“ Mit der Einführung der Ganztagsschule habe zunächst die Unterrichtsentwicklung etwas hintenanstehen müssen, „sonst hätte ich das Kollegium überfordert“. Doch die „nach wie vor wichtigste Aufgabe“ der Schule neben der Wissensvermittlung ist für die Schulleiterin, die Kinder zu „verantwortungsbewussten Mitgliedern der Gesellschaft“ zu erziehen.

Projekt „Dem Papier auf der Spur“
Projekt „Dem Papier auf der Spur“ © Grundschule Häcklingen

„Das geht nur im Team mit den Eltern. Und eine absolute Gelingensbedingung ist es auch, als Team in der Schule zusammenzuarbeiten – nur dann kriegt man das hin“, betont Barbara Hinzmann. Mit der Ganztagskoordinatorin Armgard Fischer-Eymann steht sie in stetem Austausch: „Sie ist beinahe unsere zweite Konrektorin.“ Für die Schulleiterin steht fest: „Nur durch Projekte kann man das Gemeinschaftsgefühl nicht stärken, sondern das muss gelebte Praxis im Alltag sein.“

Mehr Ruhe im Ganztag

Die Grundschule Häcklingen möchte das Wir-Gefühl stärken, wie sie es im Leitbild formuliert. Dabei helfen kooperative Arbeitsformen, aber auch beispielsweise der Schulwandertag. Armgard Fischer-Eymann erzählt: „Die Klassen wandern wie bei einem Sternlauf zu einem Treffpunkt im Wald, wo wir ein Mandala legen und das Schullied singen. Mich hat auch das wöchentliche Adventssingen letztes Jahr sehr berührt.“ Es gibt den Sponsorenlauf für den Zirkus, die Streitschlichter und in jedem Jahrgang teamförderliche Projekte wie ein Gewaltpräventionsprojekt.

Auch das Mittagessen erfüllt pädagogische Aufgaben. „Die gegenseitige Rücksichtnahme und auch die Übernahme von Verantwortung fangen hier an. Deshalb haben wir uns bewusst gegen eine Mensa entschieden, sondern essen in den Klassenräumen“, erläutert die Ganztagskoordinatorin. „Wir mussten auch feststellen, dass einige Kinder noch gar keine Tischregeln kennen.“ Die lernen sie nun, wenn sie ihre Teller mit den saisonalen und regionalen Produkten füllen, die Gravenhorst Catering liefert.

Nach einem Jahr ziehen die Schulleiterin und die Ganztagskoordinatorin eine positive Bilanz, wie sich der Ganztag entwickelt hat. Nur an einer Stelle hakt es noch. „Ich habe mich mit allen Schülerinnen und Schülern in den verschiedenen Gruppen am Nachmittag zusammengesetzt und sie befragt, was ihnen gefällt und was sie eventuell ändern möchten“, erzählt Armgard Fischer-Eymann. „Ganz viele Kinder haben beklagt, dass es oft zu laut sei. Wir wollen jetzt planen, wie wir mehr Räume für Ruhe schaffen können. Unsere gerade eröffnete Bibliothek könnte so ein Raum sein.“

 

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