Grundschule Bloherfelde: Ganztag aus vielen Perspektiven : Datum: Autor: Autor/in: Stephan Lüke

Eine ausgeprägte Teamarbeit kennzeichnet die Grundschule Bloherfelde in Oldenburg. Das gilt besonders für den Ganztag mit dem Blick auf jedes einzelne Kind und eine selbstverständliche Wertevermittlung.

Schulhof
© Thorsten Ackermann

Die Sonne scheint, vom Schulhof schallen fröhliche Kinderstimmen zum Parkplatz. Ein schöner Morgen. Zwei freundliche und aufgeschlossene Schülerinnen fragen den Gast, ob sie ihm wohl helfen können. Können sie, denn er ist verabredet mit dem Team, das sich jeden Mittwoch zur Besprechung trifft: dem Ganztagsteam der Grundschule Bloherfelde in Oldenburg. Die flugs herbeigerufene Lehrerin führt mich ins Besprechungszimmer, kurz unterbrochen von der Frage einer anderen Schülerin: „In welche Tonne kommt das?“, fragt die Schülerin, ein Stück Abfall in der Hand haltend.

Die Szenen währen vielleicht zwei, drei Minuten. Doch in dieser Kürze vermitteln sie, was in einem Schulprogramm treffender kaum geschildert werden kann. Diese Grundschule vermittelt Werte. Zu ihnen zählen der wertschätzende, aufmerksame Blick auf die Mitmenschen sowie der Umgang mit unserer Umwelt, mit Nachhaltigkeit, aber auch Ordnung und Sauberkeit. Und sie offenbaren: Hier wird an einem Strang gezogen.

„Niemand arbeitet alleine“

Entsprechend ist es selbstverständlich, dass sich für das Gespräch mit dem angereisten Journalisten nicht nur Schulleiterin Alexandra Wohlert, sondern auch das Mitglied der kollegialen Schulleitung und dort Hauptverantwortliche für den Ganztag Melanie Greiner, Ganztagsassistentin Antje Pape und Johannes Schmacker, der Ganztagsleiter des Jugendhilfeträgers „Arbeit und Bildung“, Zeit genommen haben. Könnten sie alle vier gleichzeitig eine Antwort auf die Frage formulieren, was die gemeinsame Tätigkeit an dieser Schule auszeichnet, würden sie wohl sagen: „Niemand arbeitet hier alleine.“

So fasst dies die Schulleiterin in einer kurzen Vorstellung zusammen: „Unserem Innovationsgedanken liegt grundsätzlich der Teamgedanke zugrunde.“ Will heißen: Es existieren in und auf allen Ebenen fest etablierte Gruppen, die die Ziele, Interessen und pädagogische Weiterentwicklung vorantreiben. So auch im gleichberechtigten Schulleitungsteam, einem Alleinstellungsmerkmal in Niedersachsen. „Und zwar nicht, weil es vermeintlich weniger Arbeit darstellt, sondern, weil wie unsere Entscheidungen auf möglichst vielen Perspektiven aufbauen möchten“, garantiert Alexandra Wohlert.

Wünsche der Schülerinnen und Schülern respektieren

Ein Credo lautet dabei, nicht nur über Schülerinnen und Schüler zu sprechen, sondern mit ihnen. Man hört und respektiert ihre Wünsche. Folgerichtig wählt jede Klasse ihre Sprecherinnen und Sprecher. Die gelebte Partizipation hilft im Alltag, auch wenn die Kinder ihre Wünsche etwa für neue Arbeitsgemeinschaften, andere Spiele oder Aufgaben künftig an den hölzernen Wunschbaum im Erdgeschoss platzieren können. Sie dürfen darauf hoffen, dass diese, wenn eben möglich, erfüllt werden.

Tuschen
© Thorsten Ackermann

Zu Wort kommen die Schülerinnen und Schüler selbstverständlich auch in ihren seit rund acht Jahren existierenden Lernhäusern. Über diese liest man auf der Homepage der Schule: „Unsere Schule ist unterteilt in vier Lernhäuser, wo jedes für sich eine kleine Insel und alle zusammen wieder das große Ganze bilden. Die Lernhäuser setzen sich in der Regel aus zwei Eingangsstufenklassen, einer dritten und einer vierten Klasse zusammen. Da unsere Schule wächst, ‚wohnen’ im grünen Lernhaus mittlerweile vier Eingangsstufenklassen.“

In den „Lernhausteams“ unterrichten Klassenlehrkräfte zusammen mit Fach- und Förderlehrkräften. Jede Klasse hat ein solches Team aus Klassenlehrkraft und Co-Klassenlehrkraft. Hier ist „der Teamgedanke, der im großen System seine besondere Bedeutung trägt, im Kleinen schon umgesetzt“.

Austauschordner für Unterricht und Ganztag

Der Teamgedanke liegt auch der täglichen Begleitung der Schülerinnen und Schüler zugrunde. Schulbegleiterinnen und -begleiter, aber auch die Schulgesundheitskraft sind vormittags mit von der Partie. Die Lehrkräfte bieten wie das weitere pädagogisch tätige Personal Arbeitsgemeinschaften an. Und sie unterstützen Schülerinnen und Schüler darüber hinaus während der 30-minütigen Übungszeit. Hier widmen sie sich den Hausaufgaben, die jene Kinder, die nicht zum Offenen Ganztag angemeldet sind, zu Hause erledigen.

Melanie Greiner und Johannes Schmacker stellen fest: „Wir merken den Unterschied, ob die Arbeiten daheim oder hier gemacht worden sind schon.“ Mitunter sind sie ein Signal dafür, dass es daheim vielleicht gerade einmal nicht so rund läuft, mitunter auch, dass ein geeigneter Arbeitsplatz und die Unterstützung durch die Eltern fehlen. Im Unterricht und Ganztag gewonnene Erkenntnisse über aktuell Belangreiches halten alle Erwachsenen im sogenannten Austauschordner fest.

Auch dadurch kann das Ziel, das Kind in den Mittelpunkt der Arbeit und Aufmerksamkeit zu stellen sowie die Inklusion erfolgreich voranzutreiben, leichter erreicht werden. So gelingt es eben auch, das Ganztagsangebot am Nachmittag, an dem 270 von insgesamt 380 Schülerinnen und Schülern teilnehmen, ein wenig zu „steuern“. Wer benötigt den Ruhe-, wer den Spielraum, wer muss sich austoben, wer kreativ sein oder dem Forschergeist freien Lauf lassen?

Kinder nichts „überstülpen“

Verpflichtend ist die Teilnahme an zumindest einer Arbeitsgemeinschaft, aber es sollen gern mehr sein. Antje Pape weiß um das Wahlverhalten. Denn jedes Kind hat eine Lieblings-AG und muss dennoch manchmal mit jener vorliebnehmen, die nur auf Platz zwei der eigenen Prioritätenliste gelandet war. Hier gilt es zu vermitteln. „Die Zeit der Anmeldungen stellt für uns eine besondere Herausforderung dar. Zumal viele Eltern darauf angewiesen sind, ihr Kind an allen Wochentagen gut betreut zu wissen. Ist das der Fall, sollen nach Empfehlung der Schule mindestens zwei bis drei Angebote gewählt und gebucht werden“, erläutert die Ganztagsassistentin.

Theater
© Thorsten Ackermann

Die Regel gilt, dass Kindern nichts „übergestülpt“ wird. Alexandra Wohlert: „Wir holen unsere Schülerinnen und Schüler ab, wo sie stehen, schätzen ihre Individualität und geben positive Rückmeldungen. Was nicht bedeutet, sie immer nur zu loben.“ Alles geschieht im Wissen um die Bedeutung klarer Strukturen für die Kinder. Antje Pape ergänzt: „Wenn wir spüren, dass jemandem etwas zuviel wird, suchen wir das Gespräch mit den Eltern.“ Mitunter stellt sich heraus, dass auch die Erziehungsberechtigten dankbar für die Unterstützung sind. „Unser Team der Sozialarbeit hilft gerne auch beim Gang zum Amt oder bei der Suche nach Therapeuten, inklusive Ausfüllen eines Antrages“, verspricht Johannes Schmacker.

„Unterhaltung to go“

Dass die Kinder im Mittelpunkt stehen sollen, wird gelebt. So auch in den belastenden Corona-Zeiten. „Wirklich auf Notbetreuung sind wir nie heruntergefahren, das hätte man den Kleinen nicht zumuten können“, erinnert sich die Schulleiterin. Angebote wurden entwickelt. In Tagen des Wechselmodells im Unterricht, als die Ganztagstüren nur ein Stück weit geöffnet sein konnten, packte die Schule alle vier Wochen Päckchen: gefüllt mit Spieleideen, Bewegungsanregungen und sogar Kochrezepten. Die „Unterhaltung to go“ trug dazu bei, drohende Defizite aufzufangen.

Die Bilanz der Schulleitung fällt positiv aus: „Die Eltern haben nochmals intensiv gespürt, was Ganztagsschule bedeutet. Sie waren sehr dankbar.“ Nicht zuletzt auch über die Glückskinder-AG. Pia Heinrichsmeier hat als Studentin ein entsprechendes Konzept entwickelt, das die Resilienz stärkt. Ihr Grundgedanke lautet, schwierige Situationen durch Glücksmomente, wie etwa anregende Gemeinschaftsspiele, besser bewältigen zu lernen.

Allerdings räumt Alexandra Wohlert auch ein, dass motorische Fertigkeiten gelitten haben. Und sie weiß: „Unsere Kinder lechzen nach Grenzen und sozialen Erfahrungen. Darum ist es so wichtig, nicht nur kurz nach Corona daran zu arbeiten, Lerndefizite auszugleichen.“ Wichtig sei vielmehr, dass sich die Kinder wieder angenommen fühlen. Der tägliche Morgenkreis, in dem eben nicht nur das Arbeitspensum, sondern auch persönliches Wohlbefinden thematisiert wird, stellt seit jeher ein Ritual dar, dass die Gemeinschaft prägt. Inklusive der „warmen Dusche“, sprich der freundlichen Worte anderen gegenüber. Melanie Greiner betont: „Auch das ist Bildung. Denn im Miteinander-sprechen lernen sich die Kinder auszudrücken.“

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