Grundschule Berg am Laim: Ein Eiswagen für den Ganztag : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Im März 2015 erhielt die Ganztagsgrundschule Berg am Laim den Münchner Schulpreis. Die Innovationsfreude des Kollegiums wird mit einer hohen Akzeptanz im Stadtteil belohnt.

Ehre, wem Ehre gebührt. „Mein Kollegium ist sehr innovativ“, erklärt Dr. Michael Hoderlein-Rein, Rektor der Grundschule Berg am Laim. Er beschreibt damit eine Entwicklung, die ihren vorläufigen Höhepunkt im März 2015 fand: Da gewann seine Schule den mit 12.000 Euro dotierten Münchner Schulpreis. Das Kollegium sei die treibende Kraft hinter der Ganztagsschulentwicklung. Auch die Initiative zur Schulpreisbewerbung kam aus dem Kollegium, ergänzt Konrektorin Vera Reindl.

Hoderlein-Rein begann 2006 seine Arbeit als Schulleiter der Grundschule Berg am Laim.„In einer der ersten Konferenzen meinten die Kolleginnen, dass etwas nicht mehr passte. 'Uns schwimmen die Kinder davon', hieß es. Nach nur einem Nachmittag machten viele Schülerinnen und Schüler Rückschritte, nach einem Wochenende sei es noch eklatanter. Eine Gruppe von Kolleginnen erklärte: 'Wir machen da was.' Sie entwickelte ein Konzept für unsere Schule, das eine gebundene Ganztagsklasse vorsah“, erinnert sich der Schulleiter.

Ganztagsklassen und „Ganztagskinder“

Als erste Regelschule in München startete die Grundschule Berg am Laim im Schuljahr 2008/2009 mit der gebundenen Ganztagsklasse. Inzwischen ist der Ganztag „hochgewachsen“ bis zur 4. Klasse, sodass die Schule inzwischen auch die erste Regelschule der bayerischen Hauptstadt ist, die in allen Jahrgangsstufen über gebundene Ganztagsklassen verfügt. Und damit „genau den Bedarf getroffen“ hat, wie sich Hoderlein-Rein freut, der sich selbst als „Fan von Ganztagsbildung“ bezeichnet.

Dabei sind die vier Ganztagsklassen nicht die einzige Form ganztägiger Bildung und Betreuung. Für Eltern gibt es auch die Möglichkeit, ihre Kinder in der Mittagsbetreuung oder im Tagesheim anzumelden. Insgesamt sind so derzeit rund 560 der insgesamt 604 Schülerinnen und Schüler in irgendeiner Form „Ganztagskinder“. Demnächst kommt eine weitere Möglichkeit dazu, denn die bayerische Landesregierung hat beschlossen, die offene Ganztagsschule auch im Primarbereich zu ermöglichen.

Hausaufgaben: „Einmal am Tag zehn Minuten lesen“

Die Grundschule Berg am Laim ist eine sogenannte Sprengelschule. Hier können nur Kinder angemeldet werden, die im Stadtteil leben. „Wir haben eine gute soziale Durchmischung“, berichtet Hoderlein-Rein, „und nicht wenige Schülerinnen und Schülern, deren Großeltern hier teilweise schon zur Schule gegangen sind.“ Obwohl etliche Eltern Probleme mit der deutschen Sprache haben, ist der Sprachstand der Schule durchgängig deutsch. „Sie werden hier kein Kind finden, das Sie nicht versteht, wenn Sie es ansprechen, oder das nicht mit Ihnen kommunizieren kann“, erklärt der Rektor.

Die insgesamt 240 Stunden umfassenden Vorkurse Deutsch, in denen die Jungen und Mädchen vor Unterrichtsbeginn intensiv die deutsche Sprache lernen, sorgen dafür. Laut Hoderlein-Rein ist der Sprachstand eine entscheidende Voraussetzung für gelingende Bildung. „Wichtig ist, dass die Eltern dadurch merken, dass ihre Kinder an Bildung teilnehmen.“ Die Schule bietet auch ein wöchentliches Elterncafé mit dem Kurs „Mama lernt Deutsch“ und mehrsprachige Elternabende an. Am Elterncafé nimmt ein Mitglied aus dem Schulleitungsteam teil.

„Dort besprechen wir Dinge wie Hausaufgaben, Schullaufbahn, Lesen oder Fragen zur Einschulung: Wo kann ich mithelfen? Was muss ich besorgen?“, erzählt der Rektor. Die einzige regelmäßige Hausaufgabe, auf der die Grundschule besteht: „Einmal am Tag soll für zehn Minuten gelesen werden“, berichtet Hoderlein-Rein. „Und das muss nicht heißen, dass die Eltern vorlesen. Die Kinder können auch ihrer Mama oder ihrem Papa etwas vorlesen oder sich auch nur ein Bilderbuch anschauen und darüber reden.“

„Kunstfertigkeit“ Stundenplangestaltung

Lediglich am Freitag, an dem bereits um 12.20 Uhr Unterrichtsschluss ist, kann es Hausaufgaben für das Wochenende geben. Ansonsten „wird alles im Unterricht geübt“, erläutert der Schulleiter. Die Schülerinnen und Schüler lernen mit individuellen Lehrplänen, die in Deutsch und Mathematik genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Es gibt – wie in den Halbtagsklassen – eine Mischung aus Wochenplänen, „Lernen lernen“ und lehrergesteuertem Unterricht. In vielen Ganztagsschulstunden unterrichten Tandems, zwei Lehrerinnen, die sich für ihren Unterricht absprechen und die Kinder so gezielter individuell fördern können. Die Schulleitung sei besonders geschickt, die Stundenpläne so zu stecken, dass alle Beteiligten zufrieden sind. Auch diese „Kunstfertigkeit“ sorge dafür, dass die Akzeptanz der Ganztagsschule innerhalb des Kollegiums unverändert hoch ist.

Die Grundschule Berg am Laim folgt dem Lernhausprinzip: Auf je vier Klassenzimmer kommen ein gemeinsamer Raum für die Schülerinnen und Schüler, ein Teamraum für die Lehrerinnen, eine Leseecke und eine PC-Ecke. Seit inzwischen drei Jahren leitet Stefanie Nägerl eine Ganztagsklasse: „Ich habe mich wegen der Ganztagsschule von einer anderen Schule hierhin beworben“, erzählt sie. „Ich hatte ein bestimmtes Bild von den Möglichkeiten des Ganztags, das sich auch bestätigt und sogar noch verstärkt hat. Der soziale Bereich ist gegenüber einer Halbtagsklasse extrem verbessert: Die Kinder entwickeln mehr Sozialkompetenz, sie lernen miteinander und helfen sich.“

„Wenn sich erst mal alles eingespielt hat“

Für eher introvertierte Kinder sei es zu Beginn manchmal eine Herausforderung, so lange am Tag in einer Gemeinschaft zu sein. Aber letztlich bilde sich ein viel größerer Gemeinschaftsgeist heraus als in einer Halbtagsschule. Streitigkeiten ließen sich besser klären, die Empathie-Fähigkeit werde gestärkt. „Schwächere Schülerinnen und Schüler kann man in anderen Bereichen loben und so motivieren“, berichtet Nägerl.

„Die zusätzliche Zeit bietet mehr Möglichkeiten. Ich kann Übungszeiten, die bei uns 'FI -  Fördern und Intensivieren' heißen, frei einplanen.“ Die Lehrerin wertet jede Aufgabe in Deutsch und Mathematik aus und erstellt anhand der Ergebnisse zusammen mit der Tandemlehrerin eigene Lehrpläne für die Kinder. Auch wechselnde Lernformen wie Partner- und Gruppenarbeit, ergänzt durch Lernspiele oder Arbeit am Computer, seien wichtig. Für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler hat Stefanie Nägerl neuerdings ein Karteikastensystem mit Knobelaufgaben konzipiert, das gut ankommt.

Der Montag und der Donnerstag sind die langen Tage für die Ganztagslehrerinnen. Der  Mittwochnachmittag ist für Konferenzen und schulinterne Fortbildungen vorgesehen. „Es sind viele Absprachen nötig“, so Michael Hoderlein-Rein. „Wir schauen, dass wir generell eine Stunde haben, in der wir alle zusammenkommen.“

„Am Anfang habe ich den hohen organisatorischen Aufwand für so eine Arbeit als Leiterin einer Ganztagsklasse unterschätzt“, gibt die Pädagogin zu. „Aber wenn sich erst mal alles eingespielt hat, dann arbeitet man zufriedener und entspannter. Es gibt ein stärkeres Miteinander im Kollegium und einen besseren Kontakt zu den Eltern. Und meine Rolle verändert sich dabei: Ich erlebe die Kinder nicht nur in ihrer Rolle als Schülerin oder Schüler.“

Zwischenfazit: „StEG-Ergebnisse treffen bei uns zu“

Auch nach einigen Jahren teilgebundener Ganztagsschule gebe es immer noch neue Erfahrungen zu verarbeiten, beschreibt der Schulleiter Michael Hoderlein-Rein die weiter andauernden Lernprozesse der Grundschule Berg am Laim: „Ich hoffe, dass wir in fünf Jahren über das, was wir derzeit machen, schmunzeln werden. So wie wir heute manchmal darüber schmunzeln, was wir vor fünf Jahren gemacht haben“.

Ein Zwischenfazit zur Ganztagsschule zieht er aber schon. Zur Vorbereitung auf die Bewerbung zum Münchner Schulpreis hat er sich alle Zahlen, Daten und Fakten genau angeschaut und kommt zum Ergebnis, dass „ich sämtliche Ergebnisse der StEG-Studie nur unterschreiben kann. Die Lehrerinnen melden mir zurück, dass das Sozialverhalten besser ist – obwohl viele Kinder aus einem schwierigen sozialen Umfeld kommen. Wir haben keine einzige Klassenwiederholung, und in den Leistungsbildern zeigt sich, dass die Schülerinnen und Schüler in den Ganztagsklassen ihre Begabungen viel besser ausschöpfen.“

Bleibt noch die Frage, was die Schule mit den 12.000 Euro Schulpreisgeld vorhat. Konrektorin Reindl berichtet, was die Schülerinnen und Schüler sich wünschen: einen professionellen Eiswagen, mit dem man auch bei Schulfesten Getränke kühlen kann. „Darauf soll dann an den Gewinn des Schulpreises erinnert werden“, so die Konrektorin. „Den Kindern war wichtig, dass das Geld nicht irgendwo im Alltagskreislauf verschwindet.“ Ein Angebot samt Illustration für einen Eiswagen liegt auf dem Schreibtisch des Rektors.

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