Grundschule Arnkielstraße: "Alle mitnehmen" : Datum: Autor: Autor/in: Claudia Pittelkow

Die Grundschule Arnkielstraße in Hamburg-Altona kommt bei Kindern und Eltern gut an, gerade weil aus der offenen eine teilgebundene Ganztagsschule wurde. Schulleiter Thorsten Bräuer verrät sein Erfolgsrezept.

Mitten im dichtbesiedelten Stadtteil Altona-Nord liegt die Grundschule Arnkielstraße. Die teilgebundene Ganztagsschule mit derzeit 19 Klassen und 350 Kindern ist beliebt im Viertel: Nach der gerade abgeschlossenen Anmelderunde für das Schuljahr 2016/17 steht fest, dass die Schülerzahl nach den Sommerferien noch ordentlich wachsen wird. „Zum neuen Schuljahr werden bei uns dann voraussichtlich 410 Schülerinnen und Schüler in insgesamt 22 Klassen unterrichtet“, sagt Schulleiter Thorsten Bräuer.

Platz gibt es in der ehemaligen Grund-, Haupt- und Realschule genug: Ein großes Außengelände, gut ausgestattete Fach- und Klassenräume, zwei Sporthallen und eine moderne Produktionsküche bieten beste Voraussetzungen für einen gut funktionierenden Schulbetrieb. Doch die Schule war nicht immer so erfolgreich. Bräuer: „Als ich 2010 Leiter der Grundschule wurde, gab es hier gerade mal 150 Kinder.“ In fünfeinhalb Jahren hat Thorsten Bräuer die Schülerzahl um rund 60 Prozent gesteigert. Wie hat er das geschafft?

2010 als offene Ganztagsschule gestartet

„Da kommen mehrere Faktoren zusammen“, erklärt er. Zunächst müsse das Konzept der Schule stimmen. Bevor Bräuer an die Schule Arnkielstraße wechselte, war er Schulleiter an Hamburgs erster Ganztagsschule, der Schule Am Altonaer Volkspark, die heute zur Stadtteilschule Lurup gehört. Die damalige Modellschule war 1958 gleich in der konsequentesten Form der ganztägigen Betreuung gestartet: als gebundene Ganztagsschule, in der die Schüler von 8 bis 15.30 Uhr verpflichtend am Unterricht teilnehmen mussten.

Schulleiter Thorsten Bräuer
Schulleiter Thorsten Bräuer hat die Schülerzahl verdoppelt. © Claudia Pittelkow

Bräuer, selbst ein Anhänger der gebundenen Form, wusste allerdings, dass dieses Modell in der Schule Arnkielstraße nicht durchzusetzen ist. „Das kannten die Eltern hier nicht, die waren an die verlässliche Halbtagsgrundschule mit Hortbetreuung ab 13 Uhr gewöhnt“, berichtet der 49-Jährige. Deshalb ging die Schule 2010 zunächst als offene Ganztagsgrundschule an den Start – allerdings mit dem Ziel, irgendwann in eine teilgebundene Form überzugehen.

Erste Erfahrungen mit der gebundenen Form

In den kommenden zwei Jahren haben die Eltern erste Erfahrungen mit der Ganztagsschule sammeln können – und das Angebot offenbar schätzen gelernt. Immer mehr Kinder verbrachten den Nachmittag freiwillig in der Schule, immer mehr Lehrer boten Kurse im offenen Bereich an. Bräuer: „Wir haben Stück für Stück Überzeugungsarbeit geleistet, bei den Eltern, aber auch im Kollegium.“

Obwohl sukzessive mehr Lernzeiten am Nachmittag eingeführt wurden, war eine wirkliche Verknüpfung des Vor- und Nachmittags nicht möglich. Ein rhythmisierter Tagesablauf kann nur funktionieren, wenn alle Schüler zu bestimmten Zeiten verpflichtend in der Schule sind. Die Schule fand schließlich eine Kompromisslösung: 2012 wurde die offene in eine teilgebundene Ganztagsschule umgewandelt.

Von nun an war für alle Kinder jeweils am Dienstag- und Donnerstagnachmittag verpflichtend Ganztag bis 15.30 Uhr angesagt. Darüber hinaus konnten alle Schüler montags und mittwochs von 14 bis 15.30 Uhr freiwillig an Kursen (Klasse 2 bis 4) oder an der Jahrgangsbetreuung (Vorschule und Klasse 1) teilnehmen. Freitags endete die Schule um 14 Uhr. Die teilgebundene Form bringt enorme Vorteile: Bräuer: „Zwar vergibt man durch die Rhythmisierung Handlungsspielraum, hat aber im Gegenzug größere Wahlmöglichkeiten.“

Mittagsfreizeit: „Prinzipien der offenen Jugendarbeit“

Ein wesentlicher Vorteil ist die Flexibilität: Eine teilgebundene Ganztagsschule kann den Eltern ein gewisses Maß an Gebundenheit anbieten, öffnet sich aber gleichzeitig für Eltern, die lieber mehr Freizeit mit ihren Kinder verbringen möchten. Die Devise des Schulleiters: Alle Menschen mitnehmen – das gilt für Lehrkräfte, Eltern und natürlich auch für Schüler! Bräuer: „Wenn sich Schüler wohlfühlen, dann lernen sie auch gut.“ Aus diesem Grund wurde an der Grundschule Arnkielstraße die Mittagsfreizeit eingeführt – ein weiterer Baustein für einen erfolgreichen Ganztag.

Schülerinnen beim Schach
Die Schule bietet vielfältige Bildungs- und Freizeitkurse an. © Grundschule Arnkielstraße

In der Grundschule Arnkielstraße sind alle Schülerinnen und Schüler ab Klasse 2 sechs Stunden täglich mindestens bis 14 Uhr in der Schule. Für Erstklässler und Vorschulkinder gibt es ein gesondertes Betreuungskonzept. Das 45-minütige Freizeit- und Betreuungsangebot nach dem Mittagessen ist nach den Interessen und Bedürfnissen der Schüler einer inklusiven Schule ausgerichtet und bietet Entspannungs- und Rückzugmöglichkeiten sowie ein rundes Dutzend Spiel- und Bewegungsangebote.

Innerhalb bestehender Grenzen können die Schüler frei entscheiden, ob sie allein oder mit anderen zusammen spielen, lesen, Musik hören, eines der Wahlangebote wahrnehmen oder sich einfach ausruhen wollen. Bräuer: „Wir haben die Mittagsfreizeit nach den Prinzipien der offenen Jugendarbeit aufgebaut, das ist quasi ‚freies Spiel‘ unter gewissen Rahmenbedingungen.“

Leerer Bauch lernt nicht gern

Das tägliche Mittagessen ist selbstverständlicher Bestandteil des Ganztagskonzeptes. In der Arnkielstraße haben Erfahrungen des Schulalltages gezeigt, dass nicht in allen Familien die Kinder noch einen „Familientisch“ kennen oder auch nur Frühstück, Pausenbrote oder regelmäßige Mahlzeiten erhalten. Umso wichtiger ist das Mittagsangebot in der eigenen Schule in vertrauter Umgebung.

Die Ganztagsschule Arnkielstraße arbeitet mit dem Verein Kinderwelt Hamburg zusammen, einem Caterer, der zu 100 Prozent auf Bio-Qualität setzt. Die Zubereitung erfolgt in der schuleigenen Produktionsküche, gegessen wird in drei Essräumen in mehreren Schichten. Vorschülern, Erst- und Zweitklässlern wird das Essen serviert, die älteren Schüler bedienen sich am Büfett. Drei Menüs gibt es täglich zur Auswahl, mit Fisch, mit Fleisch und vegetarisch. „Wir achten außerdem darauf, dass Regeln der Tisch- und Esskultur vermittelt und eingehalten werden“, so der Schulleiter.

Gutes Kursangebot spricht sich herum

Eine wesentliche Rolle für einen erfolgreichen Ganztagsbetrieb spielt das Angebot an Bildungs- und Freizeitkursen. Schulleiter Bräuer: „Wenn man tolle Angebote hat, spricht sich das schnell im Stadtteil herum.“ Die Zufriedenheit der Elternschaft lässt sich beziffern: Die Quote der Kinder, die neben den zwei verbindlichen Nachmittagen zusätzlich auch an freiwilligen Kursangeboten teilnehmen, hat sich von anfangs 80 Prozent auf heute 92 Prozent gesteigert.

Schjüler beim Lesen
© Grundschule Arnkielstraße

Entsprechend dem kulturellen Schwerpunkt der Schule gibt es Kurse aus den Bereichen Kunst und Gestaltung, Theater, Instrumentalunterricht und Musik, Rhythmik und Tanz sowie Sprache. Außerdem werden verschiedene Kurse aus den Bereichen Bewegung, Sport und Spiel, Technik und Natur angeboten. Bräuer: „Als teilgebundene Ganztagsschule sind wir eine Schule aus einem Guss, das heißt, wir machen alles selbst und brauchen keine externen Dienstleister für den Ganztagsbetrieb.“

Um die Lern- und Lebenswelten der Schüler zu erweitern, arbeitet die Grundschule mit vielen außerschulischen Kooperationspartnern zusammen, mit Vereinen, Stiftungen, Bildungsstätten, kulturellen und sozialen Institutionen. Neben Projekten, die nur ein Schuljahr lang laufen, gibt es auch langfristige Schulprojekte. So geben beispielsweise ehemalige Handwerker im Zeitspenderprojekt des Arbeiter-Samariter-Bundes „Handwerk macht Schule“ ihr Wissen an Viertklässler weiter. Mit dem Eissportprojekt hat die Schule ihr Angebot für den Sportunterricht erweitert: Seit 2010 stehen Eishockey, Eislauf und Eiskunstlauf auf dem Stundenplan.

Alle Schüler lernen Radfahren

Schon seit vier Jahren ist das Projekt „Sicher und souverän auf zwei Rädern“ ein fester Bestandteil des Unterrichts. „Wir beginnen in der ersten Klasse mit einer Stunde Rollertraining pro Woche“, berichtet Christian Burmeister vom Verband der Radfahrlehrer (VdR) moveo ergo sum e.V. In Klasse 2 folgen Rollertouren, in Klasse 3 beginnen die Schüler mit dem Radtraining, und am Ende der 4. Klasse steht eine offizielle Radprüfung mit einem Polizeiverkehrslehrer auf dem Programm.

Drei ausgebildete Erzieher arbeiten zurzeit mit den Schülerinnen und Schülern der Arnkielstraße. Ziel des Projekts: Alle Kinder sollen am Ende ihrer Grundschulzeit souverän mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen können. Die nächste Prüfung steht im Mai an – übrigens die erste, bei der alle 57 teilnehmenden Schülerinnen und Schüler den Kurs von Klasse 1 bis 4 komplett durchlaufen haben.

Burmeister: „Diesmal werden hoffentlich alle die Prüfung schaffen, vor Projektstart sind damals noch 35 Prozent der Viertklässler durchgefallen.“ Das Projekt ist in dieser Form bundesweit einzigartig: Die Schule Arnkielstraße ist die einzige Schule Deutschlands, die Roller- und Radfahren von der 1. bis zur 4. Klasse durchgängig unterrichtet.

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