„Goethe ab zwei“ – Ganztag in Bensheim : Datum: Autor: Autor/in: Ralf Augsburg

Kürzlich begeisterte die GoetheaterAG mit „Momo“. Das Goethe-Gymnasium Bensheim, Europaschule und G8-Gymnasium, hält für Schülerinnen und Schülern ein Ganztagsangebot mit viel individueller Förderung bereit.

„Goethe ab zwei“. Das ist nicht der Titel einer Kultursendung im Radio, sondern ein Baustein des Ganztagskonzepts: An fünf Wochentagen können die Schülerinnen und Schüler des Goethe-Gymnasiums Bensheim im Kreis Bergstraße „ab zwei“ Uhr nachmittags „Hausaufgaben“ erledigen, Vokabeln lernen, AGs besuchen oder auch Intensivierungskurse in den Hauptfächern nutzen. Zuvor können sie sich im „Pausenintermezzo“ bewegen, sich in die Bibliothek oder den Ruheraum zurückziehen oder auch –zum Beispiel am „Spieletisch“ in der Pausenhalle – spielen.

Goethe-Gymnasium Bensheim
Tag der offenen Tür © Goethe-Gymnasium Bensheim

Dienstags bis donnerstags heißt es in der Mittagspause zwischen 13 und 14 Uhr „Frag den Schulleiter“ und „Frag den Lehrer“: Zu festen Zeiten sind Schulleiter Klaus Holl und seine Kolleginnen und Kollegen der Fächer Deutsch, Englisch, Französisch, Mathematik und Spanisch für die Schülerinnen und Schüler ansprechbar. „Die Sprechstunden sind ein niederschwelliges Angebot der individuellen Förderung“, erläutert Klaus Holl. „Schülerinnen und Schüler, die krank gewesen sind, können hier eine Soforthilfe bekommen. Es gehen aber auch leistungsstarke Kinder hin. Das hat sich sehr bewährt.“ Die Idee, dass auch er selbst eine Sprechstunde anbieten könnte, ergab sich durch den Erfolg der „Frag den Lehrer“-Stunden. „Es gibt sonst wenig Gelegenheiten, dem Schulleiter im Alltag zu begegnen“, meint Holl.

Ganztagsgymnasium mit Profil

Sicherlich ist das an einer Schule wie dem bis zu sechszügigen Goethe-Gymnasium schwieriger, denn hier lernen rund 1.200 Schülerinnen und Schüler, arbeiten 120 Lehrkräfte und zehn pädagogische Partner. In der Region ist die Schule das einzige ganztägig arbeitende Gymnasium im Profil 2 des Landes Hessen. Das heißt, an allen fünf Wochentagen gibt es Angebote von 7.30 Uhr bis mindestens 16 Uhr. Dazu ist das Goethe-Gymnasium als G8-Gymnasium organisiert.

In der „Stadt der Schulen“, als die Bensheim in der Gegend bekannt ist, in der viele Schulstandorte um die Kinder wetteifern, sorgte die G8-Einführung im Goethe-Gymnasium zunächst für einen Knick in den Anmeldezahlen. Doch das hat sich gedreht. „Und der Ganztag spielt da eine Rolle“, ist Klaus Holl überzeugt. Im Informations-Flyer für die Eltern von Grundschülern stehen der Ganztag sowohl im Grußwort des Schulleiters als auch in der Broschüre selbst ganz vorne – noch vor den Schwerpunkten Moderne Fremdsprachen, Naturwissenschaften und MINT, Musik, Umweltschule und Gesundheitsfördernde Schule.

Das Goethe-Gymnasium ist zudem noch Europaschule und eine von 181 Schulen mit dem Gütesiegel Hochbegabung in Hessen. Ein Förderprogramm für Naturwissenschaften und Vorbereitungskurse für externe Sprachzertifikate sollen besonders motivierten und leistungsbereiten Schülerinnen und Schüler erweiterte Lerngelegenheiten bieten. Regelmäßig erlangt die Schule Preise bei „Jugend forscht“ und „Schüler experimentieren“.

„Ganztagskoordination muss in der Schulleitung verankert sein“

„Die Koordination des Ganztags ist wichtig“, betont der Schulleiter, „und sie muss in der Schulleitung verankert sein, das ist der entscheidende Punkt! Das Thema muss Wichtigkeit und Wertschätzung in der Schulleitung erfahren. Und es muss eine engagierte Person geben, die diese Koordination übernimmt.“ Am Goethe-Gymnasium ist das Nicole Guthier, die sich selbst als „Ganztagsüberzeugungstäterin“ bezeichnet. Seit Beginn im Jahr 2008, als sie zur Ganztagskoordinatorin ernannt wurde, hat sie die Schulentwicklung geprägt.

Goethe-Gymnasium Bensheim
Schulleiter Klaus Holl © Goethe-Gymnasium Bensheim

Zusammen mit dem Schulleiter und dem Ganztagsteam, zu dem neben Lehrkräften die beim Land Hessen fest angestellte Sozialpädagogin Karola Piwonka-Schnaubelt – laut Klaus Holl ein „Glücksfall“ –, zwei FSJ-ler und außerdem viele Oberstufenschüler gehören, begleitet Nicole Guthier das Ganztagskonzept und entwickelt es weiter. Wenn sie nicht an der Schule anzutreffen ist, kann es gut sein, dass die Lehrerin verreist ist, beispielsweise zu einem Landes- oder Bundeskongress zum Thema Ganztag oder zu Treffen im länderübergreifenden Programm „LiGa – Lernen im Ganztag“, an dem Hessen sehr engagiert beteiligt ist.

Ein Gesamtkonzept ist notwendig

Die Ganztagsentwicklung im Goethe-Gymnasium hat sich seit 2008 schrittweise entwickelt. „Arbeitsgemeinschaften gab es damals an unserer Schule bereits, das hat uns immer ausgezeichnet“, berichtet die Ganztagskoordinatorin. „Aber uns war klar, dass wir den Nachmittag in ein Gesamtkonzept einbinden mussten. Auch deshalb haben wir von Anfang an eine Sozialpädagogin beschäftigt“. Klaus Holl ergänzt: „Die Gesellschaft hat sich verändert, Schule muss sich auch verändern. Die Schule muss ihre Trägheit ablegen.“

Dass damals bis zum Abitur „unbefriedigend viele Schülerinnen und Schüler auf der Strecke blieben, in der Summe eine ganze Klasse“, war Ausgangspunkt, den Ganztag im Gymnasium besonders unter dem Gesichtspunkt der individuellen Förderung zu konzipieren. Neben der „Goethe nach zwei“-Zeit gibt es daher Intensivierungskurse in allen Hauptfächern, in denen einmal in der Woche in festen Kleingruppen mit einem qualifizierten Oberstufenschüler gelernt wird. Das Angebot richtet sich an der Nachfrage durch Eltern und Schülerinnen und Schüler aus. Dafür ist ein Elternbeitrag fällig.

Generell können die Ganztagsangebote nach Bedarf gewählt werden, die fünf Tage sind kein Muss. „Die Eltern schätzen diese Flexibilität sehr“, so Klaus Holl. „Wir sind schon als Schule ein starres System, da sollten wir Flexibilität ermöglichen. Auf dem Land braucht man den Eltern mit einer gebundenen Ganztagsschule nicht zu kommen.“ Nach einer teilgebundenen Ganztagsschule besteht hingegen eine deutliche Nachfrage, wie die Entwicklung der 2011 etablierten Lernzeitklasse zeigt.

Goethe-Gymnasium Bensheim
Adventskonzert 2016 © Goethe-Gymnasium Bensheim

„Wir haben gemerkt, dass der Bedarf nach Betreuung und Förderung wuchs“, erinnert sich Nicole Guthier. In den Klassen 5 und 6 findet in den Lernzeitklassen verstärkt Hauptfachunterricht statt, in den die individuellen Lernzeiten integriert sind. An zwei Tagen dauert der Unterricht zusätzlich von 14 bis 15.30 Uhr, an einem Tag besuchen die Schülerinnen und Schüler eine der 35 AGs. In der Regel gibt es keine schriftlichen Hausaufgaben. Mit den Jahren ist die Nachfrage nach den Lernzeitklassen gestiegen, sodass aktuell drei von sechs Klassen in der 5. Jahrgangsstufe so lernen. „Tendenz steigend“, so der Schulleiter.

Alle profitieren vom Ganztag

„In den Lernzeitklassen habe ich einen viel besseren Blick, was die Kinder können“, berichtet die Ganztagskoordinatorin. „Ich sehe schneller, wo ich nachlegen muss. Das Verhältnis zu den Schülerinnen und Schülern wandelt sich. Man wird eher zu einem Trainer, der die Kinder begleitet und bei dem sie bei Schwierigkeiten nachfragen können.“

Klaus Höll ist überzeugt: „Eine gute Ganztagsschularbeit führt zu guter Unterrichtsqualität, alle profitieren davon.“ So erleichtert der Ganztag den Lehrkräften die Möglichkeiten, eigene Konzepte zu entwickeln, „es gibt nichts Vorgefertigtes“, beschreibt Nicole Guthier. Das junge Kollegium bringe mit vielen Referendaren und durch den Besuch vieler Fortbildungen eine breite Methodenvielfalt an das Ganztagsgymnasium. Das derzeit wichtigste Schulentwicklungsprojekt ist das Selbstorganisierte Lernen (SOL), das im Teamteaching begleitet werden soll.

Momentan läuft das fächerübergreifende SOL, das die drei Grundkompetenzen „Motivieren“, „Ziele setzen“ und „Planen“ zum Schwerpunkt hat, in allen 5. Klassen und in der 6. Klasse in den Naturwissenschaften. Es soll auf die 7. Klassen in den Gesellschaftswissenschaften ausgeweitet werden. „Uns ist wichtig, Module zu implementieren, die dann auch zuverlässig verwirklicht werden“, sagt die Ganztagskoordinatorin. „Freitags treffen sich jetzt immer zehn Kolleginnen und Kollegen, um das kritisch zu diskutieren. Das sind spannende Treffen, da ist richtig was los.“

Italienische Reise und Goetheater

Als Europaschule engagiert sich das Goethe-Gymnasium seit vielen Jahren erfolgreich am Europäischen Wettbewerb des in Wiesbaden gegründeten Netzwerks der „Europäischen Bewegung in Deutschland“. Am 8. Mai beginnt die Europawoche am Gymnasium. Das Jahresthema der Hessischen Europawoche ist „Europa in Bewegung“. Die Schule hat sich ein Ziel gesetzt. „Wir wollen, dass im Jahr 2020 jede Schülerin und jeder Schüler an einem Austausch teilnimmt. Unsere Schule möchte Europas Werte ins Bewusstsein bringen.“, erklärt Schulleiter Klaus Höll. 2016 haben Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen, die Italienisch als dritte Fremdsprache lernen, die Partnerstadt Brisighella in der Emilia-Romagna besucht. Kürzlich erst fanden Besuche in der französischen Partnerstadt Beaune und in Israel statt.

Die Goetheater-AG führt "Momo" auf
"Momo"-Premiere © Goethe-Gymnasium Bensheim

Einen anderen Jahreshöhepunkt hatte das Gymnasium im März: Die Theater-AG „Goetheater“ unter Leitung von Deutsch-Lehrer Torsten Weis führte – mit rund 50 Schülerinnen und Schülern aller Jahrgänge, über 20 Lehrerinnen und Lehrern in Gastrollen und dem Bühnenbild von Kunst-Lehrerin Desiree Hanemann – Michael Endes „Momo“ in der kombinierten Aula und Mensa auf. Über zwei Stunden begeisterte das Goetheater, die sechs Vorstellungen besuchten insgesamt rund 2.000 Zuschauer, darunter viele Ehemalige der Schule. Alle Rollen waren doppelt besetzt, sodass keine Aufführung der anderen glich – außer in der Qualität, auf welche die Schülerinnen und Schüler ein Jahr lang hingearbeitet hatten. Der „Bergstätter Anzeiger“ lobte denn auch: „Das Ergebnis ging weit über das hinaus, was man bei einer Schultheateraufführung erwarten kann.“

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